Was er gesucht hat

Hinnerk und seine Frau sind beide eigentlich ein paar gute Leute, aber echt ostfriesische 'Stiefkoppen'. Daß sie dabei oft etwas hart aneinandergeraten, ist erklärlich, denn keiner kann doch dem andern recht geben, wenn man es selbst anders meint. Das wäre ja ganz undenkbar bei beiden.

So kommt es denn oft vor, daß sie 'düll upnanner' sind und dann sagt lange keiner ein Wort zu dem andern. Immer ist es aber Stientje, die das Schweigen zuletzt bricht, wenn ihre sehr geläufige Zunge die Ruhezeit nicht mehr aushalten kann.

Einmal sind aber acht Tage in tiefstem Schweigen dahingegangen, und selbst Stientje kann sich nicht bequemen, ein Wort zu sagen. Da wird es Hinnerk doch zu bunt.

Er nimmt die Stallaterne, zündet sie am hellen Tage an und stöbert damit in allen Ecken und Winkeln des Hauses herum, schüttelt den Kopf, leuchtet in die Küche, in den Ställen, auf dem Hof, und schüttelt immer wieder den Kopf.

Endlich, auf dem Boden, wo er altes Gerümpel durcheinanderwirft, kann sich Stientje, die ihm überall hingefolgt ist, nicht mehr halten, und sie ruft: »Man Hinnerk, wat söchst du denn?«

Und er atmet befreit auf: »Dien Muulwark. Nu hebb ik 't endelk funnen!«


Ostfriesische Nachrichten vom 10. Nov. 1929

Quelle:
Der Abschnitt enthält Texte aus Friesland, deren Quellen jeweils unterhalb des Textes vermerkt sind.
Lizenz:
Kategorien: