Schiffskessel [1]

[669] Schiffskessel gliedern sich in vier Hauptklassen: 1. Kofferkessel für Dampfspannungen bis 3 Atmosphären; 2. Zylinderkessel mit rückkehrender oder durchschlagender Flamme für Dampfspannungen von 4–12 bezw. 15 Atmosphären; 3. Lokomotivkessel für Dampfspannungen von 10–13 Atmosphären; 4. Wasserrohrkessel bis zu 20 Atmosphären Spannung.

Die Kofferkessel sind von parallelepipedischer Form und bestehen, mit Ausnahme der abgerundeten Ecken, aus flachen Wandungen, die durch starke Verankerungen und Stehbolzen versteift sind. Sie besitzen 2–5 Feuerungen, die entweder ganz im Kessel eingebaut sind, so daß sie unten einen Wasserschenkel haben (Flachbodenkessel, bei Holzschiffen gebräuchlich) oder unten offen bleiben (Trockenboden oder Fußkessel). Die Flamme schlägt von der Feuerung über die den Rost abschließende Feuerbrücke in die hintere Rauchkammer, und die Heizgase streichen von hier durch die über den Feuerungen gelagerten Siede- oder Feuerröhren, in die vordere Rauchkammer und von dort in den Schornstein. Ihr Wirkungsgrad ist infolge der hohen Feuerungen ein verhältnismäßig günstiger [1], [5], [9], [12].

Um die starken Verankerungen zu vermeiden und die Kesselwandungen für höhere Dampfspannungen geeignet zu machen., ging man zu den Oval- und dann zu den Zylinderkesseln über mit zylindrischem Mantel und ebenen Endflächen, Stirn- und Rückwand sowie zylindrischen Flammrohren. Die letzteren werden zur besseren Widerstandsfähigkeit gegen äußeren Druck nach dem Patent von Fox, Purpe, Morrison und Deighton geschweißt und gewellt und an den Enden mit der Stirnwand und der flachwandigen Rauchkammer durch Bördelungen vernietet, wobei Rücksicht darauf genommen wird, die Flammrohre für Reparaturen auswechseln[669] zu können. Die Flammrohre erhalten einen Durchmesser von 1–1,3 m und ihre Zahl schwankt pro Stirnwand zwischen 2 und 4. Die Rauchkammer ist entweder für alle Feuerungen gemeinsam oder sie ist für die Flammrohre einzeln oder gruppenweise getrennt. Die Seitenwände sowie die Rückwand werden mit dem Kesselmantel bezw. der Rückwand durch Stehbolzen verbunden, während die Decke durch eine Brücke, die Rohrwand durch die Siederohre bezw. besondere Ankerrohre versteift ist. Die gezogenen schmiedeeisernen Rohre erhalten einen Durchmesser von 50–90 mm bei einer Wandstärke von 2–4 mm und diese werden in den Rohrwänden durch Aufdrillen und Umbördeln gedichtet. Zur Vergrößerung der Rostfläche baut man die Zylinderkessel doppelendig, d.h. sie erhalten an beiden Endflächen Flammrohre, die in der Mitte meist in eine gemeinschaftliche Rauchkammer münden. Für forcierten Betrieb sind getrennte Rauchkammern vorzuziehen, da sonst die Siederohre leicht zu Leckagen Veranlassung geben. Die Doppelender sind verhältnismäßig leichter und wirksamer und beanspruchen weniger Raum. Die Zylinderkessel finden als Einender sowie als Doppelender auf Handelsdampfern fast ausschließlich Verwendung [1], [7]–[10], [14], [15], [23], [27], [29], Fig. 1. Liegen die Siederohre in Verlängerung der Flammrohre und reichen sie dann von der hinteren Wand der Rauchkammer bis zur Rückwand des Zylinderkessels, so entsteht der Zylinderkessel mit durchschlagender Flamme, auch Admiralitätskessel genannt. Wegen des geringeren Manteldurchmessers ist er für höhere Dampfspannungen geeignet; er beansprucht jedoch wegen der Reinigung der Siederohre bedeutenden Raum der Länge nach und ist infolge schlechteren Wasserumlaufs größeren Wärmeausdehnungen ausgesetzt ([1], [9], [24]).

