Reaktionsgeschwindigkeit [2]

[633] Reaktionsgeschwindigkeit wird gemessen durch die in der Zeiteinheit umgesetzte Menge reagierender Stoffe.

Betrachten wir irgendeine Reaktion, z.B. H2 + Cl2 → 2HCl, so wird die Geschwindigkeit v der Umwandlung davon abhängen, wie oft die H2-Moleküle mit den Cl2-Molekülen zusammenstoßen. Die Zahl der Zusammenstöße wird nun um so größer sein, je mehr Cl2-Moleküle sich in dem betreffenden Reaktionsraum befinden, mit andern Worten, v wird proportional der Konzentration von H2 sein. Das gleiche muß auch für Cl2 gelten. Es ist also

v = k · |H2| · |Cl2|,

wo | · | die Konzentration bedeuten und k ein von den Konzentrationen unabhängiger, jeder Reaktion eigentümlicher Proportionalitätsfaktor ist (der jedoch von Druck und Temperatur abhängt) und den Namen Geschwindigkeitskoeffizient führt. Ist der eine Stoff mit 2 Molekülen beteiligt, wie bei 2H2 + O2 → 2H2O, so wächst die Chance, daß gleichartige Moleküle sich treffen, mit dem Produkte, also dem Quadrate seiner Konzentration, also v = k |H2|2 |O2|.

Bei der allgemeinen Reaktion

n1A1 + n2A1 + .... → n'1A'1 ...

ist die Reaktionsgeschwindigkeit

v = kc1n1 · c2n2 ...,

wenn c1 c2 die Konzentration der Stoffe A1, A2 bedeuten. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt bei allen Reaktionen mit steigender Temperatur außerordentlich zu.

Aus der Tatsache, daß die Vereinigung von Wasserstoff und Chlor bei Belichtung sehr beschleunigt wird, können wir entnehmen, in welchem hohen Maße k von äußeren Umständen abhängt (Belichtung, Druck, Temperatur, Katalysatoren). Es ist deshalb nicht angängig, die Reaktionsgeschwindigkeit als Maß der Affinität (s.d., S. 6) zu betrachten.


Literatur: [1] Nernst, Theoretische Chemie, 7. Aufl., Stuttgart 1913. – [2] Remsen-Seubert, Anorganische Chemie, 4. Aufl., Tübingen 1909. – [3] Traube, Grundriß der Physikalischen Chemie, Stuttgart 1904.

Wietzel.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 633.
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