XXXIV. Narrensagen.

[161] Viele Spottgeschichten gehen über die Skarđleute auf den Nordinseln und ihre Dummheit in alten Tagen, wie auch über die Fámninger auf Suđuroy.

Eines Abends sah man von Skarđ in Kunoy den Mond auf den Bergspitzen südlich von dem Dorfe; – wer dort oben gewesen wäre, hätte ihn mit den Händen greifen und nach Skarđ herab mitnehmen können; das wäre etwas sehr Bequemes gewesen, meinten sie, ihn die langen Winterabende bei sich zu haben; da würde das nichts machen, wenn kein Thran zum Einschütten in die Lampe da war – der grosse scheinende Mond könnte wohl für sie leuchten. Sie halten es daher für rätlich, dass alle Männer im Dorfe, die gehen konnten, auf das Gebirge nach dem Monde steigen und ihn herbeischaffen sollten, um damit wie mit einem Spielzeug zu spielen und ihn zu heben, dass er ihnen hier immer leuchte. Sie thun so, froh über diesen witzigen Rat, und steigen schleunigst auf den Berg, wo der Mond lag, aber oh! als sie dort hinaufkamen, war kein Mond mehr auf dem Berge, er war hoch in die Luft gefahren vor ihnen und weiter südwärts gegangen, so dass niemand so lange Arme hatte, dass er ihn hätte erreichen und fangen können. Zurück ins Dorf hinunter ohne den Mond zu fahren hielten sie für eine allzu grosse Schande; sie gehen da eiligst auf eine höhere Spitze, die südlicher war und dachten, dort müssten sie ihn wohl fangen, und es sah auch so aus, als ob ihnen das glücken sollte, denn je weiter hinab sie von der Bergspitze kamen, desto tiefer sank der Mond auf die südliche Bergspitze herab, und nun trösteten sie sich und rannten, was sie nur konnten, auf jenen Berg; aber als sie auf ihn hinaufgekommen waren, war der Mond wieder fort. Sie glaubten nun, der Mond fürchte sich vor ihnen und begannen von einer Spitze zur anderen zu rennen und riefen alle so schmeichelnd, als sie nur konnten:


Mond, Mond, komm in meine Tasche, (a)

du sollst Butterbrot dafür bekommen. (a)


Aber der Mond wollte nicht in die Tasche der Skarđmänner kommen und nicht ihr Butterbrot haben, sondern fuhr seines Weges weiter, über anderen[161] als ihnen zu leuchten; erschöpft und todmüde kamen sie nach Hause, aber keinen Mond brachten sie mit sich.


Eines Morgens gegen Sonnenaufgang kam ein Mann von Osten nach Fámjin gegangen. Als er über den letzten Hügel hinabkommt und sich dem Dorfe nähert, sieht er ein Mädchen in dem Hause, das dem Wege zunächst lag, eilig mit einem Troge in der Hand ein- und ausgehen. Er sieht, dass der Trog leer ist und fragt darum, was sie da schaffe. Sie antwortete, dass sie die Nacht heraus- und den Tag hineintrage, damit das Tageslicht in die Stube kommen könne.


Eines Abends war Windstille in der Bucht in Fámjin und der Mond spiegelte sich so klar in der See. Ein Fámninger hatte von einem grossen Wal gehört, welcher »der rote« heisst, und als er nun dieses glitzernde Rote im Wasser in der Bucht sieht, läuft er durch das ganze Dorf und ruft: »der Rote ist in die Bucht gekommen, kommt nun rasch hinab, ihn zu erschlagen und zu verteilen.« Er wusste, dass oft Seehunde mit der Flut über die Sandbank in die Bucht hereinkamen; wenn dann die See wieder zurückwich und es draussen auf der Sandbank seichter wurde, wollten die Seehunde wieder die Tiefen im Meerbusen aufsuchen, und da pflegten die Fámninger auf die Sandbank hinauszufahren und die Seehunde zu erschlagen, während sie über die Sandbank hinüber sollten. Nun hören die Fámninger, dass das nicht wie gewöhnlich ein Seehund ist, sondern ein grosser Wal, der in der Bucht ist, und sie sind so erfreut über diese Botschaft, dass sie sich beeilen, das Korn aus den Tonnen in den Fluss zu schütten, damit sie diese leeren Gefässe zum Einschneiden des Speckes vom Walfisch benutzen könnten; – der Wal sollte ihnen das geben, was mehr wert war, als einige Tonnen Korn, Speck und Fleisch. Sie fahren nun auf die Sandbank hinaus mit Holzkeulen, Messern und anderen Geräten, um den Wal zu töten und zu verteilen; – aber nun stand es übel, – kein Wal und nichts zum Einfüllen in die leeren Tonnen, und mit hängenden Ohren mussten sie ohne irgend etwas nach Hause zurückfahren.


Einmal gegen Sonnenuntergang standen einige Fámninger vor den Häusern und als die Sonne eben in die Meerestiefe dort westlich vom Dorfe sinken sollte und den Meeresrand so gross und rot berührte, kam ein grosser Schatten vor sie und das sah so schrecklich wunderlich aus. Ja, wie es natürlich war, hörte man das bald in den Häusern, dass etwas Seltsames zu sehen war, und wenn man so etwas in Fámjin erwartete, waren die Dorfbewohner vor Neugierde nicht faul, sich zusammenzurotten und sich zu erkundigen, was das sein könnte, das das Volk in Haufen[162] herzog. Alle kamen sie nun heraus, diese Wundererscheinung westlich im Meere zu beobachten, und alle wollten gern wissen, was dieses grosse Glänzende zu bedeuten habe, das sie vor sich sahen. Sie äusserten sich darüber verschieden: der eine sagte, das sei ein Tier, das über das Meer ginge und die Sonne verschlänge, ein anderer glaubte, das sei ein Berg, eine schwimmende Insel und manches andere, ebenes und unebenes, wurde vorgebracht. Weil niemand von seiner Meinung ablassen wollte, begannen sie zu streiten, und so heftig zankten sie sich, dass sie nahe daran waren, sich zu prügeln. Da ergriff einer der Friedlichsten unter ihnen das Wort, der verständigste Beschluss sei, die alte Rannvá zu holen. Sie wurde da schleunigst herausgetragen und als sie eine kleine Weile auf das, was den Unfrieden stiftete, geschaut hatte, sagte sie: »Das ist die Klæmintskirche, welche aus dem Meere aufkommt.« Das hielten nun alle für etwas gesprochen, und in dieser Zuversicht wurden sie alle ruhig und gingen in Frieden jeder in sein Haus, denn sie war die weiseste im Dorfe und niemand zweifelte daran, dass ihr Wort das richtige sei.

Quelle:
Jiriczek, Otto L.: Færöerische Märchen und Sagen. In: Zeitschrift für Volkskunde 2 (1892) 1-24, 142-165, Berlin: A. Asher & Co, S. 161-163.
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