CVIII. Sieben auf einen Streich!

[383] Jón Sig. 324 4 to. Nach der Erzählung des Meisters Alexius.


Ein reicher Bauer in Walland, namens Rauður, hatte einen faulen, unnützen Sohn, der Geirbjörn hiess. Der war zu keiner Arbeit tauglich, trotzdem er selbst auf seine Tüchtigkeit sehr eingebildet war. – – – Eines schönen Tages bittet er seinen Vater um Geld, denn nun wolle er in die Welt auf Abenteuer ausziehen. Der Alte freut sich, den unnützen Schlingel los zu werden und[383] gibt ihm vier Mark Silber. Nun geht Geirbjörn fort. Wie er ein wenig müde geworden ist, macht er sich's im Walde bequem, isst von seinen Vorräten und schläft dann ein. Von dem Summen vieler Fliegen, die sich gerade an seinem Ruheplatze befinden, wird er im Schlafe gestört. Er schlägt sich mit der flachen Hand ins Gesicht, wo sich gerade eine Anzahl Fliegen niedergelassen hat. Wie er seine Handfläche betrachtet, findet er sieben Fliegen in ihr erschlagen. Auf diese Heldentat ist er nun furchtbar stolz und beschliesst, auf sie seine Zukunft zu gründen. Er macht sich nun auf zur nächsten Stadt, geht zu einem Schmied und bestellt sich bei diesem Schwert und Schild. Auf dem Schilde soll für alle leserlich vermerkt werden, welche Heldentat er jüngst vollbracht habe. Denn er habe letzthin im Wald sieben furchtbare Riesen auf einen Schlag getötet! Der Schmied wundert sich sehr, dass der unansehnliche, kleine Mann solcher Heldentaten fähig sei, aber glaubt natürlich seinen Angaben. Mit Schwert und Schild zieht Geirbjörn nun weiter, bis er in das Land des Markgrafen Wilballd kommt. Dieser hat eine wunderschöne Tochter, namens Salborg. Das Land wird von einem furchtbaren Ungeheuer weithin verwüstet, und viele Menschen sind ihm schon zum Opfer gefallen. Der Markgraf hat nun demjenigen, der das Tier töte, seine einzige Tochter und das halbe Reich versprochen – nach seinem Tode solle der Retter des Landes Markgraf werden. Dreissig der besten Ritter haben ihre Kühnheit schon mit dem Tode gebüsst, und nun wagt sich keiner mehr in den Kampf. Wie Geirbjörn dies hört, fängt er seinem Gastwirt gegenüber an zu prahlen: er habe schon sieben furchtbare Riesen auf einen Schlag getötet, und es würde ihm gewiss jetzt eine Kleinigkeit sein, das Ungeheuer auch noch zu besiegen. Aber er wisse nicht, ob ihm die Prinzessin gefiele. Es seien ihm schon so viele Herzogs- und Königstöchter zur Ehe angeboten worden, so dass er nachgerade sehr wählerisch geworden sei! – – – Als der Markgraf vom Wirte über diesen tüchtigen Recken unterrichtet wird, lässt er ihn gleich am andern Tage durch eine Schar Ritter zum Mittag essen laden. Hier fleht er ihn an, doch das Land von dem furchtbaren Ungetüm zu befreien. Endlich lässt sich Geirbjörn erweichen und verspricht grossmütig seine[384] Hilfe. – Am andern Tage geht er vor die Stadt, um den Kampf mit dem Tiere zu bestehen. Sowie er draussen im Walde ist, überfällt ihn eine furchtbare Angst, und so sucht er sich denn, so gut es geht, zu verstecken. Von grossen Steinen schichtet, er sich eine Art Haus mit zwei Ausgängen auf und legt sich dann drin nieder. Wie das Ungetüm kommt, riecht es gleich, dass ein Mensch in der Nähe ist. Es geht in das Steinhaus hinein, während Geirbjörn zur andern Seite hinausschlüpft. Nun beginnt ein und aus in den Steinen eine wilde Jagd. Endlich ist das schwerfällige Ungetüm fast tot vor Müdigkeit und bleibt zwischen den Steinen stecken. Nun rafft Geirbjörn sein bischen Mut zusammen und schlägt dem schon sterbenden Tiere den Kopf ab. Mit Stolz trägt er das Haupt zum Markgrafen. Alle bewundern seine Heldentat, und sogleich wird mit grosser Pracht die Hochzeit gefeiert. – – – Geirbjörn hat die Gewohnheit, laut im Traume zu sprechen. So erzählt er denn auch in einer Nacht seiner aufhorchenden Frau, wie gering seine Heldentaten im Grunde gewesen sind. Sie weckt ihn sogleich und stellt ihn deswegen zur Rede. Er versucht zwar, sich herauszulügen, aber einige Leute sagen doch, dass die Tochter des Markgrafen von der Zeit an sich von ihrem Mann getrennt habe.

Der vorgebliche Held ist in den hier zu vergleichenden Märchen entweder ein Schneider (Grimm, Suterm., Kuhn, Cosquin) oder aber ein Schuster (Gonz., Schn. und Hahn). Im deutschen Märchen (Grimm 20 »Das tapfere Schneiderlein« I S. 80 ff.) heisst es wie im isländischen Märchen: »Sieben auf einen Streich«, ebenso auch bei Suterm. (30 »Der stark Schnider« S. 95 ff.): »Sibe tödt in Eine Streich ohni Zorn.« Das Schneiderlein des märkischen Märchens (Kuhn 11 »Das tapfere Schneiderlein« S. 289 ff.) lässt sich einen Hirschfänger machen und auf die eine Seite »rechts zwölfe« und auf die andre Seite »links elfe« schreiben. Im lothringischen Märchen (Cosquin 8 »Le tailleur et le géant« S. 95 ff.) hat der Schneider auf seinem Hute folgende Inschrift: »J'en tue douze d'un coup.« Bei Schneller trägt »Hans der Starke« (53 S. 150 ff.) ein Eisenplättchen auf der Brust, auf dem geschrieben steht: »Hans der Starke, welcher hundert und darüber erschlagen hat« – und ähnlich[385] heisst es auch in dem folgenden Märchen: »Der starke Hans, der mit einem Streiche sieben verwundet und hundert erschlagen hat.« Im griechischen Märchen (Hahn 53 »Herr Lazarus und die Draken« I S. 173 ff.) lässt der Schuhflicker auf sein Schwert schreiben: »Mit einem Schlage habe ich vierzig getötet« und nach der sizilianischen Erzählung (Gonz. 41 »Vom tapfern Schuster« I S. 280 ff.) zieht der Schuster sogar mit einem Zettel umher, auf dem steht: »Fünfhundert Tote und dreihundert Verwundete.« (Weitere Nachweise bei Köhler Kl. Schr. S. 563 ff.).

Auf dieselbe Weise wie Geirbjörn schliesslich das Ungetüm tötet, überwindet das Schneiderlein auch bei Kuhn einen Bären. Es springt immer durch das Fenster eines Hauses hinaus und kommt zur Türe wieder herein, bis es dem Tiere in den Rücken kommt und es zu töten vermag.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 383-386.
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