3.

[327] Nummer 3 handelt von der Maus und dem unerfahrenen Mäuschen.

Eine alte Maus ging eines Tages aus. Da sagte sie zu ihrem Töchterchen: »Halte dich ja hübsch zu Hause, damit dir die Katze nichts zu leide thut.« Nach dieser Ermahnung machte sie sich auf den Weg und ging aus. Dem jungen Mäuschen aber wurde es bald langweilig in seiner engen Behausung und es beschloss dennoch auszugehen, um mal zu sehen, was die Katze denn eigentlich für ein Tier sei. Es kroch also aus dem Loch heraus und begegnete einem Schwein, welches im Hof auf der Erde lag und sich sonnte. Das Mäuschen dachte: das ist gewiss eine Katze. Es kroch ihm auf den Körper und biss es in's Ohr, so dass das Schwein. laut zu grunzen anfing. Da freute sich das Mäuschen und sprach: »Hast du Angst vor mir?« »Ja wohl habe ich Angst vor dir,« antwortete das Schwein. Vergnügt kroch das Mäuschen darauf in sein Loch zurück.

Das nächste Mal, als die alte Maus wieder ausgegangen war, machte das Mäuschen es ebenso. Da begegnete es einem Elephanten, der war sehr gross und hatte einen langen Rüssel. Da dachte das Mäuschen bei sich: »Die Katze sieht aber sonderbar aus: sie hat zwei Schwänze, einen an jedem Ende des Körpers.« Husch! kroch sie an dem Elephanten hinauf und setzte sich auf sein Ohr, und erst als es von da seine Augen sah, merkte es, dass da der Kopf sei. Es kroch ihm darauf in's Ohr hinein und biss ihn, so dass er vor heftigem Schmerz laut auf brüllte. »Ha! hast du auch Angst vor mir?« fragte es ihn. »Ja wohl habe ich Angst vor[327] dir, hab' doch nur Erbarmen mit mir,« antwortete der Elephant. Die Maus kehrte darauf in ihr Loch zurück. Das dritte Mal aber, als die alte Maus ausgegangen war, und das kleine Mäuschen es wieder ebenso machte, begegnete es wirklich der Katze. »Du kleines Ding wirst's doch wohl nicht wagen, mit mir anzubinden?« rief es ihr verächtlich entgegen. Da sprang die Katze mit einem Satz auf es zu, packte es und biss es zu Tode.

Quelle:
Arendt, C.: Moderne chinesische Tierfabeln und Schwänke. In: Zeitschrift für Volkskunde, 1. Jahrgang (1891), S. 327-328.
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