Die Lokomotivkessel haben in der Hauptsache auf Torpedobooten Verwendung gefunden wegen Leichtigkeit und hoher Forcierung, nach der freilich die Rohrenden leicht leck werden. Seit etwa 12 Jahren sind diese daher vollständig durch Wasserrohrkessel verdrängt.

Das Streben der Schiffskonstrukteure, zur Erzielung hoher Geschwindigkeiten im besonderen bei Kriegsschiffen weiter an Gewicht und Raum zu sparen und durch Anwendung hoher Dampfspannungen zugleich die Oekonomie der Schiffsmaschine zu steigern, führte schließlich zum Bau von Wasserrohrkesseln für Schiffszwecke. Die Gewichtsersparnis ergibt sich sowohl durch Verkleinerung des Wasserraumes sowie durch Reduktion der Materialstärken infolge kleinerer Rohrdurchmesser und Dampfdruck von innen als auch durch die Steigerung der Verdampfungskraft durch Forcierung des Betriebes ohne Schaden für den Kessel. Die Wasserrohrkessel haben überdies den Vorteil, daß sie sich in kürzester Zeit dampfklar stellen lassen. Die anfänglichen Nachteile der Wasserrohrkessel, Neigung zum Ueberkochen und Erzeugung nassen Dampfes, erforderliche aufmerksame Bedienung im besonderen mit Bezug auf die Kesselspeisung, sind zum Teil durch geeignete Vorrichtungen und selbsttätig wirkende Apparate gehoben; die weiteren Nachteile, mangelhafte Konservierung und Kontrolle seiner einzelnen Teile sowie Empfindlichkeit gegen Verschmutzen, lassen eine Einführung der Wasserrohrkessel in der Handelsmarine noch nicht aufkommen, dagegen haben sich diese auf Kriegsschiffen allgemein eingebürgert ([3], [15], [26], [27], [29]). Die Zahl der einzelnen Kesseltypen ist eine sehr große und sollen hier nur die gebräuchlichsten in ihren neuesten Formen erörtert werden. Die Wirkungsweise der Wasserrohrkessel ist durch einen ständigen Kreislauf des Wassers bedingt, der verhindert, daß die Wasserrohre glühend werden und verbrennen oder aufreißen. Je lebhafter der Wasserumlauf ist, desto stärker kann forciert werden und desto enger können die Wasserrohre sein. Die oberen Enden der Wasserrohre münden in einen gemeinsamen Dampfsammler, die unteren sind entweder geschlossen oder stehen mit einem Wassersammler in Verbindung. Je nach Form und Anordnung der Wasserrohre, Sammler und Feuerungsanlage ergeben sich die mannigfachen Kesseltypen. Nach der Weite der Wasserrohre gliedert man die Wasserrohrkessel in weitrohrige und engrohrige Wasserrohrkessel; erstere liegen meist nahezu horizontal, letztere sind zur Förderung des Wasserumlaufs stark ansteigend angeordnet Zu den weitrohrigen Wasserrohrkesseln gehören die Belleville-, Lagrafel-d'Allest-, Babcock- und Wilcox-, Dürr- und Niclausse-Kessel, zu den engrohrigen die Thornycroft-Schulz-, Normand-, Reed- und Yarrow-Kessel [3], [9], [13], [15], [20], [23], [24], [25], [28], [30], [33], [34],[670] Der Belleville-Kessel in