XXX. Fámjin.

[156] Doffin hiess ein Mann, der einmal in der Siedelung »am Hügel« [á Brekku] in Hof auf Suđuroy wohnte. Er hatte von Kaufleuten, welche dorthin segelten, Waren empfangen und war in grosse Schulden gegen sie gekommen; er sagte, er könne die Schuld nicht aufbringen und sie versicherten ihn hoch und teuer, erhielten sie nicht den Wert dessen, was er von ihnen bekommen habe, so sollte es ihm schlecht gehen, wenn sie wieder nach Hof mit ihrem Schiffe kämen. Doffin wagte daher nicht länger in Hof zu bleiben, sondern übersiedelte mit allem, was er besass, nach dem Westen der Insel, nach Vesturvík; so hiess damals die Bucht und der Platz, der jetzt Fámjin heisst. Der Sohn Doffins war in seiner Begleitung; sie liessen sich auf dem Herdalsberg nieder, welcher so gut lag, dass, wenn Schiffe oder Männer sie angreifen wollten, es von hier leicht gesehen werden konnte, wenn sich jemand dem Hause näherte, und es leicht war, ins Gebirge zu fliehen und sich in Höhlen zu verbergen.[156] Doffin schaffte sich ein Boot an; sie ruderten beide allein aus. Eines Tages, als sie auf der Ausfahrt waren, sahen sie ein unbekanntes Schiff, das keines der Lastschiffe zu sein schien, die gewöhnlich zwischen den Inseln segelten. Sie bekamen Lust, sich über dieses Schiff näher zu erkundigen und zogen darum die Angelschnüre auf und ruderten auf dasselbe zu; es erschien ihnen als ein Friedensschiff und sie legen mit dem Boote an das Schiff und bieten ihnen frischgefangene Fische zum Tausche gegen alles an, was den Einsiedlern in Vesturvík annehmbar wäre. Zwei Frauen sind auf dem Schiffe; sie kommen zum Schiffsrand und sehen diese Männer. Sie wundern sich über eine grosse Heiligbutte, die im Boote lag, einen solchen Fisch, sagten sie, hätten sie nie zuvor gesehen. Doffin fordert beide auf, ins Boot herabzukommen, um ihn näher zu besehen und sie versprechen ihnen, zu versuchen, ob sie nicht eine andere Heiligbutte fangen könnten, damit sie sie lebend sehen könnten. Es war windstill und und die See spiegelglatt, so dass das Schiff nicht vom Fleck kam, denn kein Hauch kam in die Segel; der Schiffer wollte daher den Frauen nicht verwehren, dieses kleine Vergnügen zu geniessen. Sie setzen sich nun ins Boot und Doffin rudert vom Schiffe. Doffin und sein Sohn finden Gefallen an diesen Frauen und einigen sich darüber, zu versuchen, sie nach Hause zu führen. Die Sonne schien klar und glänzte auf der spiegelglatten See; – sie ruderten nun dort, wo die Schiffer die Sonne auf der See glänzen sehen, denn dort konnten sie das Boot nicht sehen. Gegen Sonnenuntergang verdunkelte ein Nebel die Luft und nun ruderten sie ans Land. Einige Zeit, nachdem sie vom Schiffe weggefahren waren und nichts vom Boote zu sehen war, begannen die Schiffer zu besorgen, die beiden möchten nicht wiederkommen, sondern die Männer mit ihnen weggefahren sein; sie riefen vom Schiffe: »Fá mi, fá mi [gib mir, gib mir]!« und daher soll Vesturvík den Namen Fámjin erhalten haben.

Als die beiden Frauen nun ans Land kamen und in die Hütte Doffins geführt wurden, begannen sie beide zu weinen; er versuchte sie zu trösten und ging auf die Weide, um ein Lamm für sie zu holen und bat sie, es zu kochen und zuzubereiten, wie es ihnen am besten däuchte. Das Schiff lag hier vor dem Lande eine Woche und segelte hin und her; aber die Brandung in der Bucht war so stark, dass sie nicht daran denken konnten, zu landen; sie konnten auch nicht so verwegen sein, gering an Zahl und waffenlos zu Doffin zu kommen, um die Frauen zu befreien, die er ihnen geraubt hatte; es stand zu erwarten, dass er sich wehren würde und deshalb mussten sie besorgen, Übles von Doffin und seinen Leuten zu erfahren, wenn sie eine so gewagte Fahrt versuchten; damit segelten sie wieder fort, ohne die Frauen mit sich zu bekommen. Doffin begann sich nun zu erkundigen, woher sie gekommen seien und erfuhr, sie seien aus Frankreich und das Schiff habe sie nach Irland bringen sollen, wo die ältere Frau ihren Mann hatte, aber das Schiff war von seiner Bahn nordwärts[157] zu den Færoyern verschlagen worden, da ein Sturm über dasselbe gekommen war; das jüngere Mädchen war ihre Dienerin. Doffin und sein Sohn nahmen jeder die seinige zum Weib und hier mussten sie nun bleiben, weit verschlagen von Vaterland, Verwandten und Freunden. Nun kommt der Schiffer nach Irland und erzählt dem Mann von allem, wie es sich bei den Færoyern zugetragen hatte; als er das erfuhr, dass die Frau ihm gestohlen war, härmte er sich, liess ein Schiff ausrüsten und fuhr selbst aus, um nach der Frau zu suchen. Sie kamen nach [Thors]havn und dort verschaffte er sich ein Fahrzeug und gedachte nach Suđuroy ihr nachzufahren; aber im Skopunarfjord begegneten sie dem Pfarrer von Suđuroy, der ihm sagte, das nütze nichts, wenn er nach Süden führe, weil die beiden Frauen verheiratet seien, die eine mit Doffin und die andere mit dessen Sohne, und sie fühlten sich so glücklich, hier zu leben, dass sie nicht mit Gutem sich von hier wegführen lassen würden, und ausserdem werde Doffin und die Dorfbewohner sie nicht fortlassen wollen, wenn man sie von ihnen verlangte. Als dieser ausländische Mann das hörte, wandte er zu seinem Schiffe nach Thorshavn um; aber als er in die See stach, nahm er den Priester mit sich hinaus, und er entkam nicht früher, als bis zwei Jahre verflossen waren.

Doffin hatte mit seiner Frau eine Tochter, sie verheiratete sich mit einem Manne, der sich in Fámjin in der Siedelung niederliess, die nun Sjúrđargarđ heisst; ihre Tochter war Ragnhild (oder Rannvá), sie verheiratete sich nach Hörg in Sumbæ. Viele starke Helden sollen von diesen ausländischen Frauen in Fámjin stammen und unter diesen dürfen nicht vergessen werden die Janssöhne Albert der Starke und Gilbert der Tüchtige, von denen in anderen Sagen berichtet wird.

Quelle:
Jiriczek, Otto L.: Færöerische Märchen und Sagen. In: Zeitschrift für Volkskunde 2 (1892) 1-24, 142-165, Berlin: A. Asher & Co, S. 156-158.
Lizenz:
Kategorien: