Kunterbunt.
(Lügen-Märchen.)1

[398] Wir waren drei Brüder, unser zwei blöde, keiner von uns einen Tropfen Vernunft. Wir gingen zum Bogenmachermeister und kauften drei Bogen, zwei davon zerbrochen und abgenutzt, der dritte ohne Bogensehne. In einem Bache, in dem kein Tropfen Wasser, lagen drei Enten, ihrer zwei tot und entseelt, in der dritten kein Funken Leben. Wir gingen hin, schössen einen der Pfeile ab, nahmen die Ente in die Hand; dann brachen wir auf, gingen wenig, gingen viel, gingen über Berg und Tal, Kaffee trinkend und rauchend, Tulpen und Hyazinthen mähend, endlich waren wir eines Gerstenkornes Wegs gegangen.

So gingen und gingen wir, begegneten drei Häuser, zwei derselben zerfallen und zerbröckelt, das dritte ohne irgend einen Grundbau. Dort lagen drei Männer, ihrer zwei tot und entseelt, in dem dritten kein Funken Leben. Wir fragten den Leblosen, er möge uns ein Gefäss geben um diese Ente zu braten; da zeigte er uns drei Schränke, deren zwei zerfallen und zerbrochen, der dritte ohne Seiten wände. Dort fanden wir drei Teller, deren zwei lückig und löcherig, der[399] dritte ohne Boden. In dem Teller, der keinen Boden hatte, brieten wir die Ente. Der eine meiner Gefährten sagte: »Mein Magen ist voll,« der zweite sagte: »Ich habe keine Esslust«; ich aber sagte: »Mich gelüstet es nach garnichts mehr.« Der, der gesagt hatte, sein Magen sei voll, ass die Ente auf; der, der gesagt hatte, er habe keine Esslust, ass die Knochen auf. Da wurde ich böse, ging auf und davon, und kam auf ein Melonenfeld.

Ich zog aus meinem Gürtel mein Messer, schnitt eine Melone auf, da war mein Messer hin, ich war auch hin; begegnete einer Karawane und fragte, wo mein Messer sei. Die sagten mir: »Es sind schon vierzig Jahre, dass wir hier herum zwölf unserer Kameele suchen. Die Kameele haben wir nicht finden können; wie könntest du dein Messer finden?« Da wurde ich auf diese auch böse, machte mich auf und davon und ging zum Fusse eines Baumes. Dort sah ich einen Korb, in den man einen ermordeten Mann gelegt hatte. Als ich ihn besehen wollte, bemerkte ich, dass vierzig Räuber kommen; ich lief davon und die hinter mir her. Nachdem ich ein gutes Stück gegangen war, gelangte ich zu einer verfallenen Dschami. Im Hofe der Dschami jagten sie mich eine Weile herum. Was blieb mir übrig, ich stieg auf das Minare, die stiegen auch hinauf. Ich klammerte mich hierauf an die Scherife und stiess mich los Der Räuber zückte sein Messer und kam mir nach. Da schrie ich: o weh! und fiel auf die Kuppel der Dschami. In meiner Angst öffnete ich meine Augen und sah, das alles nur ein Traum war.

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Die Märchen werden meist mit solch einem possenhaften sinnlosen Eingang, tekerleme genannt, überliefert.

Quelle:
Kúnos, Ignaz: Türkische Volksmärchen aus Stambul. Leiden: E.J.Brill, (1905), S. 398-400.
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