seiner neuesten verbesserten Form flammt aus dem Jahre 1877. Er besteht aus geraden, wenig geneigt liegenden stählernen Rohren von 115 mm Durchmesser und 5–9,5 mm Wandstärke, die paarweise angeordnet und derart an den Enden in Kopfstücke aus schmiedbarem Eisenguß eingeschraubt sind, daß das obere Ende des einen Rohres mit dem unteren Ende des daneben liegenden Rohres in gleicher Höhe liegt. Die Kopfstücke sind vertikal übereinander bis zu zehn Lagen angeordnet, und man nennt jeden Rohrsatz ein Glied des Kessels. Die Kessel bestehen aus 6–8 dicht an dicht angeordneten Gliedern; diese werden unten mittels konischer Rohrstücke mit dem gemeinschaftlichen Speisewassersammelrohr und oben in ähnlicher Weise an den höchsten Kopfstücken mit einem außerhalb der Kesselumhüllung liegenden Dampfsammler verbunden. Der in den Wasserrohren sich bildende Dampf steigt in den einzelnen Gliedern bis in den Dampfsammler hinauf und wird in denselben durch einen besonderen Dampftrockner auf mechanischem Wege entwässert. Eine weitere Trocknung des Dampfes erfolgt durch ein in der Dampfrohrleitung zur Maschine eingeschaltetes Drosselventil, in dem die Kesselspannung um 5–7 kg/qcm herabgesetzt wird. Zur besseren Ausnutzung der Heizgase wird über die Feuerung unterhalb der Rohre Preßluft geblasen. Um Ablagerungen im Kessel zu vermeiden, wird das Speisewasser mit einem Zusatz von Kalkmilch versehen, bei einem Kesseldruck von 20 kg/qcm von der Speisepumpe mit einem Druck von 40–45 kg/qcm in den Dampfsammler gepreßt und zerstäubt. Bei der hierdurch erfolgenden raschen Erhitzung scheiden sich die aufgelösten Bestandteile ab und gelangen dann durch die Umlaufrohre, die von den Enden des Dampfsammlers durch Schlammfänger zu dem Wassersammelrohr führen, in die Schlammfänger, wo sie sich ablagern, ehe sie in den Speisewassersammler zurückgelangen und von wo sie von Zeit zu Zeit abgeblasen werden. Wegen des geringen Wasserraumes und der hieraus sich ergebenden Neigung zum Ueberkochen ist eine Vorrichtung vorgesehen, welche die Speisewasserzuführung selbsttätig reguliert. Neuerdings hat Belleville seine Kessel zur Erzielung eines geringeren Kohlenverbrauchs mit einem Speisewasservorwärmer versehen, der oberhalb des Dampfsammlers im Rauchfang angeordnet ist, von gleicher Konstruktion wie der Dampferzeuger, aber bestehend aus Röhren von geringerem Durchmesser. Gepreßte Luft wird in den Rauchfang zwischen beide Systeme eingeführt, während das Speisewasser zu dem Vorwärmer geleitet wird und von diesem in den Dampfsammler gelangt [20]. Der Belleville-Kessel hat in der englischen Kriegsmarine die weiteste Anwendung gefunden. Die Hauptmängel des Belleville-Kessels bestehen in ungenügendem Wasserumlauf, Verrotten der oberen Rohre und Rohrköpfe und Verbrennen der unteren, dem Feuer ausgesetzten.

