CXXIV. Die Seeschafe.

[435] Árn. II. 500–5. Von Brynjólfur Jónsson auf Minnanúpur im Eystrahrepp.


Ein kluger, fleissiger Bauernsohn, namens Sigurður, wird von seinen ehemaligen Spielkameraden, zwei Königssöhnen, um seiner Tüchtigkeit willen beneidet. Um ihm grossen Schaden zuzufügen, brennen sie ihm seine Schmiede nieder. Sigurður nimmt nun zwei Säcke voll von der Asche und macht sich mit ihnen auf den Weg. Am Abend kommt er zu einem Gehöft, in dem ein Ehepaar die besten Schätze des Königs aufzubewahren hatte. Sigurður sagt, er sei ein Bote des Herrschers und habe in seinen beiden Säcken die grössten Kostbarkeiten. Aber es dürfe niemand hinein schauen, deshalb bäte er, ihm die Säcke für die Nacht sorgfältig aufzubewahren. Die Frau des Verwalters kann jedoch der Neugier nicht widerstehen. Wie sie die Säcke öffnet, sieht sie nichts wie Asche, die vom Winde nach allen Seiten hin verweht wird. Erschrocken sagt sie dies ihrem Manne. Um nun die Tat zu verdecken, füllen die beiden die Säcke mit Gold und Edelsteinen, mit denen dann Sigurður am andern Tage vergnügt abzieht. Den beiden dummen Königssöhnen erzählt er auf ihr neidisches Befragen, er habe diese Schätze für die Asche seiner Schmiede bekommen. Nun brennen diese auch ihre Schmiede nieder, bekommen aber für die zum Verkaufe ausgebotene Asche nur Hohn und Spott. Sie kommen nun zu Sigurður, um sich an ihm zu rächen. Dieser, der sie schon von weitem erkannte, nimmt einen Topf voll Goldstücke und streut diese im Stalle um seine Stute herum. Wie die Königssöhne über den Betrug klagen, sagt er, das sei ihre Schuld, denn sie hätten gewiss gleich gesagt, sie hätten Asche zu verkaufen, und darum hätten sie selbstverständlich keine Schätze bekommen. Während dieser Rede ist er zugleich beschäftigt, aus dem Mist Goldstücke aufzulesen. Die dämmen Königssöhne fragen nun, ob das Gold von dem Pferd sei. Wie er dies bejaht, lassen sie ihm keine Ruhe, bis er das Pferd für vieles Geld ihnen verkauft. Er sagt ihnen nun, sie sollten es einsperren und ihm nichts zu fressen geben – dann sollten sie nach einem halben Monat in den Pferdestall gehn, um das Gold zusammenzulesen.[436] Nach einer Woche sind die Prinzen neugierig. Sie schauen heimlich in den Stall und sehen das Tier am Boden liegen. Wie sie nach einem halben Monat das Gold holen wollen, ist das Pferd tot, und nur ein grossen Misthaufen ist vorhanden. Nun laufen sie wütend zu Sigurður. Da dieser schon auf ihr Kommen vorbereitet ist, so hat er schnell eine Rolle Butter und einen Holzklopfer genommen und ist dann in den Grasgarten gegangen. Beim Herannahen der Prinzen hat er schon mittlerweile rund um einen Erdhaufen Butter geschlagen und schlägt nun weiter tapfer darauf los. Jetzt bringen die Prinzen ihre Klage vor. Ja, meint er, daran sei natürlich wieder ihre Dummheit schuld! Sie hätten gewiss vor dem Verlaufe des halben Monats in den Stall hinein gesehen. Beschämt gestehen sie den Fehler zu. Auf ihr Befragen, was er jetzt beginne, sagt er, dass sein Klopfer die Eigenschaft habe, durch eifriges Schlagen einen Erdhaufen in Butter zu verwandeln. Für vieles Geld kaufen sie ihm jetzt diesen ab. Bei ihnen wird jedoch der Erdhaufen nicht zu Butter! Auf ihre Klage sagt Sigurður, sie hätten gewiss zwischen dem Schlagen Ruhepausen gemacht. Auch das müssen sie zugeben. Durch alle diese schlechten Erfahrungen sind nun aber die Prinzen so wütend auf den schlauen Burschen, dass auf ihre Bitte hin der König verspricht, ihn zu töten. Er macht sich sogar selbst in dieser Absicht zum Bauernhofe auf. Auch jetzt ist Sigurður auf sein Kommen vorbereitet und verabredet schnell einen Plan mit seiner Mutter. Wie der König ans Haus kommt, hört er gerade, wie der Bursche zu seiner Mutter sagt: »Nun will ich dich wieder jung machen, liebe Mutter.