XXXIX. Fóa Feykiróa.

[169] Lbs. 538 4 to.


Eine alte Frau hat zwei Söhne. Den einen liebt sie sehr und hat ihn deshalb immer bei sich in der Speisekammer, wo sie ihm die besten Bissen zusteckt. Deshalb wird er Smjörbitill genannt. So fett wie der Lieblingssohn, ebenso mager ist der. »Ellenbogensohn« Gulltanninn. Der sitzt immer draussen vor der Türe, beobachtet alle Leute, die ins Haus wollen und schreit ihnen entgegen. Einst ruft er Smjörbitill zu, er solle sich schleunigst unter einen grossen Kessel verstecken. Denn die Riesin Feykiróa, die in der Nähe in einer Höhle wohnt, käme geradewegs auf das Gehöft zu, um ihn zu holen. Die Riesin kommt, lässt den mageren Gultanninn draussen sitzen und durchsucht das Haus, bis sie endlich Smjörbitill findet und ihn in den Sack steckt. Unterwegs, als die Riesin einmal den Sack beiseite stellt und nicht beachtet, gelingt es dem Knaben zu entkommen und an seiner Stelle Steine in den Sack zu legen. Doch am andern Tage holt die Riesin ihn schon wieder. Noch einmal entwischt er auf die gleiche Weise. Am dritten Tage jedoch, als er sich unter den Rock seiner Mutter verkrochen hat, wird er wieder in den Sack gesteckt und ohne Aufenthalt in die Höhle der Riesin getragen. Hier sperrt sie ihn in einen Stall und füttert ihn gut. An jedem Abend muss er den kleinen Finger hinausreichen, in den sie dann hineinbeisst, um zu sehen, ob er fett genug ist. Endlich ist sie mit dem Resultate zufrieden und sagt eines Morgens ihrer Tochter, sie solle den Burschen schlachten und kochen. Sie selbst wolle mittlerweile alle ihre Freunde zum Mahle zu sich bitten. Wie das Riesenmädchen den jungen Burschen aus dem Stalle lässt, gelingt es diesem, sie zu überwältigen und sie an seiner[169] Stelle zum Mahle zu bereiten. Er selbst zieht ihre Kleider an und wischt sich Asche durchs Gesicht, so dass er unkenntlich ist. Nun kommt die Riesin mit ihren Grasten heim, und alle essen und trinken jetzt nach Herzenslust. Mittlerweile hat Smjörbitill vor der Höhlentüre einen grossen Scheiterhaufen aufgeschichtet und angezündet. Dann läuft er nach Hause. Am folgenden Tage macht er sich mit der Mutter und seinem Bruder auf, um die Höhle zu durchsuchen. Hier finden sie nun alle Riesen erstickt. Sie verbrennen die Leichen und schleppen die Schätze vergnügt nach Hause.

Mit diesem Märchen, selbst in den Namen, fast völlig übereinstimmend ist eine Erzählung bei Asbj. (52, »Smørbuk« S. 271 ff.). Auch hier wird der Sohn, weil er so fett ist, Smørbuk genannt. Guldtand heisst der Hund, der durch Bellen das Kommen der Riesin verkündet. Dreimal steckt diese Smørbuk in ihren Sack. Zweimal entwischt er glücklich, das dritte Mal wird er jedoch zur Höhle gebracht und soll geschlachtet werden. Statt dessen schlachtet Smørbuk die Tochter und kocht sie, dann erschlägt er die Unholdin mit ihren Gästen. – – – Auch auf den Fær-oern wird dieses Märchen ähnlich erzählt – nur der Schluss weicht etwas ab. (Fær. 12, »Stenbuk« S. 277 ff.). Die Riesinnen (hier sind es drei) wollen nämlich jedesmal den im Sack gefangenen Stenbuk durch den Rauchfang (ljóari) in den Kessel werfen. Zweimal prasselt jedoch statt des Knaben ein solcher Steinregen hinunter, dass der Kessel unbrauchbar wird. Das rettet Stenbuk, wie die dritte Riesin ihn glücklich heimbringt, das Leben, und nun soll er die Kühe hüten. Jetzt gelingt es ihm durch List, alle drei Riesinnen zu töten.

Die ganze Episode von dem Menschen, der vom Riesen gefangen gehalten wird, und der nachher an seiner Stelle die Tochter tötet und kocht und dann sich als Mädchen verkleidet, kam in »den drei Kostbarkeiten des Königs« schon zweimal vor. Auch Asbj. verwendet das gleiche Motiv noch einmal in dem Märchen »Om Askeladden, som stjal Troldets Sølvænder« (1, S. 1 ff.). Ein japanisches Märchen (Brauns »Der Hase und der Tanuki« S. 33 ff.) erzählt ferner die gleiche Episode. Der gefangene und gebundene Tanuki (eine Art Fuchs), der gegessen[170] werden soll, überredet durch Last die Frau, dass sie ihn loslöst. Darauf tötet er sie und macht aus ihr für den Gatten das Mittagessen. Nachdem er durch Zauberkraft seine Gestalt änderte, zieht er die Kleider der Ermordeten an und spielt ihre Rolle.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 169-171.
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