Der Lagrafel-d'Allest-Kessel gehört zu den Wasserkammerkesseln. Die Rohre, die an den Enden in je eine gemeinschaftliche Wasserkammer münden, werden aus Stahl ohne Schweißnaht gezogen. Die flachen Wände der Wasserkammern sind durch Stehbolzen miteinander versteift, und die äußere Wand erhält zum Reinigen der Rohre Oeffnungen mit aus Stahlblech gepreßten Verschlüssen. Zur besseren Ausnutzung der Heizgase sind die Zwischenräume der unteren sowie der oberen Rohrreihe durch aufgelegte Schamottestücke gedichtet, so daß die Heizgase durch einen seitlichen Rauchkanal in den Schornstein gelangen. Die Kessel werden paarweise aufgestellt. Selbsttätige Speisewasserregler sind nicht vorhanden, doch wird dem Speisewasser auch etwas Kalkmilch zugesetzt. Die Kessel sind empfindlich beim Anheizen und haben vorzugsweise in der französischen Kriegsmarine Eingang gefunden ([3], [9], [13], [15]).

Der Babcock- und Wilcox-Kessel (vgl. Bd. 1, S. 430) ist ein Zwischenglied zwischen den Wasserkammer- und den Gliederkesseln, indem die Wasserkammern in eine Anzahl Glieder getrennt sind. Näheres in [3], [13], [15], [20], [21].

Die Kessel von Dürr und Niclausse sind gleichfalls Wasserkammerkessel, bei welchen der Wasserumlauf in den geneigten Wasserrohren durch Zirkulationseinsteckrohre erzielt wird. Die hintere Wasserkammer kommt bei ihnen in Wegfall, und die nur in ihren vorderen Enden festgehaltenen Rohre können sich demnach frei ausdehnen. Die Dürr-Kessel (vgl. Bd. 3, S. 154) kommen in größerer Zahl in der deutschen Kriegsmarine zur Einführung ([3], [15], [24]). Der Niclausse-Kessel hat mit dem Dürr-Kessel die Fieldschen Rohre, mit dem Babcock- und Wilcox-Kessel die getrennten, wellenförmig gestatteten Wasserkammern gemeinsam. Letztere stehen freilich direkt mit dem Dampfsammler in Verbindung. Die Wasserkammern sind mit der zur Aufhängung der Einhängerohre erforderlichen Scheidewand aus schmiedbarem Eisenguß hergestellt. Das Speisewasser tritt oben in den Dampfsammler ein, und zwar in ein besonderes Gefäß, in dem sich die Beimengungen ablagern können und von dem dieselben von Zeit zu Zeit abgeblasen werden ([3], [9], [13], [15], [20], [21], [24]). Dürr- und Niclausse-Kessel besitzen keine besonderen Dampftrockner und Speisewasserregler.