« Neugierig tritt er schnell in das Zimmer und sagt, das müsse er auch ansehen, und wenn es dem Burschen gelinge, so wolle er ihm das Leben schenken. Sigurður nimmt nun einen mit Luft gefüllten Sack und schlägt mit ihm seine Mutter. Darauf fällt diese zu Boden, doch sowie ihr Sohn sagt, sie solle nun aufstehn und sich schütteln, steht sie auf und schüttelt sich, so dass ihre alten Lumpen von ihr abfallen und sie nun, prächtig gekleidet, viel jugendlicher aussieht wie früher. Der König ist entzückt, gibt Sigurður noch den Zunamen slagbelgur und schenkt ihm das Leben. Zu Hause angekommen, will er nun sogleich die neue Kunst[437] probieren. Auf die Bitte seiner Söhne hin nimmt er deren alte Pflegemutter, an der sie sehr hingen, und schlägt mit einem Sacke voll Kieselsteinen auf die Alte ein. Doch diese vermag nachher nicht mehr aufzustehen und sich zu schütteln, denn sie ist von dem Schlage gleich getötet worden. Auch jetzt weiss Sigurður sich zu entschuldigen. Der König habe nicht aufgepasst, denn sonst würde er gesehen haben, dass sein Sack nur mit Luft gefüllt war. Nach einiger Zeit lässt der König Ochsen schlachten. Sigurður kommt zu ihm und bittet ihn um die Eingeweide. Was er denn mit ihnen machen wolle, fragt ihn der König. »Ich hänge sie einen halben Monat in die Küche«, sagt der Bursche, »den zweiten halben Monat hänge ich sie über mein Bett, hierauf schneide ich ein Loch hinein, setze ein Mundstück dort an und trinke aus den Eingeweiden früh morgens, wenn ich noch nüchtern bin. Wenn ich das getan habe, so weiss ich alles, was in der Erde und auf der Erde ist.« – Wie der König das hört, will er das gleiche Mittel probieren und gibt deshalb dem Burschen nur die Hälfte der Eingeweide. Nach einem Monat nimmt er dann früh morgens einen Trunk aus den nach Vorschrift vorbereiteten Därmen. Gleich darauf fühlt er sich so krank, dass er sich in das Bett legt und stirbt. Nun teilen die beiden Prinzen unter sich das Reich, geben aber ihrer Schwester, die im Gegensatze zu ihnen gut und klug war, nichts von der Erbschaft mit. Um sich an Sigurður zu rächen, da sie ihm den Tod des Vaters zuschreiben, ermorden sie ihm in seiner Abwesenheit die Mutter. Der Bursche nimmt die Leiche, schmückt sie auf das prächtigste und bindet sie auf ein Pferd. Hier begegnet er dem Rinderhirten der beiden Brüder mit seiner ganzen Herde. Durch die Ochsen, die neugierig herankommen, wird das Pferd mit der Leiche scheu, so dass die Frau aus dem Sattel fällt. Sigurður behauptet nun, die Kinder seien am Tode seiner Mutter schuld und wird so wütend gegen den Hirten, dass dieser sich so schnell wie möglich durch Flucht vor ihm rettet. Darauf begräbt er seine Mutter und treibt die Rinderherde seinem Gehöfte zu. Den neidischen Brüdern gegenüber behauptet er, die Rinder von einem benachbarten König für die Leiche seiner Mutter erhalten zu haben. Jetzt schlagen die[438] Königssöhne ihre Mutter tot und bieten sie dann dem gleichen König zum Verkaufe an. Von diesem werden sie natürlich mit Schimpf und Schande aus dem Reiche gejagt. Nun eilen sie wütend zu Sigurður, stecken ihn in einen Sack und hängen diesen an einem Bergabhange auf, damit er dort elend verhungere. Aber es ist dem Burschen gelungen, in aller Eile noch seine Harfe mitzunehmen. Sowie die Brüder weg sind, schlägt er diese aus Leibeskräften. Ein Schafhirte kommt und fragt, was er dort mache. »Lass mich in Ruh«, sagt Sigurður, »ich singe hier, um das Gold aus dem Felsen an mich zu locken.« Sowie der Hirte das hört, zieht er ihn herauf, nimmt ihm trotz seines Protestes die Harfe ab, steckt sich selber in den Sack und lässt sich am Berg hinuntergleiten. Sigurður versteckt sich und sieht, wie die Königssöhne bald darauf zurückkehren. Augenscheinlich ist ihnen unterwegs eingefallen, dass der schlaue Bursche auch aus dem Sacke noch Rettung finden könne. Sie schneiden deshalb das Seil durch, so dass der Sack ins Meer fällt. Dann gehen sie wieder fort. Nun macht sich Sigurður ganz nass und treibt die Schafherde an den beiden Königssöhnen vorbei. Auf ihre erstaunte Frage teilt er ihnen mit, dass unten am Fusse des Felsens eine Höhle voll von Schafen sei. Da er allein gewesen sei, habe er leider nur den kleinsten Teil der Schafe fortnehmen können. Daraufhin; haben die habgierigen Brüder keine Ruhe, Sigurður muss mit ihnen zum Felsen zurückgehen, um ihnen die Stelle zu zeigen. Der jüngere Bruder will zuerst hinabspringen und verspricht, den altern zu rufen, wenn in der Tat dort unten viele Schafe noch seien. Beim Sturze stösst er aus Angst aber gleich ein furchtbares Geschrei aus, so dass ihm der Bruder, der sich gerufen glaubt, sogleich nachspringt. Nun kehrt Sigurður, seiner bösen Verfolger ledig, nach Haus zurück, heiratet die Königstochter und wird König.

