[199] Spirale, allgemein eine Kurve mit unendlich vielen Windungen.
a) Die archimedische Spirale (Neoide) (Fig. 1) mit der Polargleichung r = a ϑ hat eine konstante Polarsubnormale. Die Abschnitte der Radienvektoren zwischen den einzelnen Windungen haben den konstanten Wert 2π a. Der Ursprung ist ein Endpunkt, von dem aus die Kurve sich in Windungen ins Unendliche entfernt. Der Krümmungsradius ist ρ = a (1 + ϑ2)3/2/(2 + ϑ2).
Die Sektorfläche ist (a2/6)ϑ3, die Bogenlänge
[199] ([3], [7][9]).
b) Die hyperbolische Spirale hat die Polargleichung r ϑ = a. Die Gerade y = a ist eine Asymptote der Spirale, der Ursprung ein asymptotischer Punkt. Die Polarsubtangente hat den konstanten Wert a; der Krümmungsradius ist r (1 + ϑ2)3/2/ϑ3. Die Sektorfläche ist a (a r )/2; die Bogenlänge
([3], [9], [13]).
c) Die parabolische (Fermatsche) Spirale r2 = a2 ϑ hat die Polarsubtangente 2r3/a2 und die Polarsubnormale a2/2r. Der Ursprung ist ein Endpunkt, wobei die x-Achse Tangente ist; die Kurve strebt in unendlich vielen Windungen dem Unendlichen zu. Der Krümmungsradius ist a6/[2r(4r4 + 3a4)] die Fläche 1/4 a2 ϑ2 ([10], [13]).
d) Der Lituus (Polarspirale) r2 ϑ = a2 hat als Polarsubtangente 2a2/r als Polarsubnormale r3/2a2. Die x-Achse ist Asymptote, der Ursprung asymptotischer Punkt. Für ϑ = 1/2 entsteht ein Wendepunkt. Die Fläche ist a2l a/r.
e) Die logarithmische (gleichwinklige) Spirale r = em ϑ (Fig. 2). Der Winkel zwischen Tangente und Radiusvektor ist arc tg 1/m, also konstant. Die Polarsubtangente ist r/m, die Polarsubnormale m · r. Der Krümmungsradius
Das Krümmungszentrum ist der Endpunkt der Polarsubnormale. Die Kurve hat den Ursprung als asymptotischen Punkt (Pol); von diesem geht sie in unendlich vielen sich erweiternden Windungen ins Unendliche. Die Fläche ist (r2 1)/4m, die Bogenlänge vom Ursprung aus
Die Evolute, die Fußpunktkurve n bezug auf den Pol und die Brennlinien sind wieder logarithmische Spiralen ([9], [11][13]).
f) Die Côtessche Spirale hat die Gleichung r cos n ϑ = a ([4]).
g) Die Summenspirale r = a Cos n ϑ und die Differenzspirale r = a Sin n ϑ; von denen die letztere durch den Ursprung geht, entfernen sich ebenfalls mit unendlich vielen Windungen ins Unendliche [II].
h) Dasselbe gilt von der Paracykloide
x = a cos ϑ Cos a/b ϑ + b sin ϑ Sin a/b ϑ, y = a sin ϑ Cos a/b ϑ b cos ϑ Sin a/b ϑ
und der Hypercykloide
x = a cos ϑ Cos b/a ϑ b sin ϑ Sin b/a ϑ, y = a sin ϑ Cos b/a ϑ + b cos ϑ Sin b/a ϑ.
Die erstere hat in dem dem Ursprung am nächstgelegenen Punkt eine Spitze mit Tangente, die durch den Ursprung geht; die letztere steht in dem am nächsten beim Ursprung gelegenen Punkt auf dem Radiusvektor senkrecht [16].
i) Die Kochleoide r = a sin ϑ/ϑ besteht aus unendlich vielen, immer kleiner werdenden Schleifen, welche die x-Achse im Ursprung berühren. Sie ist der Ort des Schwerpunktes eines Kreisbogens, dessen einer Endpunkt im Ursprung liegt, während der andre beweglich ist ([14], [15]).
k) Die Klothoide
Die Krümmung ist der Bogenlänge umgekehrt proportional. Der Ursprung ist ein Wendepunkt; die zwei von ihm ausgehenden Zweige enden in asymptotischen Punkten ([16]).
l) Die Poinsotsche Spirale r Cos ϑ = a geht von einem in den Ursprung fallenden asymptotischen Punkt in unendlich vielen Windungen bis zu dem asymptotischen Kreis r = a ([13]).
Im weiteren Sinn nennt man auch die Loxodromen der Drehflächen, d.h. die Kurven auf denselben, die alle Meridiane unter konstantem Winkel schneiden, Spiralen.
Beispiele: Die Zylinderspirale, d.i. die Schraubenlinie (s.d.); die konische Spirale auf dem Drehungskegel
[x/(a z)]2 + [y/(a z)]2 = tg2 α
hat die Gleichungen x = (a tg α β t sin α) cos γ t; y = (a tg α β t sin α) sin γ t; z = β t cos α; die sphärische Spirale (Kugelloxodrome) hat zur senkrechten Projektion eine Poinsotsche Spirale, zur stereographischen Projektion eine logarithmische Spirale. Die Bogenlänge der Loxodrome ist gleich der Differenz der Breiten der Endpunkte dividiert durch den Cosinus des konstanten Winkels. Als Spiralen werden auch die sogenannten Korbbogenkurven bezeichnet, die aus sich berührenden Kreisbogen zusammengesetzt sind und deren Krümmung sich daher an den Zusammensetzungsstellen sprungweise ändert ([17]).
Literatur: [1] Salmon, Analytische Geometrie der höheren ebenen Kurven, 2. Aufl., Leipzig 1882, S. 379382. [2] Schlömilch, Uebungsbuch zum Studium der höheren Analysis, Bd. 1, 2. Aufl., Leipzig 1873, S. 9395. [3] Bergery, Géométrie des courbes appliquée aux arts, Metz 1843, S. 298316. [4] Sacchi, Sulla geometria analitica delle linee piane, Pavia 1854. [5] Oldenburg, Ueber die Spiralen, Oberstein-Idar 1878. [6] Bothe, Beiträge zur Kenntnis der Spiralen, Dresden 1867. [7] Lehmann, Die archimedische Spirale mit Rücksicht auf ihre Geschichte, Freiburg 1862. [8] Schierling, Die archimedische Spirallinie, Lübeck 1865. [200] [9] Michalitschke, Die archimedische, hyperbolische und logarithmische Spirale, 2. Aufl., Prag 1892. [10] Weyer, Ueber die parabolische Spirale, Leipzig 1894. [11] Dittrich, Die logarithmische Spirale, Breslau 1872. [12] Wentzel, Unterteilungen über die logarithmische Spirale, Böhmisch-Leipa 1879. [13] Cabreira, Sur la géométrie des courbes transcendantes, Lissabon 1896. [14] Otto, Ueber einige Eigenschaften der Schwerpunktskurve des Kreises, Jena 1872. [15] Roever, Ueber Schwerpunktskurven, Göttingen 1873. [16] Cesàro, Lezioni di geometria intrinseca, Neapel 1896. [17] Kuglmayr, Ueber Spiralen und ihr Tangierungsproblem, Wien 1889.
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