Wasserglasfarben

[845] Wasserglasfarben, aus Wasserglas (Natronwasserglas) und einem Farbkörper kurz vor der Anwendung zusammengemischte Anstrichfarben.

Sie sind zum Unterschiede von Oelfarben matt austrocknend, für Holz, Stein, Mauerwerk und Eisen bestimmt, mit wechselnden Erfolgen verwendet, um Oelfarbenanstriche zu verdrängen. Die Hauptursachen, warum letzteres bisher nicht möglich gewesen ist, sind die Unhaltbarkeit der geriebenen Farben und die an der Luft sich bildenden Auswitterungen, welche durch weiße Flecken den Anstrich unschön werden lassen. Die Wasserglaslösung ist meistens 33 prozentig, wird aber noch vor dem Auftragen mit der gleichen und selbst der doppelten Menge Wasser verdünnt. Vorzüge der Wasserglasanstriche sind: 1. sie sind weit billiger herzustellen als Anstriche mit Oel- und Firnisfarben; 2. das Anstreichen geht viel schneller vor sich; 3. sie sind vollkommen geruchlos (Firnis- und Oelfarbengeruch ist anhaltend und lästig); 4. die Wasserglasanstriche dunkeln nicht nach wie Oel- und Firnisfarbenanstriche; 5. sie sichern Holzwerk u.s.w. gegen Feuer und 6. gegen Schwamm, Wurm, Fäulnis, daher bei Neubauten Anstriche des Bauholzes mit Wasserglas allein oder mit irgendeiner Farbe abgerieben empfehlenswert. – Nachteile sind: 1. beschränkte Auswahl der Farben, da viele Erden- und Metallverbindungen teils augenblicklich unlösliche Verbindungen mit der Kieselsäure eingehen, teils in den Nuancen verändert werden; 2. geringe Haltbarkeit der angeriebenen Wasserglasfarben; 3. leichte Zersetzbarkeit des Wasserglases durch die atmosphärische Luft allein und durch schwache Säuren; 4. häufiges Verwittern der damit hergestellten Anstriche, Abblättern der Farbenlage: Uebelstände, gegen welche auch die besten bis jetzt bekannten Wasserglasfarben nicht erfolgreich kämpften. Wenn der erste Anstrich mit verdünnter Wasserglasfarbe nach 12 Stunden trocken ist, läßt man einen zweiten Anstrich folgen, eventuell einen dritten; der Glanz ist immer matt. Einige Zeit, nachdem der Anstrich gemacht wurde, bemerkt man einen leichten, weißlichen Anflug, von verwittertem kohlensauerm Natron herrührend; derselbe wird zunächst durch Abwischen mit einem nassen Schwamm entfernt, dann aber mit einem in Leinöl getauchten wollenen Lappen überwischt. Der weiße Anflug erscheint dann nicht mehr. Alle farbigen Anstriche halten im Wetter besser aus als der Wasserglasanstrich allein, weil jede Erde, jedes Metalloxyd mit der Kieselsäure des Wasserglases eine in Wasser unlösliche Verbindung eingeht, welche durch überschüssiges Wasserglas auf der Fläche festgehalten wird. Dabei treten aber Schwierigkeiten bei der Ausführung der Anstriche ein, weil die zersetzende Wirkung des Wasserglases so rasch eintritt, daß die Farbe schon kurz nach Beginn der Arbeit zu erstarren beginnt. – Von den am häufigsten verwendeten Farben gerinnen in Verbindung mit Wasserglas 1. sehr bald: Bleiweiß, Zinkweiß, in geringerem Maße Permanentweiß und Kreide; 2. weniger bald: Bleifarben verschiedenster Art, so namentlich Chromrot, Chromgelb, Mennige; 3. sehr langsam: Chromoxyd, chromsaurer Baryt, Kadmiumoxyd, Smalte, alle Eisenfarben, Ultramarin, Knochenschwarz, Kienruß. – Um jene Farben, welche in Verbindung mit Wasserglas dieses schnell gerinnen machen, doch anwenden zu können, ist man genötigt, Mehlkleister, Leim, Stärkekleister, Milch, frischen Käse u.a. anzuwenden, mit denen man die Farben anreibt und dann mit dem Wasserglas vermischt, bis sie streichfertig sind und doch noch gut trocknen. Auch streicht man auf eine Grundierung mit Wasserglas die mit dem Bindemittel angemachte Farbe und fixiert nach dem Trocknen mit Wasserglas.


Literatur: S. unter Wasserglas und Andés, Praktisches Handbuch für Anstreicher und Lackierer, 3. Aufl., Wien 1905; Andés, Trocknende Oele, Braunschweig 1882; Creuzburg, Lackierkunst, 11. Aufl., Leipzig 1903.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 845.
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