In den Manuskripten der Landesbibliothek finden sich noch zwei Varianten dieses Märchens. In der einen (Lbs 538 4 to) wird der Held, Ganti genannt, vom Könige selber verfolgt, weil er wider sein Verbot zu oft im Königreiche zu finden ist. Zur Strafe lässt ihm der König die Mutter töten. Die Leiche putzt der Sohn schön heraus und bringt sie zum Meeresstrande,[439] wo gerade ein Handelsschiff liegt. Hier setzt er sie so auf eine Bank, dass sie bei der leisesten Berührung ins Meer fallen muss. Dann geht er auf das Schiff zu den Kaufleuten. Nach einer Weile erklärt er, wieder an das Land zu müssen, denn seine Schwester, die dort auf der Bank sässe, habe ihm gewinkt. Die Kaufleute fragen, ob die Schwester schön sei. Als er dies bejaht, lassen sie ihm keine Ruhe, bis er ihnen die Schwester verkauft. Nun eilen sie mit ihm ans Land, um sich das Mädchen zu holen. Aber gerade wie sie sich ihrer bemächtigen wollen, stösst Ganti heimlich an die Bank, so dass die Leiche ins Meer fällt. Jetzt behauptet er, die Kaufleute seien die Mörder seiner Schwester, und erst durch vieles Gold lässt er sich beruhigen. Der König, der daraufhin mit der Leiche seiner Mutter kommt, wird von den Kaufleuten mit Schimpf und Schande fortgejagt. Jetzt wird zur Strafe Gantis beste Kuh getötet. Er füllt die Haut mit halbfeuchtem Mist, bindet sie zu und bietet Kaufleuten die Wolle zum Verkauf an, die in der Kuhhaut enthalten sei. Sowie er sein Geld erhalten hat, macht er sich aus dem Staube. Der König erhält für die Häute von zehn Kühen, die er töten lässt, wiederum nur Spott und Hohn. Ganti wird nun von ihm in eine Kiste gesteckt und ins Meer geworfen. Sowie er merkt, dass die Flut ihn wieder ans Land getragen hat, fängt er aus Leibeskräften an zu singen. Auf die Frage eines herbeieilenden Viehhirten sagt Ganti, dass er ein Engel vom Himmel sei, herabgeschickt, um ihn selig zu machen. Wie der Hirte neugierig die Kiste öffnet, stösst ihn Ganti hinein und schiebt ihn weit in das Meer hinaus. Dann treibt er die Herde zu seinem Gehöft. – Nun muss er den König mit seinem Hofstaate auf das Meer fahren, um ihnen die Stelle zu zeigen, wo er die Seerinder gefunden hat. Einer nach dem andern der Hofherren springt ins Wasser, um nur ja viele Rinder zu bekommen, bis endlich Ganti mit dem Könige allein im Boote ist. Jetzt bedroht er den König, so dass er ihm schliesslich die Tochter und die Hälfte des Reiches versprechen muss.

