[413] Dav. 134–39. Nach der Erzählung von Guðmundur Daviðsson.
Ein Bauernpaar lebt mit seinem faulen Sohne Sigurður einzig von dem, was dieser tagtäglich in einem Topfe von den Leuten erbettelt. Wie er einst wieder auf dem Bettelgange ist, begegnet er einem Mann, der ihm statt anderer Gaben sieben Wünsche verleiht Der Bursche glaubt nicht recht daran und geht enttäuscht weiter. Einmal ist er noch fauler wie gewöhnlich und setzt sich auf seinen Betteltopf, um sich auszuruhen. In reiner Gedankenlosigkeit wünscht er sich, dass er auf seinem Topfe fliegen könne, wohin er wolle. Im gleichen Augenblick fliegt er auch schon durch die Luft. Jetzt wünscht er sich, zum Turm der Königstochter zu fliegen, da er schon so viel von ihrer Schönheit gehört hat. Wie er auf seinem Topfe an ihrem Fenster vorbeikommt, schaut die Prinzessin gerade zum Fenster heraus. Sie lacht mit ihren Hofdamen furchtbar über den Anblick. Dem jungen Burschen gefällt das Mädchen jedoch so gut, dass er in seines Herzens Einfalt sich wünscht, mit ihr ein Kind zu bekommen. – – – Nach einiger Zeit entdeckt der König, dass seine Tochter schwanger ist. Er ist furchtbar böse, doch das Mädchen versichert hoch und heilig, nie mit einem Manne zusammen gewesen zu sein. So sehr sich nun der König auch bemüht, so[413] kann er doch auf keine Weise den Vater des Kindes entdecken. Schliesslich, nach drei Jahren, lässt er zu einer Volksversammlung alle Männer seines Reiches zusammenkommen. Derjenige, zu dem das Kind aus freiem Willen geht, ist dann auch der Vater desselben. Zu guter Letzt kommt hier die Reihe an Sigurður. Während das Kind vorher weinte und schrie, ist es bei ihm ganz ruhig und freundlich und will sich nicht mehr von ihm trennen. Nun weiss der König vor Wut kaum, was er machen soll, dass seine Tochter von solch niedrigem Bettelbuben ein Kind hat. Sigurður versucht, ihm alles auseinander zu setzen, doch das hilft alles nicht. Der König lässt eine grosse, zweigeteilte Kiste anfertigen. In die eine Abteilung wird Sigurður mit Nahrung für eine Woche ausreichend hineingesetzt, in die andere Abteilung kommt die Prinzessin mit ihrem Kinde, die für einen halben Monat Nahrung mitbekommt. Hierauf wird die Kiste auf dem Meere ausgesetzt. Die beiden kommen nun schliesslich in ihrer Kiste miteinander ins Gespräch. Wie die Prinzessin die Geschichte der Wünsche hört, bittet sie Sigurður, die fünf übrigen Wünsche ihr zu schenken. Dieser ist dazu gerne bereit. Nun wünscht sie sich mit ihm und dem Kinde in das schönste Land auf der Welt. Darauf muss dort auf ihren Wunsch eine prächtige Königshalle mit allem, was dazu gehört, erstehen, und schliesslich muss Sigurður zum schönsten und klügsten Manne werden. Nachdem die beiden eine Weile in ihrem neuen Reiche als König und Königin geherrscht hatten, will sich die von ihrem Vater einst verstossene Prinzessin ein wenig an diesem rächen und sich ihm zugleich in all ihrem Glänze zeigen. Als der König eines Morgens aufsteht, sieh er eine prächtige, feste Brücke, die, soweit das Auge reicht, über das Meer sich erstreckt. Neugierig wandert er mit seinem Hofstaat über die Brücke. Doch je länger sie gehen, desto weiter zieht die Brücke sich hinaus. Halbtot vor Hunger und Ermüdung kommen sie endlich am Abend des dritten Tages an eine prächtige Königshalle. Hier ist augenscheinlich schon alles in tiefem Schlafe, so dass sie auch diese Nacht noch im Freien zubringen müssen. Endlich, am folgenden Morgen, sucht die Königstochter ihren Vater auf, um ihm jetzt nach all den Entbehrungen einen würdigen[414] Empfang zu bereiten und ihm sein einstiges Unrecht vor die Augen zu halten.