Die engrohrigen Wasserrohrkessel mit gekrümmten Rohren sind am zahlreichsten vertreten; sie zeichnen sich durch hohe Elastizität und schnelles Anheizen sowie geringe Wassermenge und starken Umlauf des Wassers aus und kochen dementsprechend weniger leicht über; sie sind daher die leistungsfähigsten für vorübergehende Forcierung. Die Mängel bestehen in der Hauptsache in der schwierigen Zugänglichkeit und Reinigung bezw. Konservierung der Rohre. Die Kessel bestehen im wesentlichen aus zwei Unterkesseln und einem Oberkessel, die durch die gekrümmten Wasserrohre verbunden sind. Anfänglich hatte man zur Erzielung eines guten Wasserumlaufs besonderen Wert auf die Fallrohre, Verbindungsröhre zwischen dem Oberkessel und den beiden Unterkesseln, gelegt, doch hat es sich gezeigt, daß der Umlauf auch ohne diese in genügendem Maße stattfindet, und zwar um so günstiger, je lebhafter die Dampfentwicklung ist. Die Wasserrohre der Thornycroft-Kessel haben einen Durchmesser von 25–38 mm, und diese werden durch konische Erweiterung ihrer Enden befestigt; sie münden ebenso wie beim Mosher-Kessel, abweichend von den andern Wasserrohrkesseln dieser Art, in den oberen Teil des Dampfsammlers und werden gegen äußeres Abrollen durch eine äußere Verzinkung geschützt. Eine innere Verzinkung wird bei längerem Betriebe zersetzt, und es entstehen Wasserstoffgase, die den Kessel[671] sowie die Maschine gefährden können. Die erste Kesselform, bei der zwei Unterkessel und ein Oberkessel vorhanden waren, ist von Thornycroft dahin geändert, daß die Wasserrohre vom Oberkessel in der Hauptsache zu einem Unterkessel geleitet werden, zu dessen beiden Seiten geräumige Verbrennungskammern angeordnet sind. Die äußere Begrenzung derselben bildet je eine Rohrreihe von dicht an dicht liegenden Wasserrohren, die unten in eine U-förmig gebogene Wasserkammer eingedichtet sind und oben in den Dampfraum des Oberkessels münden. Zur Trennung des Dampfes von dem mitgerissenen Wasser sind im Oberkessel Winkelbleche angeordnet. Für eine gleichmäßige Speisung sorgt ein selbsttätiger Speisewasserregler mit Schwimmer, System Thornycroft. Die neue Kesselform besitzt den Vorteil einer größeren Rostfläche. Auch können die Kessel bequem zu größeren Gruppen vereinigt werden. Die Thornycroft-Kessel haben im besonderen für Torpedoboote die weiteste Verbreitung gefunden ([3], [9], [10], [13], [15], [20], [21], [23], [24], [25], [28], [34]). Die von Schulz verbesserten Thornycroft-Kessel (Thornycroft-Schulz-Kessel) sehen eine mehrfache Heizgasführung um die Wasserrohre vor, indem einzelne Rohre durch Abbiegen der Rohrreihen so eng aneinander angeordnet werden, daß für die Führung der Heizgase Rohrwände entstehen (Fig. 2) Dabei münden alle Rohre in die untere Hälfte des Dampfsammlers und größtenteils unter Wasser, was durch eine Vergrößerung des Durchmessers des Dampfsammlers erreicht wird. Da die den mittleren Unterkessel mit dem Oberkessel verbindenden Rohre von den Heizgasen am wenigsten bestrichen werden und an der untersten Stelle des Dampfsammlers münden, dienen sie für den Wasserumlauf als Fallrohre und können letztere entbehrt werden. Dafür müssen aber die unteren Seitenkessel mit dem mittleren Unterkessel durch weite horizontale Rohre verbunden werden, um einen Kreislauf von dem mittleren Unterkessel nach den Seitenkesseln und von dort zum Oberkessel zu ermöglichen [23], [24], [25], [29], [33], [34] (Fig. 2).

Der Wasserrohrkessel von Normand hat in seinen Hauptteilen eine große Aehnlichkeit mit dem ersten Thornycroft-Kessel und besitzt auch zwei Unter- und einen Oberkessel von zylindrischem Querschnitt; dagegen sind die Wasserrohre anders gekrümmt und münden in den unteren Teil des Dampfsammlers, so daß ihre Enden stets unter Wasser liegen. Die Wasserrohrbündel bilden innen und außen je eine Rohrwand, von welchen die innere im vorderen Drittel, die äußere im hinteren Drittel der Kessellänge geöffnet ist, so daß die Heizgase vorne in die beiden Rohrgruppen eintreten und in horizontaler Richtung nach hinten ziehen können. Vor dem Austritt umstreichen sie noch ein vertikales Leitblech. Das Charakteristische der Normand-Kessel ist daher die horizontale Heizgasführung der Länge nach [15], [23]. Der Reed-Kessel ähnelt dem Normand-Kessel, er besitzt eine besondere Befestigungsart der Rohre. Yarrow verwendet zur Verbindung der beiden Unterkessel mit dem Oberkessel gerade Rohre, während sie bei dem Blechynden-Kessel leicht gekrümmt und wie beim verbesserten Yarrow-Kessel so eingesetzt sind, daß sie sich durch entsprechende Verschlüsse im Oberkessel nach oben leicht entfernen lassen. Der Yarrow-Kessel läßt sich wegen seiner geraden Rohre leichter reinigen, beansprucht aber mehr Höhe als ein krummrohriger Kessel von gleicher Heizfläche; auch ist die Heizgasführung wesentlich kürzer als beim Thornycroft-Schulz- und Normand-Kessel. Dagegen läßt er sich als Doppelkessel ausbilden, wodurch an Raum und Gewicht gespart wird [23], [25], [29], [30], [33]. Alle diese Kessel sind mit selbsttätigen Speisevorrichtungen versehen. Andre Kesselformen sind von Du Temple (zwei Arten), Fleming & Ferguson, Mosher, Ward & White, Herreshoff, Perkins ausgeführt ([3], [9], [10], [13], [15], [20], [21], [23], [25], [28], [30]).[672]

