CXXV. Der listige Böttchermeister.

[444] Lbs. 536 4 to. Von Páll Pálsson in Árkvörn nach der Erzählung der alten Frau Guðríður Eyolfsdóttir 1863/4 niedergeschrieben.


Es waren einmal zwei Brüder, der eine hiess Theodor, der andere Ivar. Beide waren Böttchermeister. Theodor war sehr reich, aber auch neidvoll und geizig. Ivar war arm und stak voller Schulden. Als einst die beiden gemeinsam mit ihren Waren zur Kaufstadt zogen, konnte Theodor neun Pferde beladen, Ivar aber nur ein einziges. Theodor hätte nun gern den Anschein erweckt, als ob alle Pferde ihm gehörten, deshalb musste Ivar hinterhergehen und die Pferde antreiben. Wenn ihnen nun Leute begegneten und fragten, wer der Besitzer von den zehn Pferden sei, so sagte Theodor stolz: »Das sind alles meine Pferde«. Manche glaubten das aber nicht recht und meinten, dass doch wenigstens ein Pferd dem Bruder gehören müsste. Darüber wurde Theodor schliesslich so böse, dass er mit einem Beile Ivars einziges Pferd erschlug. Dann ging er mit seinen neun Pferden allein zur Kaufstadt. – – Ivar zieht nun seinem toten Pferde die Haut ab, trocknet sie und macht aus ihr einen Sack. Den nimmt er mit seinen Waren auf den Rücken und wandert auch seinerseits der Kaufstadt zu. Da er halbwegs müde und hungrig wird, kehrt er in einem Wirtshaus ein, das gerade an der Strasse liegt. Der Wirt ist nicht daheim, und seine Frau kümmert sich durchaus nicht um den bescheiden aussehenden Gast. Mit Freude und Herzlichkeit eilt sie aber einem jungen Manne entgegen, der kurz nach Ivar ins Haus tritt. Sie führt ihn sogleich ins Nebenzimmer, während sie den Gast seinem Schicksal überlässt. In der Türe zwischen den beiden Zimmern ist aber ein Fenster. Durch dieses kann Ivar unbemerkt beobachten, wie die Wirtin und der Fremde sehr zärtlich miteinander sind, und wie sie nachher an einen festlich geschmückten Tisch sich hinsetzen, auf dem unter andern Leckerbissen Beefsteak und Fisch dem hungrigen Ivar besonders verlockend erscheinen. In diesem Augenblicke wird draussen stark an die Türe geklopft. Die Wirtin versteckt schnell die delikate Mahlzeit in den Ofen, und der Fremde kriecht erschrocken unters Bett. Nun eilt die[445] Wirtin, die Türe zu öffnen. Ihr Mann steht draussen und ist augenscheinlich sehr ungehalten, so lange warten zu müssen. Die Frau weiss ihn jedoch durch Schmeichelworte und Liebkosungen zu besänftigen. Nach kurzer Zeit tritt nun der Wirt zu Ivar und fragt nach dessen Begehr. Dieser bittet um Beefsteak und Fisch. Der Wirt erklärt: ihm, dass solche Leckerbissen nicht in seinem Hause seien und dass er sich da wohl mit einem einfachen Mahle begnügen müsse. In diesem Augenblicke tritt Ivar auf seine Pferdehaut, die unter dem Tische liegt, so dass sie laut kracht. Dann sagt er zu dem Manne, er habe einen Wahrsager unter dem Tische, und der versichere ihm, dass Beefsteak und Fisch im Hause seien. Der Wirt solle nur im Nebenzimmer im Kachelofen nachschauen. Zweifelnd geht dieser dorthin und findet wirklich die gewünschten Leckerbissen. Während Ivar sich an dem Mahle erquickt, tritt er in einem fort heimlich auf den Sack und sagt halblaut: »Nein, das kann ich nicht glauben, das ist sicher nicht wahr! Du hast mich zwar sonst noch nie belogen, aber das kann doch nicht wahr sein!« usw. Wie der Wirt diese halblaute Rede und dazwischen immer das Knarren hört, wird er von brennender Neugier ergriffen. Er bittet Ivar auf das inständigste, ihm mitzuteilen, was nun sein Wahrsager ihm berichte. Doch der weigert sich und sagt, das könne er ganz unmöglich. Der Wahrsager habe ihn zwar noch nie getäuscht, aber was er nun von ihm höre, sei doch derartig, dass er es unmöglich dem Wirt erzählen könne. Doch der Mann dringt immer heftiger in ihn ein, und so sagt Ivar schliesslich: »Mein Wahrsager erzählt mir soeben, dass in eurer Abwesenheit ein junger, eleganter Mann zu eurer Frau gekommen ist. Für ihn waren die Leckerbissen bestimmt, und mit ihm wollte sie nachher auch zusammen schlafen. Wie ihr unvermutet heimkehrtet, hat die Frau das Essen im Ofen, den Liebhaber aber unter dem Bett versteckt.