In der Landesbibliothek in Reykjavik (Lbs 538 4 to) findet sich noch eine Variante dieses Märchens von Snorri Jónsson auf Norður-Reykir im Mosfellssveit niedergeschrieben. Hier ist der Held, ein armer Bauernjunge, so faul, dass er nicht einmal Lust zu essen hat. Infolgedessen bindet ihm die Mutter über seinem Bett einen Sack mit Skyr fest, so dass dieser ihm in den Mund laufen kann. Man nennt ihn deshalb Skyrpokalatur. – Wie er sich einst so weit anstrengt, um Wasser zu holen, kommt ihm in den Eimer ein Wunschstein. Er wünscht sich nun einen Goldkamm, mit dem er in der Nähe der Königstochter sein Haar kämmt. Diese will ihn durchaus haben und bekommt ihn unter der Bedingung, dass er ihren nackten Fuss berühren darf. Am folgenden Tage kann die Prinzessin eine Goldspindel erlangen, wenn sie ihm ihr nacktes Bein zu berühren erlaubt. Am dritten Tage hat er einen wunderbaren Goldring, der nur ihm und der Prinzessin passt. Diesen will er jedoch nur weggeben, wenn er bei ihr schlafen darf. Nach langen Unterhandlungen wird ihm endlich erlaubt, dass er am Boden neben ihrem Bette die Nacht zubringen darf. Wie alle eingeschlafen sind, wünscht er sich zuerst zur Königstochter ins Bett, ohne dass diese etwas davon merkt. Nachdem er eine Weile dort gewesen ist, steckt er der schlafenden Prinzessin den Ring an den Finger und wünscht sich in die elterliche Hütte zurück. Wie der König bemerkt, dass seine Tochter schwanger ist, lässt er alle Männer zusammenkommen. Derjenige, dem der Ring passt, muss der Vater des Kindes sein. Schliesslich wird auch Skyrpokalatur herbeigeholt, und ihm passt der Ring wie angegossen. – Zur Strafe wird jetzt Skyrpokalatur mit der Prinzessin in einem ruderlosen Boote ausgesetzt. Doch mit Hilfe des Wunschsteines werden die beiden König und Königin, Skyrpokalatur bemächtigt sich dann seines Schwiegervaters und macht ihn zur Strafe für seine Hartherzigkeit tributpflichtig.
Das Märchen von dem dummen Burschen, der auf irgend eine Weise die Gabe bekommt, dass seine Wünsche erfüllt werden, und der nun aus Rache der Königstochter ein Kind[415] wünscht etc., findet sich schon bei Straparola (3. Nacht 1. Fabel I, S. 158 ff). Hier fängt der Tölpel beim Wasserholen einen Fisch, der ihm für seine Freilassung verspricht, ihm alle Wünsche zu erfüllen. Da die Königstochter ihn wegen seiner Dummheit auslacht, wünscht er sie schwanger. Wie das Kind ein Jahr alt ist, werden alle Männer vom Könige zu einer Versammlung berufen, und hier bezeugt das Kind (wie im ersten isl. Märchen) durch seine Freude und seine Zärtlichkeit, dass der Tölpel sein Vater ist. Nun werden die drei in einer Tonne ins Meer geworfen, sie wünschen sich einen Palast etc. und überzeugen zum Schluss auch den König von dem Unrecht, das er gegen seine Tochter einst begangen hat.
Ähnlich verläuft dieses Märchen bei Bas. (1. Tag 3. Märchen I S. 43 ff.). Pervonto, dem Tölpel, wird von drei Feeensöhnen, denen er einen Dienst geleistet hat, die Wunschgabe verliehen. Er fliegt nun auf sei nem Reisigbündel an der Prinzessin vorbei, die ihn deswegen auslacht. Die beiden Knaben, mit denen die Prinzessin auf seinen Wunsch niederkommt, zeigen nach sieben Jahren bei Gelegenheit eines Gastmahls, das zu diesem Zwecke veranstaltet ist, dass sie den Tölpel als Vater anerkennen. Im übrigen verläuft das Märchen wie bei Strap.