Die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Schiffskessel führte vor Einführung der Wasserrohrkessel zunächst zur Verstärkung des Schornsteinzuges anfänglich durch Schornsteindurchblasevorrichtungen, dann durch Zuführung von Preßluft unter die Roste (Unterwind). Dieser verstärkte Zug (forced draught) wurde erreicht, indem man entweder die luftdicht verschlossenen Heizräume mittels Flügelrädern unter einen Ueberdruck setzte oder die Preßluft mittels Kanälen direkt unter den Rost leitete. Die dem Brennherde hierdurch zugeführte größere Menge Sauerstoff sowie die innigere Mischung desselben mit den brennbaren Gasen ermöglichte die Verbrennung einer größeren Menge Kohlen pro Quadratmeter Rostfläche und somit eine schnellere Verdampfung. Man steigerte die Pressung des Unterwindes bis auf 150 mm Wassersäule, geht jetzt jedoch bei Zylinderkesseln nur bis zu 15 mm, bei Wasserrohrkesseln jedoch bis zu 65 mm, da durch den höheren Winddruck die Kessel mit Bezug auf ihre Haltbarkeit überangestrengt wurden. Der von Martin eingeführte induced draught, bei dem durch ein im Schornsteinhals aufgeteiltes Flügelrad die Heizgase angesaugt werden, hat es zu keinem nennenswerten Erfolg gebracht. Dagegen hat zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und zur Schonung der Zylinderkessel auf größeren Handelsdampfern die Vorwärmung der Verbrennungsluft erfolgreiche Anwendung gefunden [9], [15], [23], [29]. Bei dem Gebläse von Howden erfolgt die Luftvorwärmung durch ein im Rauchfang eingebautes vertikales Rohrsystem, das von den Heizgasen durchströmt und von der Luft umströmt wird. Die vorgewärmte Luft wird mit geringem Druck durch Gitterschieber und Klappen meist zu beiden Seiten der Feuertür teils über, teils unter den Rost geleitet. Ebenso wirkt die Vorwärmung des Speisewassers sehr günstig auf die Herabsetzung des Kohlenverbrauchs. Die bei den Schiffskesseln mit niedrigem Arbeitsdruck günstig wirkenden Ueberhitzer zum Trocknen des Dampfes waren bei den Hochdruckkesseln wieder aufgegeben, da überhitzter Dampf eine Schmierung der Kolben und Schieber mit Oel erfordert, wodurch die Kessel leicht verschmutzt werden. Bei Flußschiffen, bei welchen das Speisewasser der Kessel leicht ersetzt werden kann, hat sich neuerdings die Dampfüberhitzung wieder eingebürgert, zumal hier bei den meist langsam laufenden und mit zweifacher Expansion arbeitenden Maschinen die Ueberhitzung sehr am Platze ist. Der Schmidtsche Ueberhitzer wird entweder innerhalb des Zylinderkessels zwischen den Siederohren oder in besonderen Kammern seitlich des Zylindermantels und in Verbindung mit der Rauchkammer oder in dieser selbst angeordnet. Der Pielock-Ueberhitzer besteht aus einem eisernen Kasten, den die Siederohre des Kessels durchqueren; er befindet sich also nur innerhalb des Kessels. Seit Verwendung der Dampfturbinen zum Antrieb der Schiffsschrauben hat die Dampfüberhitzung wieder an Feld gewonnen, da das Innere der Turbinen nicht mit Oel geschmiert zu werden braucht. Die Ueberhitzer werden dann mit Wasserrohrkesseln kombiniert und können beim Stoppen und bei Fahrtänderungen ausgeschaltet werden [32], [33].