Die andere Variante (Lbs. 536 4 to von Páll Pálsson in Árkvörn 1863/4 nach der Erzählung von Guðríður Eyolfsdóttir niedergeschrieben) folgt mehr dem von Árn. überlieferten[440] Märchen. Hier sind es wieder zwei Königssöhne, die auf die Geschicklichkeit eines benachbarten Schmiedes eifersüchtig sind und ihm deshalb die Schmiede niederbrennen. Mit dem Sack voll Asche bekommt der Schmied Quartier auf einem Herrenhofe. Am anderen Morgen behauptet er, seine im Sack enthaltenen Kostbarkeiten seien durch das Hineinschauen zu Asche geworden. Infolgedessen bekommt er den Sack mit Gold gefüllt. Für die Leiche seiner Mutter, die ihm darauf getötet wird, erhält er auf die gleiche Weise wie bei Árn. eine Rinderherde. – Nachdem sie ihn in den Sack gesteckt haben, werden die Königssöhne hungrig und gehen in eine Herberge, während der Sack am Waldesrande liegen bleibt. Dem Viehhirten gegenüber behauptet der Schmied, er sei zu seinem Vergnügen im Sack, und so lässt sich dieser für ihn hineinstecken.

Dieser Schwank, der in den verschiedensten Variationen in fast alle Märchensammlungen übergegangen ist, ist neben dem Lügenmärchen wohl die älteste Erzählung, die wir in Deutschland literarisch nachweisen können. Er findet sich in den lateinischen Gedichten des 10. und 11. Jahrhunderts (Grimm und Schneller S. 354 ff.) und erzählt von einem Bauern Unibos (weil er nur einen Ochsen besitzt). In diesem Schwank haben wir schon die Hauptzüge des Märchens, d.h. also den angeblich hohen Verkauf der Kuhhaut, die Trompete, die Tote erwecken soll und die zugleich verjüngt, ferner das goldgebende Pferd und schliesslich den Tausch mit dem Schweinehirten, der mit der Tonne sich ins Meer werfen lässt, »um Propst zu werden«. – – –

Bei Strap. (1. Nacht, 3. Fabel S. 46 ff.) wird einem Geistlichen von drei Schelmen weisgemacht, dass sein Maultier ein Esel sei. Um sich zu rächen, verkauft er ihnen eine Ziege, die angeblich Bestellungen ausrichten soll, und dann ein Horn, das zum Leben zurückerweckt. Zur Strafe soll er in einen Sack gesteckt und im Flusse ertränkt werden. Ein Schäfer nimmt seinen Platz im Sack ein, »um die Tochter eines vornehmen Herrn zu heiraten«. Da die drei Schelme ebenso wie er Schafe aus dem Fluss sich holen wollen, lassen sie sich gleichfalls von ihm im Sack in das Wasser werfen. –