Im Fær. (18 »Vatndríladrongurin« S. 306 ff.) bekommt der Bursche von einem gefangenen Fische für seine Freilassung neun Wünsche geschenkt. Er fliegt nun mit seinem Wassereimer auf seinen Wunsch durch die Luft und wird bei dieser Gelegenheit von der Prinzessin verspottet. Bei der Versammlung aller Männer reicht das von ihm der Prinzessin gewünschte Kind ihm einen Goldapfel. Zu der Hochzeit, die er später mit der Prinzessin festlich begeht, kommt auch, ohne das junge Paar wiederzuerkennen, der König. Ein Goldbecher wird vermisst und nachher beim Könige wiedergefunden. Dieser Becher ist in seinen Besitz gekommen, wie seine Tochter einst zu ihrem Kinde gelangte, d.h. durch einen Wunsch.
Das Märchen, wie es sich bei Müllenh. (XIV »Der faule Hans« S. 431 ff.), Grundtv. (9 »Ønskerne« I S. 117 ff.) und bei Kuhn (5 »Der dumme Michel« S. 270 ff.) findet, zeigt mit diesem færöischen Märchen grosse Übereinstimmung. In allen drei Märchen schenkt der gefangene Fisch die Wunschgabe, in den[416] beiden deutschen Erzählungen fehlt jedoch der erste Wunsch, dass der Wasserschemel, Wassereimer ihn durch die Luft trage. Bei Müllenh. wird gleich, nachdem der Knabe seinem Vater den Goldapfel gereicht hat, vom Könige die Hochzeit veranstaltet. In dem Märchen bei Kuhn sucht der Knabe seinen Vater aus allen Anwesenden hervor, reicht ihm aber ebensowenig wie im ersten isländischen Märchen einen Goldapfel. Der Schluss dieses Märchens stimmt insofern auch mit unserm ersten isländischen Märchen überein, als auch hier später, wie die Prinzessin Sehnsucht nach ihrem Vater hat, eine Brücke über das Meer zu ihm gewünscht wird. Auf dieser Brücke kehrt dann das junge Paar zum Könige zurück und klärt ihn über den Sachverhalt auf.
Im griechischen Märchen ist der Held kein Tölpel, sondern nur ein Mensch mit halbem Kopfe, halbem Körper etc. (Hahn 8 »Der halbe Mensch« I S. 102 ff.). Auch er bekommt seine Wunschgabe durch einen Fisch. Wie er mit dem Holze, mit dem auf seinen Wunsch sein Maultier beladen ist, heimreitet, spottet die Prinzessin über seine Erscheinung. Nachdem später das Kind ihm als seinem Vater einen Apfel gereicht hat, werden die drei in ein Fass gesteckt. Auf Veranlassung der Prinzessin wünscht der Halbe ihr immer alles, was sie verlangt. Der König wird nun durch einen Löffel, den er anscheinend gestohlen haben soll, des Unrechts gegen seine Tochter überführt und nimmt die Prinzessin wieder in Gnade auf. Die Königstochter wird mit einem vornehmen Mann verheiratet, und der Halbe bekommt eine schöne Sklavin des Königs zur Frau.
Die Käuflichkeit der Königstochter, durch die Skyrpokalatur zu seinem Ziele kommt, ist augenscheinlich aus einem andern Märchen herübergenommen worden. Denn der springende Punkt in dieser Erzählung ist ja, dass die Prinzessin durch einen Wunsch schwanger wird. Von dem Wunschstein, den Skyrpokalatur in seinem Wassereimer findet, wissen die isländischen Volkssagen (Árn. I S. 651–3) mancherlei zu erzählen. Solch ein Wunschstein spielt auch in der 13. Erzählung des Ssiddi-kür (ich zitiere hier nach Benf. I S. 211 ff.) eine wichtige Rolle, ebenso auch in einem Märchen des Pentamerone (Bas. 4. Tag 1. Märchen II S. 3 ff.).
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