Zur Forcierung der Kessel wird neuerdings die Oelfeuerung mit günstigem [673] Erfolg eingeführt, und zwar in Verbindung mit der Kohlenfeuerung als gemischte Feuerung. Das Braunkohlenteeröl wird unter Druck und Beimischung von Dampf oder Preßluft mittels besonderer Düsen in den Verbrennungsraum zerstäubt oder ohne Zerstäubungsvorrichtungen lediglich durch Kompression und Ausströmung des komprimierten Oels in seinen Strahlen zur Verbrennung gebracht. Dabei ist die Bedienung der Feuer die denkbar einfachste; die Kessel werden sehr geschont, da Abkühlungen der Kesselwandungen infolge Beschicken der Roste vermieden werden, und die Verbrennung kann bei veränderlicher Dampf entnähme schneller reguliert werden. Ein Nachteil sind höhere Betriebskosten und größerer Dampfverbrauch und die hierdurch notwendige Vermehrung des Zusatzwassers, so daß größere Verdampfer erforderlich werden (s. Frischwassererzeuger und [19], [28]).

Ueber die Konstruktion der Roste, Feuertüren, Aschfälle, Rauchkammern, Teleskopschornsteine, Kesselfundamente u.s.w. s. [1], [2], [5], [6], [9]–[15]. Neben den Feuerungseinrichtungen ist die Armatur der Schiffskessel für den Betrieb derselben von großer Wichtigkeit. Sie besteht aus den AblaßvorrichtungenDampfabsperrventil (s. Dampfleitungen für Schiffe), Salzhahn, Grund- oder Entwässerungshahn, Ausblaseventil –, den Speisevorrichtungen – Speiseventile oder -hähne, Speisewasserregier für Wasserrohrkessel –, den SicherheitsvorrichtungenManometer, Wasserstandszeiger, Probierhähne, Sicherheitsventile, Alarmventil, Luft- oder Entlastungsventil –, den Reinigungsvorrichtungen – Mannlöcher, Schlammlöcher [1], [3], [7], [9], [12], [14], [15], [26]. Die Wasserstandszeiger müssen wegen der Neigung des Schiffes in See an jeder Kesselseite angebracht werden. Die Sicherheitsventile sind stets direkt belastete Federventile; sie werden meist als Doppelventile ausgeführt und stehen mit dem Abblaserohr in Verbindung.

Die Bekleidung der Schiffskessel zur Verminderung der Wärmeausstrahlung in die Heizräume und benachbarten Schiffsräume besteht meist aus Asbestmatratzen, die mit einer Schutzdecke von dünnem, verzinktem Eisenblech versehen werden. Neben den Hauptkesseln findet man, vorzugsweise an Bord von Handelsdampfern, einen Hilfskessel (Donkey-Kessel), der im Hafen den Dampf für die Dampf winden u.s.w. liefert; es sind meist stehende Fieldsche oder Bellis-Kessel. – Ueber Bedienung der Schiffskessel s. [1], [5], [7], [12], [14], [26].

Als Material für Schiffskessel verwendet man vorzugsweise Siemens-Martin-Stahl; kupferne Feuerbüchsen und messingene Siederohre sind trotz des besseren Wärmeleitungsvermögens wegen der Gefahr der Korrosion der Kessel trotz Zinkprotektoren, wegen der verschiedenen Wärmeausdehnungskoeffizienten sowie wegen der geringen Fertigkeit, im besonderen bei hohen Temperaturen, aufgegeben. Für die feuerberührten Teile ist weicher Stahl, für die Mäntel u.s.w. härteres Material, neuerdings auch Nickelstahl, gebräuchlich (vgl. Schiffbaumaterialien). Ueber die Fertigkeit und Dehnung der Stahlbleche für Schiffskessel, über die Bemessung der Wandstärke der Kesselwände und Feuerrohre, über die Verankerungen sowie Vernietungen, die Kaltwasserdruckprobe u.s.w. sind von den Schiffsklassifikationsgesellschaften – Englischer Lloyd, Germanischer Lloyd, Bureau Veritas – sowie dem englischen Board of Trade besondere Bestimmungen und Berechnungen festgestellt [16]–[18], [31]. Ueber die Hauptkonstruktionsdaten und die Leistungsfähigkeit von Schiffskesseln gibt die Tabelle auf S. 673 Aufschluß.