« Über diese Kunde wird der Wirt so wütend, dass er Ivar zu ermorden droht. Er wäre überzeugt, dass das nicht wahr sei, er wolle ihm beweisen, dass niemand unter dem Bett versteckt sei. Damit geht er ins Nebenzimmer und findet hier zu seinem Erstaunen den eleganten jungen Mann zitternd unter dem Bett liegen. Den ertappten[446] Liebhaber verhaut er fürchterlich und wirft ihn dann zum Hause hinaus. Nun will er um jeden Preis Ivar den kostbaren Wahrsager abkaufen. Lange Zeit will der aber auf den Handel nicht eingehen, bis er schliesslich ihm die Pferdehaut nach langem Drängen für einen Scheffel Gold überlässt. Der Wirt schickt sogleich zu Theodor, um von diesem ein Scheffelmass zu leihen, er müsse einem Böttchermeister Ivar einen Scheffel Gold bezahlen. Erstaunt gibt er das verlangte, schmiert aber Leim in die Fugen, um zu sehen, ob der Wirt mit dem Masse wirklich Gold messen will. Wie er das Scheffelmass zurück bekommt, ist tatsächlich ein Goldgulden hängen geblieben. Nun geht Theodor zu seinem Bruder und fragt ihn, wofür er denn einen Scheffel Gold erhalten hätte. Ivar behauptet, er habe das Gold von einem Kaufmann in der Stadt für seine Pferdehaut bezahlt bekommen. Wie Theodor das hört, schlägt er seine neun Pferde tot und bietet ihre Haut für einen Scheffel Gold das Stück zum Verkauf an. Aber niemand will ihm zu dem Preise die Haut abnehmen, und so hat er zum Schaden auch noch den Spott. – – – Um sich an Ivar zu rächen, sucht der junge Elegant mit des Böttchers Frau eine Liebschaft anzufangen. Aber diese erzählt es sogleich ihrem Manne. Ivar rät ihr, scheinbar auf die Bewerbungen einzugehen, er wolle dann schon für das Weitere sorgen. Die Frau bestellt also den jungen Elegant eines Abends zu sich, denn ihr Mann sei nicht zu Hause. Dieser folgt denn auch gern der Einladung. Auf die Aufforderung der Frau zieht er seine Kleider aus und legt sich ins Bett. Wie die Frau sich eben entkleiden will, wird draussen heftig an die Türe geklopft. »Das ist mein Mann«, sagt die Frau ganz erschrocken. »Damit er dich nicht findet, gehst du am besten oben die Treppe hinauf in seine Werkstatt und versteckst dich in das grosse Ohmfass, das beinahe fertig ist. Sowie mein Mann dann eingeschlafen ist, lasse ich dich heraus.« Während der junge Mann zitternd vor Angst und Kälte sich oben im Fasse verkriecht, öffnet die Frau ihrem Manne die Türe. Ivar tritt scheltend ein und meint, das wäre eine saubere Wirtschaft, sich schon so früh abends schlafen zu legen! Arme Leute wie sie müssten bis spät in die Nacht arbeiten,[447] wenn sie es zu etwas bringen wollten. Mit diesen Worten geht Ivar in seine Werkstatt hinauf, um wenigstens vor dem Schlafengehen noch das grosse Ohmfass fertigzumachen. Er nagelt den bereitliegenden Deckel auf dasselbe und rollt es dann die Treppe hinunter, um es draussen vor dem Hause zum Verkaufe auszustellen. Dann legt er sich schlafen. – – Am anderen Morgen gelingt es dem jungen Manne, sich im Fasse ein Loch zu machen, einige Finger hindurchzustecken und so die Aufmerksamkeit eines Vorübergehenden zu erregen. Er fleht diesen an, zu Ivar ins Haus zu gehen und um jeden Preis das Fass zu erwerben. Er wolle es ihm nachher schon reichlich lohnen. Der Mann geht dann auch ins Haus und erhandelt schliesslich das Fass für hundert Reichstaler. Schnell eilt er nach Haus, um das Geld zu holen. In dieser Zeit aber setzt Ivar ein gleiches, leeres Fass an die Stelle des ersten. Nun kommt der Mann zurück, zahlt das Geld und rollt das Fass nach Haus, während Ivar das Fass mit dem jungen Elegant wieder vor die Türe setzt. Wie der Käufer das Fass öffnet, ist niemand darin. Schnell eilt er zu Ivar zurück. Hier fleht ihn aus dem Fasse der junge Mann wiederum an, noch einmal den gleichen Kauf zu tun, selbst wenn er noch viel mehr zahlen müsse. Aber er dürfe dann nicht weggehen, da der Böttcher das Fass sonst wieder umtauschen würde. Für zweihundert Reichstaler geht Ivar schliesslich auf den Kauf ein. Der Mann rollt das Fass jetzt sogleich nach Hause, öffnet es und ist sehr erstaunt, hungernd und frierend einen Mann nur mit einem Hemde bekleidet dem Fasse entsteigen zu sehen. Nach dieser Zeit soll der junge Elegant aber nie wieder Ivars Frau nachgestellt haben!

