9.

[179] Zwei Männer von L. waren einmal auf einem Jahrmarkte und sahen einen Mann, der hatte einen lebendigen Bären in einem Käfige, zeigte ihn den Leuten und bekam dafür viel Geld. Als sie heimgingen, sagte der Eine: »Gevatter, wie wär' es denn, wenn wir auch einen Bären fingen?« »Das wäre nicht übel«, meinte der andere; »aber wo ist einer zu finden?« Und der andere erwiederte: »Nun, es wird sich wol Einer finden, wir müssen halt suchen!«

Am nächsten Morgen früh gingen sie auf die Jagd und wurden wirklich eines Bären ansichtig, der vor ihnen floh und in seine Höhle kroch. Sie beriethen, was da zu thun sei. »Höre, Gevatter«, sagte der Eine, »ich will in die Höhle kriechen und den Bären fassen, dann packe mich an den Füssen und zieh mich sammt dem Bären heraus.« Nun kroch er hinein, der Bär aber riss ihm den Kopf ab. Der Andere zog ihn heraus und erstaunte sehr, als er den Gevatter ohne Kopf sah. »Aha«, sagte er endlich, »ich möchte fast wetten, er hat ihn heute früh zu Hause vergessen, ich will doch sein Weib fragen.« Er lief nach Hause zum Weibe des Andern und fragte: »Ei, Gevatterin, als wir heute auf die Jagd gingen, hatte Euer Mann da seinen Kopf bei sich?« »Ich erinnere mich nicht mehr«, sagte sie, »aber ich will nachsehen, es könnte sich geben, dass er ihn im Bette vergessen hätte.« Sie suchte, fand aber nichts. »Wird mein Mann leiden, wenn er keinen Kopf hat?« fragte sie. »Das nicht, Gevatterin«, erwiederte der andere; »nur wenn er pfeifen will, wird er schwer thun!«

Quelle:
Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck: Wagner 1867, S. 179.
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