CXI. Die drei Ritter.

[393] Lbs. 29. Folio. Aus der Handschriftensammlung des Jón Sigurðsson.


Ein alter Ritter in Rom hatte eine schöne junge Frau, die wundervoll singen konnte. Drei Ritter des Kaisers schmachteten nach ihr, und jeder bot ihr heimlich hundert Goldgulden, wenn sie ihn eine Nacht zu sich liesse. – – – Auf Veranlassung seiner geldgierigen Frau versteckt sich der alte Ritter hinter der Türe des Schlafzimmers. Der erste Ritter ist mit Einbruch[393] der Dunkelheit bestellt, der zweite um Mitternacht und der dritte gegen Morgen. Alle drei Liebhaber werden beim Kommen vom Hausherrn erschlagen, ihres Geldes beraubt und dann im Hause verborgen. Um sich der Leichen zu entledigen, wendet sich die Frau hilfebittend an ihren Bruder. Sie sagt ihm, dass ihr Mann aus Eifersucht einen Ritter erschlagen habe; er möchte ihr jetzt den Dienst tun und die Leiche fortschaffen. Sie packt den toten Ritter in einen Sack, und der Bruder wirft ihn ins Meer. Wie er zurückkehrt, setzt sie ihm Wein vor. Nach einer Weile kommt sie dann erschrocken zu ihm und behauptet, der tote Ritter sei wiedergekehrt. Er müsse ihn noch einmal forttragen. Diesmal bindet der Bruder dem Toten, ehe er ihn ins Meer wirft, einen Stein um den Hals. Aber nach Aussage der Schwester ist trotzdem die Leiche wieder im Hause! Nun trägt er sie in den Wald, schichtet einen Scheiterhaufen auf und verbrennt sie dort. Während er für einige Augenblicke weggeht, kommt ein fremder Ritter vorbei. Er sieht den Scheiterhaufen und stellt sich an das Feuer, um sich zu erwärmen. In diesem Augenblicke kommt der Bruder wieder herbei. Als er den Ritter da stehen sieht, sagt er entsetzt: »Du bist kein Ritter, sondern der Teufel. Zweimal habe ich dich in das Meer geworfen, das zweite Mal sogar mit einem Steine um den Hals. Dann habe ich dich verbrannt, und nun stehst du schon wieder da!« Wütend nimmt er den fremden Ritter und wirft ihn in das Feuer, so dass er verbrennt. – – –Nach einiger Zeit schlägt der alte Ritter einmal seine Frau. Diese wird böse und sagt: »O du schlechter Kerl! Willst du mich auch niederschlagen, wie du damals die drei Ritter erschlugst?« – Die Rede der Frau wird bekannt, die beiden werden vor das Gericht gezogen und gehängt.

Diese Erzählung, die gleichfalls (ebenso wie die vorhergehende Geschichte) ursprünglich den »Sieben weisen Meistern« entstammt, hat viele Bearbeitungen gefunden. Cosquin weist sie sogar in einer annamitischen Erzählung nach (Cosquin II S. 337). In den hier verglichenen Schwank- und Märchensammlungen kann ich sie aus den Gesamtabenteuern (LXII »Die drei Mönche von Kolmar« S. 159 ff.) und bei Straparola[394] (5. Nacht 3. Fabel I S. 339 ff.) belegen. In der altdeutschen Erzählung, die aus dem 13. oder 14. Jahrhundert stammt, sind es drei Mönche, die einer hübschen Frau nachstellen. In Verabredung mit dem Manne bestellt sie die drei zu verschiedenen Zeiten der Nacht, und wie sie kommen, werden sie getötet. Ein fahrender Schüler trägt die drei Leichen im Glauben, es sei stets dieselbe, in den Rhein und wirft noch einen vierten Mönch, der ihm begegnet, hinterdrein.

Bei Strap. sind es drei buckelige Brüder, die einander ausserordentlich gleichen. Die Frau des einen nimmt gegen das Verbot ihres Mannes ihre beiden Schwäger heimlich bei sich auf. Da der Mann unerwartet zurückkehrt, versteckt sie sie in der Küche im Schweinekoben, wo sie ersticken. Um sich der Leichen zu entledigen, lässt sie einen von ihnen durch einen Leichenträger in den Tiber werfen und macht ihm bei der Rückkehr weis, die Leiche sei wiedergekommen. Nachdem der Leichenträger auch die zweite Leiche entfernt hat, begegnet er dem buckeligen Ehemanne, den er nun gleichfalls ins Wasser wirft.

Ähnlich ist ein altfranzösisches Fabliau des Trouveur Durant »Les trois Bossus«. Dunlop-Liebrecht (S. 209 ff.) gibt eine genaue Inhaltsangabe dieses originellen Schwankes.

Unsere isländische Erzählung findet sich Zug für Zug in der altenglischen Bearbeitung der Gesta Romanorum wieder. (Ich zitiere hier noch von der Hagen in der Einleitung zu den Gesamtabenteuern Bd. III S. XLIV ff.): »Die schöne Frau eines alten Ritters in Rom sang dabei so reizend, dass viele Jünglinge ihrer begehrten. So zog ihre Schönheit und Gesang vom Fenster herab auch drei Ritter des Kaisers an, dass ihr jeder hundert Goldgulden für ihre Minne bietet. Sie entdeckt es ihrem Manne und beredet ihn, die nacheinander mit dem Golde kommenden Ritter beim Eintritt zu erstechen. Sie verbirgt die Leichname in einer Kammer und bittet ihren Bruder, der Stadtwächter ist, einen Ritter, welchen ihr Mann im Zorne getötet habe, wegzuschaffen für einen guten Wein. Der Bruder trägt den Leichnam im Sacke hinaus und wirft ihn in den Tiber; er kommt, seinen Lohn zu holen und muss den zweiten als revenant ebendahin tragen, und obgleich er diesem einen Stein[395] an den Hals bindet, muss er ebenso den dritten wegschaffen. Diesen trägt er in den Wald und verbrennt ihn; da kommt ein zum Turniere reitender Ritter herbei, sich zu wärmen, wird aber als ein viertes Teufelsgespenst von dem Bruder in das Feuer geworfen und verbrannt, worauf dieser erst seinen Lohn holt. Nachmals gibt jedoch der alte Ritter im Zorne seiner Frau öffentlich einen Schlag, und diese ruft laut, er wolle sie auch wohl ermorden, wie die drei Ritter. So kommt die Untat an den Tag, und beide werden geschleift und gehenkt.«

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 393-396.
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