22. Die Königin von Saba.1

[30] Einst lebte zu Worms ein Mann, der war sehr angesehen. Obwohl unvermögend, wusste er doch seine Armut vor der Welt zu verbergen.

Eines Tages, als er traurig2 über sein Geschick nachdachte, trat ein Weib herein, so schön, wie er nie eines gesehen. Ihr goldenes Haar war so lang, dass es ihr zwei edle Jungfrauen in einem goldenen Becken nachtragen mussten3. Es war die Königin von Saba. Sie versprach ihm eitel Gold und Silber, wenn er nur täglich, sobald die Uhr Zwölf geschlagen, an Ort und Stelle sich einfinden wolle. Der Mann ging darauf ein und versprach auch keinem Menschen das Geheimnis zu verraten.[30] Sonst müsse er, so sagte die Königin, mit seinem Leben dafür büssen.

Alles war erstaunt über den plötzlich erworbenen Reichtum des Mannes. Seine Frau4 trug an Festtagen die Finger voll kostbarer Ringe. Schliesslich wollte sie selbst von ihrem Manne wissen, woher er mit einem Male zu so vielem Geld gekommen sei. Da er ihr die Frage nicht beantwortete, beobachtete sie argwöhnisch sein ganzes Thun und Treiben. Da fiel es ihr denn gar bald auf, dass ihr Mann regelmässig mittags nach Tisch sich zurückzog, um, wie er sagte, sein Mittagsschläfchen zu halten. Die Frau schlich ihm einmal nach und beobachtete so, ohne bemerkt zu werden, ihren Mann und die Königin.

Die Königin merkte sogleich, dass ihr Geheimnis verraten sei, und nun drohte sie dem Manne, er müsse für diesen Verrat den Tod erleiden. Als er ihr aber eidlich seine Unschuld beteuerte, schenkte sie ihm das Leben. Doch nun sollte er noch ärmer werden, als zuvor. Auch wollte sie ihren beiden Kindern den Hals umdrehen. Wenn er nach drei Tagen auf die Rheinbrücke ginge, so würde er einen Sarg den Rhein hinunter schwimmen5 sehen. Diesen sollte er sogleich am Ufer des Rheins bestatten6; denn darin lägen die Leichen der Kinder.

Und alles erfüllte sich, wie die Königin gesagt hatte.

1

M N 21. Ma'ase von der malke Sckebho in den haus zu der sonnen, früher zu den teufelskopf. – Aehnl. Sagen: Gr. I, 63 f. Die wilden Frauen im Unterberge. Die Grödicher Einwohner und Bauersleute zeigten an, dass zu diesen Zeiten (um das Jahr 1753) vielmals die wilden Frauen aus dem Wunderberge.. herausgekommen ... Mehrmals hat es sich begeben, dass eine wilde Frau aus dem Wunderberg gegen das Dorf Anif ging, welches eine gute halbe Stunde vom Berg entlegen ist. Alldort machte sie sich in die Erde Löcher und Lagerstätte. Sie hatte ein ungemein langes und schönes Haar, das ihr beinahe bis zu den Fusssohlen hinabreichte. Ein Bauersmann aus dem Dorfe sah diese Frau öfter ab- und zugehen und verliebte sich in sie ... und legte sich ... zu ihr in ihre Lagerstätte.« Der Bauer verleugnet vor ihr seine Ehefrau. »Diese aber machte sich viel Gedanken, wo ihr Mann Abends hingehe ... Sie spähete ihm daher nach und traf ihn auf dem Feld schlafend bei der wilden Frau ... Aber die wilde Frau hielt dem Bauern seine treulose Verläugnung vor und sprach zu ihm: ›hätte deine Frau bösen Hass und Aerger gegen mich zu erkennen gegeben, so würdest du jetzt nicht mehr von dieser Stelle kommen.« Doch nun ermahnt sie ihn zur Treue gegen seine Frau und giebt ihm einen Schuh voll Geld, »geh hin und sieh dich nicht mehr um.« Gr. I, 89. Der Graf von Orgeweiler im Herzogtum Lothringen hatte »eine geheime Liebschaft mit einer wunderbaren schönen Frau, die wöchentlich alle Mondtage in ein Sommerhaus des Gartens zu ihm kam.« Seine Frau überrascht sie und zieht sich heimlich zurück. Die Fee wird es aber hinterher gewahr und trennt sich für immer von ihrem Geliebten, beschenkt ihn jedoch vorher reichlich. Gr. II. 249 f. »Im 16. Jahrh. nach Fischarts Zeugniss, wusste das Volk der ganzen Gegend noch die Geschichte von Peter dem Staufenberger und der schönen Meerfei.« Am bekanntesten ist die Melusinensage.

2

o. in seinem »gewölbe«.

3

Ein Anklang an die Lilithsage, vgl. Roskoff I, 196. Wassernixen (Lorelei) kämmen ihre langen (goldgelben, vgl. Grimm Mythol. 918) Haare (Schw. 250) in einen goldenen Trog (Schw. 237, U 1898 S. 78).

4

o. hat an schabboth wejoumtoubh die hänt voll mit fingerlech.

5

o. schweben, vgl. Tristan 2349 u. sonst.

6

o. zu qĕbhuro thun. Aehnl. die Sage von R. Amram zu Mainz (vgl. A L 452 f.). Die Königin von Saba (vgl. Görres Volksb. 240) erinnert an die Sphinx (Frankel III, 286).

Quelle:
Märchen und Sagen der deutschen Juden. In: Mitteilungen der Gesellschaft für jüdische Volkskunde, herausgegeben von M. Grunewald, Heft 2 (1898) 1-36, 63-76, S. 30-31.
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