[444] 938. Katzenhexe zu Medernach.

Ein reicher Bauer aus Medernach hatte stets zehn bis zwölf Stück Kühe, die, trotzdem sie reichlich genährt und gefüttert wurden, keine Milch gaben und, statt fetter zu werden, von Tag zu Tag magerer wurden. Der Bauer wußte sich weder zu helfen noch zu raten. Er nahm eine andere Magd ins Haus. Aber schon nach einigen Tagen beklagte sich diese bei ihrem Brotherrn, daß die Kühe trotz reichlicher Nahrung doch keine Milch gäben. Auf die Antwort ihres Herrn, daß dieser Zustand seiner Kühe schon lange dauere, erwiderte sie: »So muß[444] ich dem Ding abhelfen« Am Abend beredete sie sich mit dem Knecht. Als alle Arbeit getan war, begaben sich beide nach dem Abendessen in den Stall, um in aller Stille Wache zu halten. Zwischen elf Uhr und Mitternacht kam eine schwarze Katze durchs Hühnerloch in den Stall geschlichen und sprang der nächsten Kuh auf den Rücken, von dieser auf die folgende und so fort bis auf die letzte; dann entfernte sie sich wieder auf demselben Weg, auf dem sie hereingekommen war. Im Hühnerloch aber rief sie: »Nun können sie morgen wieder fragen, woher es komme, daß die Kühe keine Milch geben!« Als die Katze fort war, sprach der Knecht zur Magd: »Wenn sie wiederkommt, schlag ich sie tot.« Allein die Magd erwiderte: »Nein, das darfst du nicht tun; wir müssen warten bis zum drittenmal, dann kannst du dieselbe tüchtig prügeln, aber nicht totschlagen.« Am folgenden Abend erschien und verschwand die Katze wie tagsvorher. Am dritten Abend sagte die Magd zum Knecht, der mit einem dicken Knüttel versehen war: »Wenn ich sage: Schlag zu! dann such die Katze mit deinem Stock zu erreichen.« Kaum war elf Uhr vorbei, so erschien auch die Katze wie an dem vorigen Abend und wollte ihre Sprünge wie gewöhnlich ausführen. Als dieselbe auf der zweiten Kuh angekommen war, rief die Magd: »Schlag zu!« Der Knecht, der beim Futtertrog verborgen saß, holte mit seinem Stock aus und traf die Katze auf den Kopf, daß sie hinter der Kuh zu Boden fiel. Dann lief er hinzu und zerschlug sie jämmerlich. Hierauf warf er dieselbe vor die Stalltür. Am andern Tage lag die Nachbarin todkrank im Bette und hatte keine Stelle am Leib, wo sie nicht eine Beule trug. Von der Zeit an gaben die Kühe wieder Milch und die schwarze Katze erschien auch nicht mehr im Stalle. Der Hausherr grübelte lange nach, wie die Magd das zustandegebracht hatte; aber Magd und Knecht hielten reinen Mund. Später verheiratete er die Magd mit seinem Sohne, denn sie war ein fleißiges, braves, sittsames Mädchen. Ihrem Mann erzählte sie nun, daß es die Nachbarin gewesen, die den Kühen die Milch genommen hatte.


Lehrer N. Massard zu Medernach

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 444-445.
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