Das Schwert des Fuchses.

[210] Zu Anfang des zehnten Jahrhunderts, als der Kaiser Itschijo in Japan herrschte, lebte ein sehr berühmter Waffenschmied, der Munetschika hieß. Derselbe schmiedete die besten Schwerter, die man weit und breit finden konnte, und da er sich weder Zeit noch Mühe verdrießen ließ, so wurde jedes Mal sein Werk vom besten Erfolge gekrönt.

Nun begab es sich, daß unter der Regierung Itschijo's das Reich von vielen Gefahren heimgesucht ward; viele mächtige Feinde waren zu bekriegen, und unter ihnen befanden sich sogar die Koreaner, welche früher von Japan unterworfen waren, jetzt aber ihrerseits feindlich heranzogen und einen Einfall in die Insel Kiuschiu wagten.

Inmitten dieser Wirren war Kaiser Itschijo gestorben, und sein Nachfolger Sanjo, aufgebracht über die Keckheit der Koreaner, beschloß, dem feindlichen Einfalle mit einem Male ein Ende zu bereiten. Ein Orakelspruch aber verkündete, daß dazu ein neues Schwert vonnöthen sei, so gut man es nur in Japan anzufertigen vermöchte.

Natürlicher Weise konnte nur Munetschika ein solches Schwert liefern, und so schickte der Kaiser Sanjo einen der tapfersten Krieger am Hofe, den Taschibana Mitschinari, zu dem Schmiede, mit dem Auftrage, sofort ein ganz vorzügliches Schwert zu schaffen, mit dessen Hülfe der Feind besiegt werden könnte.

Munetschika war überrascht durch den Auftrag, und so gern er dem Befehle des Kaisers nachkommen wollte, sah er sich doch außer Stande dazu, denn nichts war vorbereitet und vor allem kein Gehülfe zur Stelle, und so war es ganz unmöglich, eine solche Waffe, wie sie der Kaiser brauchte, so schnell anzufertigen. Und dennoch that die größte Eile noth.

Munetschika sowohl als Taschibana waren rathlos und untröstlich. Als sie aber noch beisammen saßen und klagten, da[211] erschien plötzlich ein weißer Fuchs, ein Abgesandter der großen Göttin von Inari. Dieser Fuchs befahl dem Schmiede, alles, was dazu gehört, um ein gutes Schwert zu schmieden, regelrecht vorzubereiten. Munetschika machte sich auch alsogleich ans Werk, und unter der Hülfe des Fuchses, der alle Handgriffe gleich dem besten Gehülfen verrichtete, ging alles so gut von Statten, daß schon nach sehr kurzer Zeit ein prächtiges, musterhaftes Schlachtschwert aus der Schmiede hervorging. Voll Freude und Stolz nahm es Munetschika in die Hand und pries die Götter, die ihm die Arbeit so sehr erleichtert hatten. Und wie er nun stolz auf seinen Namenszug blickte, der auf keinem seiner Schwerter fehlte, so sah er voll Verwunderung, daß neben seinem Namensstempel noch mit deutlicher Schrift »der kleine Fuchs« zu lesen war. Das war das Zeichen, daß auf Geheiß der Götter selbst jener Fuchs dem Munetschika zur Hülfe gesandt war.

Frohlockend brachte Tatschibana nun das kostbare Schwert nach der Residenz Kioto, und der Kaiser Sanjo hatte eine so große Freude darüber, daß er augenblicklich seine besten, erprobtesten Feldherren, deren einer der erlauchten Familie der Taira, deren anderer der der Minamoto angehörte, herbeirief, ihnen das Schwert übergab und befahl, sofort gegen die Koreaner zu ziehen. Dieselben wurden nun auch auf der Insel Kiuschiu aufs Haupt geschlagen und mit Hülfe des wunderbaren Schwertes vertrieben.

Seit dieser Zeit aber wird das Schwert in der kaiserlichen Schatzkammer bis zum heutigen Tage sorgsam verwahrt und in hohen Ehren gehalten.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 210-212.
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