Vom Torfmoore bei Kakschen.

[97] In sehr alten Zeiten stund ein ansehnlicher Wald auf der Stelle, wo jetzt das Kakschener Torfmoor liegt. In dem Walde stunden besonders Birken und Ulmen. Einst aber erhub sich ein großer Sturmwind und brach den ganzen Wald um; weil aber damals nur noch[97] wenig Menschen in Litauen waren, aber Wälder in Überfluß, so blieben die Bäume da liegen und es begann auf ihnen Moos zu wachsen. So entstund das Torfmoor, und auch jetzt noch finden sich viele Baumstämme in demselben.

In jenem Walde waren aber auch viele Seen, kleinere und größere, in welche der Sturm auch viele Bäume warf; und in den Seen begann zuerst das Moos zu wachsen und verbreitete sich von ihnen aus immer weiter. Lange Zeit hindurch wuchs dies Moos über einander, und auf diese Art ward das Moor an solchen Stellen, wo früher Einsenkungen waren, jetzt zehn bis fünfzehn Fuß und darüber tief. Aber noch jetzt gibt es offene Stellen im Moore, die man Untiefen nennt. Diese kleinen Seen waren ehedem viel größer, jetzt hat sie aber das Moos, das von allen Seiten weit in sie hinein wuchs, bedeutend verkleinert. Diese Untiefen haben die Vorfahren mit langen Stangen oder mit langen Stricken, an welche sie Steine banden, oft gemeßen, aber sie konnten keinen Grund finden. Einst (so erzählen einige noch lebende Hüfner im Dorfe Kakschen) einst nahm man an einem Sonntage die Leinen von fast allen Landwirten im Dorfe, band sie zusammen und knüpfte einen schweren Stein daran und ließ sie in die Tiefe hinab; als aber fast alle Leinen hinab gelaßen waren, da zog dem, der den Strick hielt, plötzlich etwas die Leinen aus der Hand und sie verschwanden in der Tiefe, so daß sie ohne ihre Leinen nach Hause gehen musten. Des andern Morgens aber fand jeder seine Leine schön sauber neben dem Stalle hangen. Da gab es denn keine kleine Verwunderung und niemand wuste, wie das zugegangen war.

In dem Kakschener Moore hält sich aber seit alten Zeiten eine Teufelin auf, die in einer der Untiefen auf einem eisernen Stuhle sitzt. Einst zog sie aus einer Wolke, die über das Moor zog, ein Schiff nieder, und in dem hält sie sich jetzt auf. Die Mastspitze des Schiffes ragte aus dem Moore hervor und die Alten konnten sie sehen; jetzt aber ist auf der Spitze oder über ihr ein kleines Inselchen von Moos. Die Teufelin pflegte oft auf die Oberfläche zu kommen und die Altvordern konnten sie recht gut sehen. Einst ließen sich die Vorfahren einen Schwarzkünstler kommen und verlangten von ihm, er solle die Teufelin aus dem Moore vertreiben. Als der zu ihr hin gieng und ihr ankündigte, er werde sie von hier vertreiben, da gab sie ihm zur Antwort, wenn sie dieses Moor, in welchem sie so lange geherscht habe, verlaßen müße, so werde sie ihre Herrschaft über alle[98] Insterwiesen bis an die Brücke von Kraupischken ausdehnen und bei Laugalen unter der Brücke ihren Thron aufschlagen und da ihren eigentlichen Wohnsitz nehmen. Als der Schwarzkünstler das von ihr vernommen hatte, ließ er sie in Ruhe; denn es sei beßer, wenn sie im öden Moore bleibe, als wenn sie über die schönen Wiesen hersche und besonders unter einer Brücke ihr Wesen treibe, über welche bis heutigen Tages viele Leute ihren Weg nehmen müßen. Außerdem sagte sie ihm, daß sie, wenn sie das Moor verlaße, das Loch aufmachen werde, welches mit einem großen Pferdekopfe verstopft sei und durch welches alles Waßer des Moores und alle Untiefen abfließen könnten; und dann würden alle Dörfer, welche dieser Strom treffen werde, im Waßer ihren Untergang finden. Als der Schwarzkünstler alles dies den Altvätern hinterbrachte, erschraken sie heftig und ließen sie fortan in Ruhe. Und so sitzt sie noch jetzt in einer der Untiefen, aber zu sehen bekommt sie niemand mehr. Wenn sie aber einst ihren eisernen Thron zusammen geseßen haben wird, dann wird der jüngste Tag sein.

In dem Moore gab es auch viele Feldteufel, jener Teufelin Söhne; diese pflegten in alten Zeiten mit den andern jungen Burschen in die Kakschener Schenke zum Tanze zu kommen und mit den Mädchen zu tanzen wie andre Bursche. Stets hatten sie dann grüne Kleider an; aber man konnte sie daran erkennen, daß, wenn man ihnen auf die Stiefel trat, diese immer leer waren. Sobald sie das aber merkten, verschwanden sie. Diese Feldteufel quälten viele Leute zu Tode, die über das Moor oder am Moore giengen. Man erzählt, daß man oft im Moore oder neben demselben Leute todt fand, die schrecklich zerkniffen waren, als wären sie zerbißen, so daß das Fleisch von den Knochen abgerißen war; außerdem waren ihre Kleider voll Moos gestopft. So fanden diese Leute ein jämmerliches und entsetzliches Ende. Bisweilen kamen diese Feldteufel zu den Hirten oder zu den Leuten, welche egten, aufs Feld und erbaten sich ein Pferd unter dem Vorwande, der Vater des Burschen oder des Mädchens, das das Pferd bei sich hatte, habe es befohlen, und stellten sich als wären sie gute Bekannte. Wenn man ihnen nun das Pferd zäumte und gab, so setzten sie sich auf und ritten weit weg, oder sie ritten bis in das Moor und ertränkten das Pferd, oder sie ließen es, nachdem sie geritten, laufen, und da kam das Pferd denselben oder den[99] folgenden Tag nach Hause gelaufen. Später nun wurden hierin die Leute klug und gaben ihnen keine Pferde mehr.

Einst ritt auch ein Korporal von den Jägern auf einem prächtigen Rappen durch das Dorf Kakschen und einige Männer deckten da ein Dach, wo er durch den Hof ritt. Als die ihn sahen, wunderten sie sich darüber, wo der her geritten komme; er hielt aber nicht an, sondern ritt durch jenen Hof hindurch aufs Moor zu und dann übers Moor über alle Untiefen hinweg, und so weit die Männer vom Dache aus es sehen konnten, ritt er bis hinüber. Die Alten erzählen, öfters gesehen zu haben, daß jemand quer über das Moor geritten1 sei, wo doch niemand auch nur zu gehen vermag.

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Teufel erscheinen den Litauern oft zu Pferde.

Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 100.
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