[655] Schiffbaumaterialien zum modernen Schiffbau sind hauptsächlich Stahl und Eisen, Kupfer, Bronze, ferner Nutzholz, Kork, Asbest, Filz, Marineleim, Gummi u.s.w.
Die verschiedenen Stahlmaterialien nehmen die erste Stelle ein, da Schweißeisen Schiffsketten ausgenommen kaum noch zur Anwendung gelangt. Den Hauptbedarf bildet das Flußeisen, und zwar das basische Siemens-Martin-Flußeisen oder Siemens-Martin-Stahl; Thomas-Stahl findet im Handelsschiffbau, ferner für untergeordnete Bauten Verwendung. Für komplizierte Formstücke des Schiffsrumpfes und der Schiffsmaschinen wird allgemein Stahlformguß verwendet, während Kurbelwellen und Schiffswellen sowie wichtige Schmiedestücke aus Tiegelstahl und niedrig prozentigem Nickelstahl gefertigt werden. Hochprozentiger Nickelstahl mit etwa 25% Nickelgehalt wird als unmagnetisierbarer Nickelstahl im Kriegsschiffbau in der Nähe der Schiffskompasse vorgeschrieben, während gehärteter Nickelstahl zu Panzerplatten (s. Schiffspanzer) verarbeitet wird. Die Qualitätsnormen für Schiffbaumaterial aus Siemens-Martin-Flußeisen sind nach den Vorschriften der Kriegsmarinen und der Schiffsklassifikationsgesellschaften in den einzelnen Ländern mit Bezug auf Festigkeit und Dehnung sowie Gütezahl fast gleich. Die Festigkeit des Konstruktionsmaterials für den Schiffskörper schwankt zwischen 41 und 52 kg pro Quadratmillimeter, die Dehnung zwischen 16 und 24%. Die höchsten Festigkeitsziffern weisen der Englische Lloyd und die österreichische Marine auf. Die größte Mannigfaltigkeit bieten die Vorschriften der französischen Marine, welche nicht nur für die verschiedenen Materialstärken, sondern auch für Bleche, Stoßbleche und Nahtstreifen, Winkel und Profile besondere Festigkeits- und Dehnungsziffern angeben. Auffallend ist ferner, daß, während die deutsche und französische Marine für Winkel und Profile gegenüber den Blechen weiches Material vorschreiben, der Englische Lloyd mit der Festigkeit der Winkel und Profile höher als bei Blechen geht. Die deutsche Marine hat ferner für bestimmte Bauteile innerhalb des Vertikalpanzers, für alle Aufbauten, Brücken, Schornsteine und Matten eine weiche Qualität von 3441 kg pro Quadratmillimeter Festigkeit und 2125% Dehnung vorgesehen. Als Stahlmaterial für die Schiffskessel haben sich gleichfalls zwei Qualitäten eingebürgert, ein weicheres Material von 3447 kg pro Quadratmillimeter Festigkeit und 2026% Dehnung für Feuer- und Bördelbleche und ein härteres Material von 3550 kg pro Quadratmillimeter Festigkeit und 2030% Dehnung. Die Vorschriften gehen hier weiter auseinander, da neben den Bestimmungen der Kriegsmarinen und der Schiffsklassifikationen auch die polizeilichen und gesetzlichen Bestimmungen in den einzelnen Ländern zu beachten sind. Diese Mannigfaltigkeit der Vorschriften ist für den Reeder gelegentlich der Registrierung und des Verkaufs von Dampfschiffen bisweilen nachteilig geworden.
Große Gleichmäßigkeit weisen die Qualitätsnormen für den Stahlguß auf, welcher durchweg nach dem Siemens-Martin-Verfahren gewonnen wird. Neben einer Festigkeit von 4060 kg pro Quadratmillimeter entsprechend einer Dehnung von 186% wird durchweg eine Fall- und Schlagprobe vorgeschrieben.
Die schweren Schmiedestücke wie Kurbel und Schraubenwellen, Kolben, Kolbenstangen, Pleuelstangen u.s.w. werden aus Blöcken von Siemens-Martin-Flußeisen oder Nickelstahl sowie aus Tiegelstahl gefertigt. Während für Flußeisen die Festigkeit zwischen 40 und 50 kg pro Quadratmillimeter bei 2030% Dehnung schwankt, geht man bei mittelprozentigem Nickelstahl auf 5270 kg pro Quadratmillimeter Festigkeit bei 18% Dehnung.
Die Qualitätsziffern für Bronze und Messing schwanken erheblich je nach der Legierung und dem Verwendungszweck, ebenso für die sonstigen Materialien.
Literatur: [1] Schwarz und v. Halle, Die Schiffbauindustrie, Berlin 1902. [2] Reichsmarineamt, Materialvorschriften der Deutschen Kriegsmarine, Berlin 1905. [3] Germanischer Lloyd, Vorschriften für den Bau und die Ausrüstung von eisernen und stählernen Seeschiffen, Rostock (jährlich). [4] Lloyd's Register of British and foreign Shipping, Rules and Regulations, London (jährlich). [5] Bureau Veritas, Reglement für den Bau eiserner und stählerner Schiffe, Hamburg (jährlich).
T. Schwarz.