In der sizilianischen Sammlung finden sich zwei hierhin gehörige Märchen. Der listige Schuster (Gonz. 70 II S. 78 ff.)[441] betrügt vier Räuber mit einem »Goldesel«, einer Guitarre, die Tote erweckt, und einem Hunde, der Bestellungen ausrichtet. Wie die Räuber, die ihn zur Strafe in einen Sack gesteckt haben, unterwegs eine Messe anhören, veranlasst der Schuster einen Schweinehirten, an seiner Stelle in den Sack zu kriechen, »um die Königstochter zu heiraten«. Die Räuber wollen nun gleichfalls im Meere sich Schweine holen. Auf ähnliche Weise verläuft bei Gonz. das folgende Märchen (71 »Von Sciauranciovi« II S. 84 ff.). Hier beschwindelt der Held einen dummen Edelmann mit einem Esel, der harte Taler von sich gibt, einem Topfe, der von selber kocht und einem Kaninchen, das Bestellungen ausrichtet. Wie er im Sack steckt, tauscht mit ihm der Schafhirt, »der die Königstochter heiraten will«. – Im griechischen Märchen rächt sich durch Verkauf eines angeblichen Goldesels und einer Pfeife, die zum Leben erweckt, ein Priester an einigen Schelmen, die ihn zuerst angeführt haben. Wie er ertränkt werden soll, nimmt der Schäfer, »der gern die Prinzessin heiraten möchte«, seinen Platz ein (Hahn 42 »Der Priester und der Bartlose« I S. 249 ff.).

Bei Cosquin werden allein vier Märchen erzählt, die diesen Stoff behandeln (10 »René et son seigneur« I S. 108 ff., 20 »Richedeau« I S. 223 ff., 49 »Blancpied« II S. 124 ff und 71 »Le roi et ses fils« S. 282 ff.). Wir haben in diesen Märchen dreimal einen angeblichen Goldesel oder ein Goldpferd (Nr. 10, 49 und 71), zweimal einen selbstkochenden Kessel (Nr. 10 und 49) und ausserdem noch zweimal eine Pfeife, die Tote erwecken soll (Nr. 10 und 20). Im Märchen »Richedeau« findet sich dann noch der Zug von der so hoch verkauften Kuhhaut, wodurch der dumme Gutsherr veranlasst wird, alle seine Kühe totzuschlagen. Drei dieser Märchen schliessen wie gewöhnlich mit dem Sack oder Kasten, in dem ein Hirte an Stelle des Helden hineinkriecht, das vierte Märchen schliesst mit einem Rätsel, das der Schelm seinem Gläubiger aufgibt und für dessen Lösung ihm die Schulden erlassen werden.

Im irischen Märchen (Jac. II »Hudden and Dudden« S. 47 ff.) töten die habsüchtigen Nachbarn einem Armen die einzige Kuh. Das Fell gibt dieser für einen Wundersack aus, in dem immer Geld sei. Er bekommt deshalb die Kuhhaut hoch bezahlt und[442] veranlasst dadurch seine Nachbarn, alle ihre Kühe zu töten. Danach soll er im Sack ertränkt werden, doch ein Hirte lässt sich von ihm betören und in den Sack hineinstecken, während die neidischen Nachbarn gerade im Wirtshaus sich gütlich tun. – – –

Das deutsche Märchen (Grimm 61 »Das Bürle« I S. 249 ff.) erzählt in seiner Einleitung, wie ein armes Bäuerlein durch List zu einer Kuh gelangt, nachher diese aber töten musste und dann das Kuhfell als einen Wahrsager teuer verkaufte (in dieser Episode stimmt die Erzählung mit unserem folgenden Märchen überein). Danach schlagen die Bauern alle ihre Kühe tot. Da sie für die Kuhhäute nichts Ordentliches bezahlt bekommen, soll das Bäuerlein zur Strafe in einem durchlöcherten Fasse ins Wasser gerollt werden. Der Schafhirte überlässt ihm für den Platz im Fasse seine Schafe, denn »er möchte gern Schultheiss werden«. – – –

