Der Holzhacker.

[155] Es war einmal ein Holzhacker und der hatte eine Frau. Der Holzhacker ging Tag für Tag in das Gebirge hinaus, um Bäume zu fällen. Am Abend sammelte er das fertige Holz und verkaufte es. Für das so gewonnene Geld holte er aus einer Esswarenbude Brot und andere Nahrungsmittel, trug sie nach Hause und sein Weib bereitete ein gutes Essen davon. Dann hielten sie lustige Mahlzeit. Sie trieben allerlei Scherze, liessen es sich wohlschmecken, assen und tranken, lachten, jauchzten und vertrieben sich mit Spiel und Sang sorglos die Zeit. Am nächsten Tage geht der Holzhacker wieder in das Gebirge, um Holz zu spalten, das er am Abend wieder verkauft und für den Erlös Speisen einhandelt. Immer und alle Tage sind sie heiter und fröhlich; essen und trinken wohlgemut und mit Behagen. Jeder Tag wie jeder Abend gehen in Lust und Laune dahin.

Eines Tages verbot der Padischah jede Beleuchtung und jedes Lichtzeichen in der Nacht. Niemand wagte es mehr, ein Licht anzuzünden; doch der Holzhacker liess sich durch dieses Verbot in seiner nächtlichen Unterhaltung nicht stören.

Einmal machte der Padischah einen nächtlichen Rundgang und kam am Hause des Holzhackers vor über. Da sah er, wie es darin lustig herging. Man jauchzte und lärmte, lachte und war guter Dinge. Der Padischah hatte seine Freude[156] daran. Er machte ein Zeichen am Tore und ging weiter. Am folgenden Tage sandte der Padischah ein Pferd und einen vollständigen Anzug in das Haus des Holzhackers und liess ihn zu sich rufen. Die Diener gingen mit dem Pferde und den Kleidern in das Haus und pochten an dem Tore. Die Frau kam herbei und sagte, ihr Mann sei im Gebirge Holz fällen.

Die Leute des Padischah gingen in das Gebirge und holten den Holzhacker, zogen ihm die Kleider an, setzten ihn auf das Pferd und brachten ihn schnurstracks vor den Padischah. Auf dem Wege, den sie zurücklegten, wurden sie von jedem gesehen. Rechts und links reihten sich arme Leute und baten um ein Almosen. Der Holzhacker, am Rücken des Pferdes, steckte sich spreizend seine Hände tief in die Taschen, er fand aber kein Geld. Sich dann nach rechts und links drehend, rief er: »Bis ich wiederkomme! Bis ich wiederkomme!« Bald darauf stand er vor dem Padischah.

Der Padischah fragte ihn, was sein Erwerb sei. Darauf berichtete der Holzhacker: »Den ganzen Tag falle ich im Gebirge Bäume und am Abend verkaufe ich die Holzstücke.« Für das Geld bringt er Lebensmittel nach Hause, die er mit seiner Ehehälfte verzehrt. Sie essen, trinken und geniessen alles mit Lust und Freude. Der Padischah ernennt den Holzfäller zum Ersten-Türsteher (Kapudschy baschy) und überreichte ihm einen schönen Säbel. Jetzt setzte sich der neue Türsteher wieder auf sein Pferd. Auf dem Wege standen die Armen und baten abermals um Geld. Hoch zu Ross griff er wieder in die Taschen, doch konnte er nichts herausnehmen und wieder, sich neigend, sagte er: »Ihr habt kein Geld, ich habe auch keines.« Damit ritt er seinem Hause zu.

Nach einer Zeit verspürte er und seine Gattin Hunger und der Mann fragte seine Frau, was sie wohl beginnen sollen.[157] Da sagte die Frau zu ihrem Manne: »Nimm die Klinge deines Säbels, trage sie zum Krämer und bringe dafür etwas zu essen.« Der Holzhacker nahm auch die Säbelklinge, begab sich flugs zu dem Kaufmanne und brachte Speisen und Getränke heim. Wohlgemut, unbekümmert und lustig wie immer assen und tranken sie. Der Diener, welcher den Holzhacker in sein Haus begleitete, hatte das ganze Tun und Treiben beobachtet. Am anderen Morgen hat er alles dem Padischah berichtet Der Padischah nahm hievon Kenntnis.

Es war in dieser Zeit Sitte, dass jeder, der ein neues Amt antrat, einen Verbrecher köpfen musste. Der Padischah berief die Männer und auch den Holzhacker. Dieser kleidet sich an, schwang sich auf's Pferd und begab sich in das Seraj. Der Padischah hatte einen Mann vorführen lassen und forderte den Holzhacker auf, demselben den Kopf abzuhauen.

Der Holzhauer hatte jedoch schon früher statt der Säbelklinge ein Stück Holz in die Scheide gesteckt. Er fasste das Schwert und sprach: »Oh Allah, wenn dieser Mann kein Sünder ist, so verwandle sich meine Klinge in Holz; ist er aber ein Verbrecher, so treffe ihn das Schwert.« Mit diesen Worten zieht er den Säbel aus der Scheide und alle Anwesenden bemerken, dass er aus Holz ist ... »Seht ihr Herren,« sprach sodann der Holzhacker »dieser Mann ist unschuldig.« Der Padischah wusste recht gut, welches Bewandtnis es mit der Schwertklinge des Holzhackers hatte. Doch hatte seine Geistesgegenwart das grösste Wohlgefallen bei dem Padischah gefunden. Er schenkte ihm einen schönen Kiosk und viel Geld, nahm ihn in seinen Hofstaat auf und liess auch seine Frau dahin bringen. »Die beiden assen und tranken, lebten sorglos lustig und froh, bis an ihr seliges Lebensende.«

Quelle:
Kúnos, Ignaz: Türkische Volksmärchen aus Stambul. Leiden: E.J.Brill, (1905), S. 155-158.
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