Die Wette

[132] Büblein, wie heißt du?

»Hansele.«

Wenn du Hansele heißt, so muß ich dir schon wieder einmal ein Geschichtlein von einem Hansl erzählen.


Hansl hieß ein recht dummer Bauer, der kaum bis fünf zählen konnte. Dieser fuhr einmal mit seiner Kuh auf den Markt, und weil das Vieh bald so langsam forttrottete wie eine Schnecke, bald mit seinen schwerfälligen Füßen davonlief, daß der Kot aufflog, so ging dem Hansl die Geduld aus, und er brummte und fluchte und fuchtelte mit seinem Stecken herum, daß ihn fast die Gänse ausgelacht hätten. Er hatte noch einen guten Scheibenschuß bis zum Marktplatz, als er an einem Menschen vorbeikam, der eine Geiß feilbot.

Hansl hörte das Angebot und beschloß, schnell einen Handel zu machen, um nur einmal die lästige Kuh ahnig1 zu werden.

»Auch schon auf, guter Freund?« rief er. »Wollen wir etwa einen Tausch machen? Ich wollte mein Kühle da auf den Markt treiben, aber wenn du mir deine Geiß dafür gibst, so brauch' ich mir nicht viel Mühe zu machen, und ich geh' wieder heim.«

Der Angeredete machte zuerst große Augen, dachte sich aber: Eine Kuh für eine Geiß, das kann ich schon tun, schob die Geiß dem Hansl zu und führte dafür die Kuh nach Hause. Hansl fuhr mit der Geiß seiner Heimat zu, und es war ihm zumute wie dem Vogel im Hanf, weil er ein so feines Geißlein für die störrische Kuh eingehandelt hatte.

Aber alles auf der Welt dauert nicht lange, und so war es auch mit der Freude des Hansl. Die Geiß fing an zu meckern, stellte sich dem Hansl gegenüber auf und lief dann auf ihn zu, daß sie ihn fast mit den Hörnern über den Haufen stieß. Dieser Spaß schien dem Tier zu gefallen, und von Zeit zu Zeit bekam Hansl wieder ein paar Püffe. Das Ding wurde ihm bald zu arg, und wie ihm recht die Galle aufstieg, dachte er auch schon daran, die Geiß auf gute Weise an den Mann zu bringen. Wie gerufen kam[133] eine Bäuerin aus einem am Weg gelegenen Haus, die eine ganze Herde von Schnattergänsen mit einem Stecken vor sich hertrieb.

»Guten Morgen, Weibele!« rief Hansl. »Wollen wir einen Tausch machen?«

»Was willst du?« schrie die Bäuerin. »Wenn die Vieher so schreien, daß man sein eigenes Wort nicht versteht!«

Hansl ging mit seiner Geiß ganz nahe zur Bäuerin und ließ die Gänse schreien und pfeifen und aufhüpfen, soviel sie wollten: »Eine Gans sollst du mir geben für mein Geißlein«, schrie er der Bäuerin ins Ohr, »hast du verstanden?«

»Verstanden hab' ich's jetzt wohl«, antwortete die Bäuerin, »aber das kann nicht dein Ernst sein.«

»Hand drauf«, sagte Hansl und drückte der Bäuerin recht kräftig die Hand.

»Selbst getan, selbst haben«, antwortete die Bäuerin, nahm die Geiß und fing dafür dem Hansl eine Gans. Hansl ging nun seines Weges weiter, führte die Gans an einem Strick und dachte an die guten Händel, die er heute schon gemacht hatte. Aber die Freude dauerte kaum ein paar Augenblicke, denn die Gans hüpfte und flatterte rechts und links, den geraden Weg aber wollte sie nicht finden. Da fing der Hansl wieder an ungeduldig zu werden, und in seinem Ärger schrie er endlich: »Wäre mir ein Pfifferling lieber als so eine dumme Gans.«

Ein Hennenmädl hatte diese Worte gehört, sprang sogleich aus dem Haus, wickelte Hennenkot in ein Papier und lief dem Hansl damit nach.