Bei Müllenh. finden sich zwei Märchen, die hierhin zu zählen sind. »Vater Strohwisch« (XXIII S. 459 ff.) wird zuerst von Schelmen betrogen. Danach betrügt er sie wieder mit einem Wolfe, den er als Ziegenbock verkauft, einem Goldpferde und einer Belebungspfeife. Wie die Betrogenen sich schliesslich an ihm rächen wollen, glauben sie, er habe sich selber erhängt und laufen entsetzt fort. Im folgenden Märchen (XXIV »Die reichen Bauern« S. 461 ff.) ist der Held ein armes Bäuerlein, dem von seinen Nachbarn die einzige Kuh totgeschossen wird. Er bekommt von einem Diebe die Hälfte eines Raubes und behauptet nun, dieses Geld für die Kuhhaut bekommen zu haben. Die geprellten Bauern schlagen an seiner Stelle seine Grossmutter tot. Die alte Frau, die scheinbar Äpfel verkaufend auf einem Wagen sitzt, glaubt ein Jude zu Tode gestossen zu haben, so dass er das Schweigen des Bauern für schweres Geld erkauft. In der Tonne, in die ihn die Bauern gesteckt haben, nimmt der Schafhirte seinen Platz ein, »um die Prinzessin zu heiraten«.

Das norwegische Märchen »Store-Peer og Vesle-Peer« (Asbj. 53 S. 275 ff.) zeigt die bekannten Züge, d.h. den Verkauf einer Kalbshaut als Wahrsager, dann den angeblichen Leichenverkauf und schliesslich den Wechsel, den ein Schafhirte mit dem im Sacke steckenden Mann eingeht, da er gerne in das[443] Himmelreich, ins Paradies kommen möchte. – Ein wenig verändert wird bei Asbj. das ebenfalls hierhin zu rechnende Märchen »Peik« (101 II S. 215 ff.) erzählt. Ein Bauernbursche beschwindelt einen König mit einem Pferde, einen selbstkochenden Topfe und einem Belebungshorn. Danach wechselt er die Kleider mit seiner Zwillingsschwester und kommt als Mädchen an den Hof des Königs. Hier schwängert er die beiden Prinzessinnen und entgeht selbst nur mit Not der Hochzeit mit einem Königssohne der sich in das angebliche Mädchen verliebt hat. Wie er zur Strafe ins Meer gerollt werden soll, tauscht ein reicher Mann mit ihm und überlässt ihm für das versprochene Himmelreich all sein Hab und Gut. Nun will der König das gleiche Glück haben und lässt sich ebenfalls in eine Tonne stecken.

Auch auf den Fær-oern gibt es zwei Märchen von diesem Typus. »Gabbi« (Fær. 22 S. 329 ff.) verkauft zuerst seine Kuhhaut als Wahrsager, danach erhält er angeblich Geld für die Mutter, die an seiner Stelle von den geprellten Bauern erschlagen worden war. Der Kuhhirte steigt für Gabbi in den Sack, da ihm Gabbi weismacht, es sei etwas Schönes in ihm zu sehen. Gabbi behauptet dann nachher den Bauern gegenüber, Gottes Engel hätten ihn gleich aus dem Wasser wieder in die Höhe gehoben, so dass er nicht einmal nass geworden sei. Aber das würden sie natürlich bei den Bauern nicht tun! Um ihm das Gegenteil zu beweisen, lassen sich die Bauern im Sacke ins Meer werfen. – – In der folgenden Erzählung (Fær. 22 »Blóðbløðran« S. 329 ff.) lässt ein Bursche sich weismachen, dass sein Pferd ein Maulesel sei. Diese Schelme beschwindelt er hierauf mit einer Belebungspfeife. Wie er im Sacke sitzt, tauscht ein Schlächter mit ihm, »um in das Himmelreich zu kommen«.

Dies sind die Märchen, die ich aus den verglichenen Sammlungen anführen kann. Weitere Nachweise geben noch die Anmerkungen bei Cosquin, Gonz. und Grimm. Köhler bespricht gleichfalls in den »Kleinen Schriften« (S. 92 und 233 ff.) dieses Märchen auf das ausführlichste.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 435-444.
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