Literatur: [1] Busley, C., Die Schiffsmaschine, Kiel 1886. – [2] Ders., Die Entwicklung der Schiffsmaschine, Berlin 1892. – [3] Ders., Die Wasserrohrkessel der Dampfschiffe, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1896. – [4] Lechner, E., Der künstliche Zug und seine Einwirkung auf die Kesselanlagen, ebend. 1891. – [5] Schwarz-Flemming, Die Kesselabteilung auf Dampfschiffen, Berlin 1873. – [6] Wilson, R., Die Dampf kessel, deren Fertigkeit, Konstruktion und ökonomischer Betrieb, Braunschweig 1878. – [7] Fassel, Anleitung für den Betrieb und die Instandhaltung der Schiffsdampfkessel und Schiffsdampfmaschinen, Pola 1892. – [8] Haack, R., und Busley, C., Die technische Entwicklung des Norddeutschen Lloyds und der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktien-Gesellschaft, Berlin 1893. – [9] Seaton, A manual of marine engineering, London 1904. – [10] Sennett, The marine steam engine, London 1897. – [11] Trail, Boners marine and land; their construction and strength, London 1906. – [12] Shock, Steam boilers, their design, construction and management, New York 1881. – [13] Griffin, S., Marine Boners, Notes of the years naval progress, Washington 1894. – [14] Stromeyer, Marine Boiler, management and construction, London 1907. – [15] Bertin, S.E., Chaudières marines, Paris 1902. – [16] Lloyd's register, Rules and Regulations, London (jährlich). – [17] Germanischer Lloyd, Vorschriften für den Bau und die Ausrüstung von eisernen und stählernen Seeschiffen, Rostock (jährlich). – [18] Bureau Veritas, Reglement für stählerne Schiffe, Paris (jährlich). – [19] Busley, C., Die Verwendung flüssiger Heizstoffe für Schiffskessel, Berlin 1887. – [20] Nastoupil, Die Wasserrohrkessel und ihre Verwendung auf Kriegsschiffen, Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens, Pola 1894. – Ferner: [21] Engineering, London; Marine Boners; Watertube Boners. – [22] Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens, Pola 1893/97. – [23] Bauer, G., Berechnung und Konstruktion der Schiffsmaschinen und -kessel, Berlin 1908. – [24] Klamroth, Leitfaden für den Unterricht in der Maschinenkunde, Berlin 1907. – [25] Dietrich, Der moderne Dampfkessel der Kriegs- und Handelsmarine, Rostock 1908. – [26] Hartig, Aus der Praxis – Für die Praxis, Bremerhaven 1908. – [27] Müller-Benetsch, Die Schiffsmaschine, ihre Konstruktionsprinzipien, Anordnung und Bedienung, Braunschweig 1908. – [28] Robertson, L.L., Marine boilers, their construction and working, London 1906. – [29] Mentz, W., Schiffskessel, Handbuch für Konstruktion und Berechnung, Berlin 1907. – [30] Malfatti, V., Caldaie a tubi d'aqua e loco impiego sulle navi da guena, Mailand 1907. – [31] Hartmann, K., Die gesetzlichen Bestimmungen betr. die Genehmigung und Untersuchung der Schiffsdampfkessel, Hamburg 1905. – [32] Mehlis, H., Die Dampfüberhitzung und ihre Verwendung im Schiffsbetriebe, Jahrbuch der Schiffbautechn. Gesellschaft, Berlin 1907. – [33] Mentz, Deutscher Schiffbau, Berlin 1908.

T. Schwarz.

Schiffskessel [1]
Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 669-675.
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