Mit dem ersten Teile unseres Schwankes zeigt am meisten Übereinstimmung das bekannte Andersensche Märchen: »Der kleine Klaus und der grosse Klaus.« Hier erschlägt der reiche Bruder das einzige Pferd des armen jedoch nicht, weil die Leute seinen Worten nicht Glauben schenken, sondern deswegen, weil der kleine Klaus beim Pflügen mit den vier Pferden seines Bruders und seinem einzigen Pferde mit Stolz immer ausruft: »Hü, alle meine Pferde«. – – Der Verkauf der trockenen. Haut als Wahrsager (in den meisten Fällen ist es[448] eine Kuhhaut) findet sich in einer grossen Anzahl der Märchen, die ich im vorhergehenden Märchen »Die Seeschafe« besprochen habe. Hierhin gehört von den Fær-oern »Gabbi« (Fror. 21 S. 318 ff.), aus Norwegen »Store-Peer og Vesle-Peer« (Asbj. 53 S. 275 ff.), aus Schleswig-Holstein »Die reichen Bauern« (Müllenh. XXIV S. 461 ff.), aus Deutschland »Das Bürle« (Grimm 61 S. 249 ff.), aus Irland »Hudden and Dudden« (Jac. II S. 47 ff.) und aus Lothringen »Richedeau« (Cosquin 20 I S. 223 ff).

Die Geschichte von dem Gaste, der heimlich beobachtet, wie eine Frau ihren Liebhaber festlich bewirtet und dann nachher vor dem unvermutet heimkehrenden Manne alles versteckt, bis durch die deutlichen Anspielungen des Gastes die Speisen und der Liebhaber entdeckt werden, wird auch für sich stehend in einem altdeutschen Schwanke erzählt (Gesamt. LXI »Der geäffte Pfaffe« III S. 145 ff). Von der Hagen bemerkt in der Einleitung (III S. XXIX), dass dieser Schwank vielfache Bearbeitungen und Variationen erfahren habe. Auch Hans Sachs hat diesen Scherz dramatisch bearbeitet. Bei Cosquin findet sich gleichfalls dieser Schwank (79 »Le corbeau« II S. 329 ff.), hier freilich nur in einer sehr schlechten Überlieferung.

Was den zweiten Teil unseres isländischen Schwankes anbetrifft, so hat dieser sicher ursprünglich nicht zu der Erzählung gehört, sondern ist erst später lose mit ihr verknüpft worden. Eine direkte Parallele zu der Geschichte von dem Liebhaber in der Tonne habe ich in den verglichenen Märchen- und Schwanksammlungen nicht finden können. Mancherlei ähnliche Züge weist folgende Erzählung bei Straparola auf: Ein Priester verfolgt die Frau eines Heiligenschnitzers mit Liebesanträgen. Diese vertraut sich ihrem Manne an, und auf seinen Rat ladet sie den Liebhaber zu sich. Wie er schon entkleidet im Bette liegt, kommt der Heiligen Schnitzer zurück. Da er sich nicht anders retten kann, rät ihm die Frau, auf ein Postament zu steigen und die ganze Nacht hindurch, während das Ehepaar im Bette liegt, Christus am Kreuz vorzustellen. Am folgenden Morgen wollen einige Nonnen den vermeintlichen Christus für ihr Kloster kaufen. Da sie ihn noch etwas anstössig finden,[449] stellt sich der Bildschnitzer an, als wenn er ihn kastrieren wolle, worauf der Priester entsetzt seine Rolle aufgibt und entflieht (9. Nacht, 4. Fabel II S. 196 ff.).

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 444-450.
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