LIV. Der dankbare Zwerg.

[226] Lbs. 537 4 to.


Ein Bauernsohn, namens Gigur, wird von heftiger Liebe zur schönen Königstochter erfasst. Auf den Rat seiner vielkundigen Mutter besucht er einen ihr befreundeten Mann und bleibt längere Zeit bei ihm. Vor Weihnachten ist stets ein grosser Verkauf im Schlosse, den der König mit den Seinigen selbst leitet. Dorthin geht auch Gigur mit seinem Wirte. Während dieser von der Königstochter etwas kauft, schauen die beiden jungen Leute einander unaufhörlich an. Die Königstochter erkundigt sich angelegentlich nach Gigur und schenkt ihm schliesslich zum Abschied einen Ring. Wie der König das erfährt, wird er so wütend, dass er zwanzig Leute ausschickt, um den Burschen zu töten. Auf den Rat der Mutter versteckt sich Gigur in den Wald. Die Leute können ihn nicht finden und kehren unverrichteter Sache wieder heim. Am folgenden Tage kommen vierzig Männer, ihn zu suchen – doch wieder vergeblich. Am dritten Tage, als der König sechzig Leute gegen ihn ausgeschickt hat, rät ihm die Mutter, lieber das Königreich zu verlassen. Er geht nun weit fort, bis er sich endlich ermüdet an einem Wasserfall niedersetzt. Da sieht er aus einem Steine einen kleinen Knaben herauskommen, um Wasser zu holen. Gigur schenkt ihm den Ring, den die Königstochter ihm gegeben hat. Kurze Zeit nachher kommt ein Zwerg zu ihm und bedankt sich bei ihm, weil er seinem Sohne solch schönes Geschenk gemacht habe. Das habe vor ihm noch keiner getan, und so wolle er ihn jetzt dafür reichlich belohnen. Gigur erhält nun allerhand Zaubergaben: eine Rüstung, die keine Waffe durchdringen kann, ein Schwert, das alles durchschneidet, Handschuhe, die dem Träger unüberwindliche Kraft geben, ein prächtiges Pferd und schliesslich noch einen Speer. Der letztere hat die merkwürdige Eigenschaft, seinen Besitzer überaus hässlich zu machen, sowie er auf ihm einen schwarzen Streifen bestreicht. Wünscht er dagegen zum schönsten Manne zu werden, so braucht er nur den roten Streifen zu berühren, der auch auf dem Speere sich befindet. – – Auf den Rat des Zwerges reitet Gigur sogleich[227] heimwärts und kommt gerade noch zur rechten Zeit, um seine Mutter zu befreien. Diese soll von achtzig Leuten des Königs verbrannt werden, da sie nicht sagen will, wohin ihr Sohn sich versteckt hat. Gigur tötet alle und reitet dann zum Schlosse. Hier fordert er den König zum Zweikampfe heraus, andernfalls müsse er ihm seine Tochter zur Frau geben. Der König hat aber vor der Tapferkeit des Burschen solchen Respekt bekommen, dass er ihn lieber noch als Schwiegersohn annimmt. Der dankbare Gigur trägt nun dem Zwerge noch eine Menge Gold und Edelsteine zu seiner Wohnung.

Diese kleine, herzlich unbedeutende Erzählung weist einige unklare Stellen auf, denn erstens wird nicht motiviert, weshalb Gigur dem Zwergenknaben das Kleinod schenkt, das ihm doch die Geliebte gegeben hatte, zweitens scheint die Dankbarkeit des Zwerges übertrieben im Verhältnis zu der ihm ungefragt erwiesenen Wohltat, und drittens ist von einem Speere und seinen wunderbaren Eigenschaften die Rede, ohne dass dieser im Laufe der Erzählung irgend eine Rolle spielt. – Zu diesem Speere ist in einem gälischen Märchen Campbells ein Kamm zu vergleichen (Köhler, Kl. Schr. S. 177). Je nachdem man sich mit der einen oder andern Seite desselben kämmt, macht er schön oder hässlich.

Die Handschuhe, die unüberwindliche Stärke verleihen, erinnern an Þórs Handschuhe.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 226-228.
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