»Heda, einen Pfifferling habe ich in dem Papier.«

»Ach, einen Pfifferling, der wird dir halt um meine Gans nicht feil sein?«

»Warum denn nicht? Nur her mit der Gans; da ist der Pfifferling.«

Das Hennenmädl nahm die Gans und lief in das Haus, Hansl nahm den Pfifferling und zog seines Weges weiter. Er glaubte, was er da für ein Wunderding gekriegt habe, und war guter Dinge. Als er an ein schönes, vornehmes Wirtshaus kam, da ließ es ihn nimmer vorbei; er ging hinein und setzte sich ins Herrenzimmer.[134]

Er war noch nicht lange bei seinem Seidel gesessen, da fingen die Herren an herumzuschauen und herumzuriechen, als ob es irgendwo nicht ganz richtig wäre.

»Ist etwa der Pfifferling in meiner Tasche schuld?« fragte Hansl auf einmal die Gesellschaft und zog das Wunderding hervor. Die Herren lachten laut auf, als sie den Pfifferling sahen, und sie merkten sogleich, wieviel Uhr es bei dem Bäuerlein geschlagen hatte. Sie hielten nun den armen Häuter für einen Narren und lockten ihm nach und nach die ganze Geschichte heraus.

Als er ihnen alles Stück für Stück erzählt hatte, riefen sie wie aus einem Munde: »Aber was wird denn dein Weib dazu sagen?«

»Oh, meine Alte, die hat gewiß nichts gegen meinen Handel.«

»Aber das können wir doch nicht glauben, daß sie dich heute nicht ein wenig filzen wird.«

»Glaubt es, oder glaubt es nicht. Ich kenne mein Weibele schon.«

»Willst du wetten, daß es heute Sturm gibt, wenn du nach Hause kommst?«

»Wetten, soviel ihr wollt.«

»So wetten wir hundert Gulden. Kriegst du's, wenn du heimkommst, so zahlst du die hundert Gulden, und sonst zahlen wir sie.«

»Ganz recht. Hand darauf!« erwiderte Hansl und reichte jedem der Herren seine rechte Hand.

Er stand dann auf, heimzugehen, und zwei von den Herren mußten ebenfalls mit, um den Empfang bei seinem Weib mit anzusehen.

Als Hansl mit den beiden Herren zu seinem Haus kam, fand er die Tür zugesperrt, denn sein Weib war schon in das Bett gegangen. Aber auf seinen ersten Ruf kam sie schon zur Tür und schob den Riegel auf: »Bist du endlich da? Wie hast du das Kühle verkauft?«

Hansl erzählte, wie er um die Kuh eine Geiß eingetauscht habe, und die beiden Herren meinten schon, jetzt werde das Wetter losgehen.

»Hast wohl recht getan«, sagte die Bäuerin, »für eine Geiß haben wir doch Futter genug, bei der Kuh aber hatte es immer seine liebe Not. Hast du die Geiß schon eingestellt?«[135]

»Nein, ich habe das ungeschickte Viech ja um eine Gans umgetauscht.«

»Oh, wie recht hast du getan, mein Hansl! Wir haben ein leeres Bett im Haus, und jetzt können wir es doch mit Federn füllen. Aber wo hast du denn die Gans?«

»Ja – die Gans habe ich freilich nimmer. Aber einen Pfifferling habe ich für sie bekommen.«

»Nichts Besseres hättest du bringen können, Hansl. Heute ging ich zur Nachbarin und wollte von ihr ein bißchen Salz leihen, und denk dir, da schnarrt sie mich an und sagt: ›Du kommst doch um jeden Pfifferling zu mir.‹ Jetzt braucht sie nichts mehr zu sagen, weil wir selbst einen Pfifferling im Haus haben.«

Die beiden Herren hatten bei diesem Zwiegespräch immer größere Augen gemacht und sahen jetzt wohl, daß die Wette für sie verloren war. Sie zahlten dem Hansl die hundert Gulden und machten sich fein hübsch aus dem Staub.


Gefällt dir das Geschichtlein, Hansele?

»Ja.«

Möchtest du auch ein solcher Hansl sein?

»So dumm möcht' ich nicht sein, aber die hundert Gulden möcht' ich kriegen von den Herren.«


(mündlich bei Rattenberg)

1

ahnig, uhnig werden = loswerden

Quelle:
Zingerle, Ignaz und Joseph: Kinder- und Hausmärchen aus Süddeutschland. (Regensburg 1854) Nachdruck München: Borowsky, 1980, S. 132-136.
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