C. Wer ist der Dummste?

[358] Árn. II S. 539/40.


Einst zanken sich zwei Frauen, wer den dummsten Mann habe. Schliesslich kommen sie überein, doch einmal zu versuchen, wer von den beiden als der Dümmste sich ausweise. Die eine beginnt nun daheim am leeren Rocken zu spinnen und sagt ihrem heimkehrenden Manne, der sie deswegen erstaunt zur Rede stellt, dass sie feine Wolle, die man vor Feinheit gar nicht sehen könne, zu einem Anzug für ihn spinne. Nachdem die Frau eine Weile so gesponnen hat, trägt sie die Wolle, die man gar nicht sehen kann, zum Webstuhle und wirkt hier einen Stoff, den man ebensowenig sieht. Dann wäscht und schlägt die Frau das unsichtbare Gewebe und schneidet und näht schliesslich einen Anzug aus ihm. Hierauf ruft sie ihren Mann und erklärt, sie wolle ihm helfen, das neue Gewand auch richtig anzuziehen. Der Mann sieht zwar nichts und fühlt nichts auf seinem nackten Körper, ist aber dennoch furchtbar stolz auf seine schöne Kleidung und seine kunstfertige Gattin. – Die andere Frau fragt ihren Mann, sowie er heimkommt, warum er denn ausser Bett sei, er sei doch schwerkrank. Der Mann lässt sich denn auch bereden und legt sich zu Bett. Nach einiger Zeit erklärt die Frau, nun müsse sie ihn in $en Sarg legen, denn nun sei er gestorben. Der Mann bittet sie, das doch um Gotteswillen nicht zu tun, bekommt jedoch zur Antwort, er solle nur schweigen, er sei ja doch schon seit dem Morgen tot. Es wird der Begräbnistag angesetzt, die Leichenträger werden bestellt und die Freunde zur Beerdigung eingeladen. Mit den Leidtragenden kommt auch der erste Ehegatte, nackt wie ihn Gott geschaffen hat, nach seiner Überzeugung jedoch prächtig gekleidet. Bei seinem Anblick brechen alle in lautes Gelächter aus, und der Tote, der durch ein kleines Fensterchen im Sarge ihn sehen kann, ruft so laut er nur kann: »Nun würde ich lachen, wenn ich nicht schon tot wäre.« Wie man den Toten reden hört, befreit man ihn aus dem Sarge. Der Schelmenstreich der beiden Frauen wird bekannt, und beide empfangen beim nächsten Thing ihre Strafe.[359]

Am nächsten steht diesem isländischen Schwanke ein norwegisches Märchen (Asbj. 78 »Dumme Mænd og Trold til Kjærringer« S. 80 ff.). Hier wetten auch zwei Frauen um die Dummheit ihrer Männer. Die erste macht ihrem Manne weiss, er sei gestorben, und die andere spinnt, webt und näht Kleider, die gar nicht existieren. Der nackte Mann kommt zum Begräbnis des Freundes, und wie der vermeintliche Tote ihn sieht, bricht er in helles Gelächter aus und erklärt, dass dieser Spass »zum Totlachen« sei.

Im dänischen Märchen wetten die Nachbarsfrauen um ein Schnäpschen an jedem Sonntag, wer von ihnen ihrem Manne den besten Streich spielen könne (Grundtv. I 19 »De lystige Koner« S. 221 ff.). Die Schneidersfrau veranlasst ihren Mann, als Hund nachts das Haus zu bewachen, die Tischlersfrau macht ihrem Manne weiss, er sei gestorben, und die Frau des Schmieds zieht ihrem schlafenden Manne die Kleider aus, streicht ihn schwarz an und weckt ihn, um ihn so zum Leichenbegängnis zu schicken. Bei seinem Anblick sagt der vorgebliche Tote; »Wenn ich nicht schon tot wäre, so müsste ich mich jetzt über dich zu Tode lachen.«

In einer mittelalterlichen Erzählung wird dieser Schwank nur sehr verstümmelt wiedergegeben. (Gesammt. II XLV »Der begrabene Ehemann« S. 357 ff.). Eine Frau bringt ihren Mann dazu, dass er aus Liebe zu ihr alles glaubt, was sie sagt. Schliesslich redet sie ihm ein, er sei krank, und dann, er sei gestorben. Sie lässt ihn begraben, und als der Tote sich meldet, erklärt der Pfarrer, ihr Liebhaber, es rede der Teufel aus dem Toten. Nach von der Hagen (Bd. II, S. XLIX ff.) ist das Vorbild dieser Erzählung das altfranzösische Gedicht von Jean de Boves. Hier sieht der eingebildete Tote seine Frau mit ihrem Liebhaber, dem Pfarrer, in vertraulichem Verkehre und erklärt, er würde ihn totprügeln, wenn er nicht tot wäre.

Ausführlich behandelt diesen Schwank Liebrecht in seinem Aufsatz »Von den drei Frauen« (Zur Volkskunde, S. 124 ff.). Die ursprüngliche Einleitung dieser Erzählung scheint die gewesen zu sein, dass drei Frauen einen Ring fanden und sich um ihn stritten. Schliesslich einigten sie sich, dass diejenige ihn bekommen solle, die ihrem Manne den besten Streich spielen[360] würde. Die Possen, welche diese Frauen ihren Männern antun, weichen in den verschiedenen Erzählungen von einander ab – die in unserem isländischen Schwank gespielten Streiche finden sich aber auch schon in einer altdeutschen Erzählung (»Von den dreyen Frawen.« Erzählungen aus altdeutschen Handschriften, gesammelt durch Adalbert von Keller. Stuttgart 1855. XXXV. Public. des literar. Vereins, S. 210 ff.)

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 358-361.
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