[536] 1108. Zerstörung des Horner Schlosses.

[536] Unweit Michelau ragt am linken Sauerufer ein mächtiger Schieferfels empor, auf dem sich einst die stolze Burg Horn erhob. Dort hausten Tempelherren, welche die Gegend weit und breit gar hart bedrückten und unsicher machten, und deren Willkür sich alle Dörfer ringsumher fügen mußten. Die Not des bedrückten Volkes ging dem Herrn von Erpeldingen zu Herzen, und er rüstete sich, um das Räubergesindel zu bekämpfen und ihre Burg, während sie auf Raub ausgingen, zu zerstören. Aber den schlauen Templern entgingen die Absichten des Herrn von Erpeldingen nicht, und sie ersannen eine List, ihren Gegner zu täuschen: sie schlugen ihren Pferden die Hufeisen verkehrt auf. Zog dann der Erpeldinger heran und fand die Hufspur der Rosse der Burg zugewendet, so wähnte er dieselbe wohl besetzt und kehrte unverrichteter Sache nach Erpeldingen zurück.

Da geschah es, daß die Tempelherren ihren Schmied, der allein um ihr Geheimnis wußte, arg beleidigten, und um sich rächen, begab sich dieser an einem Sonntage nach Erpeldingen und stellte sich zu Ende der hl. Messe an die Kirchtürschwelle und rief, während die Leute aus der Kirche heraustraten: »Dir, toter Stein, darf ich der Horner List vertrauen, die keiner Seele zu sagen ich geschworen habe: Wenn die Spuren der Templerherrenpferde-Hufeisen burgwärts gerichtet sind, dann sind sie ausgeritten, zeigt die Hufspur auswärts, dann befinden sie sich auf ihrer Burg.«

Sobald der Herr von Erpeldingen dies vernommen, sammelte er schnell eine bewaffnete Schar um sich und zieht gegen Horn. Dort merkt er an der Hufspur, daß die Tempelherren ausgezogen sind, und sofort werden die Mauern, da kein Widerstand von innen hemmt, mit leichter Mühe überstiegen. Bald wälzt sich der ganze Schwarm durch das geöffnete Tor verheerend in das Innere der Burg und die auflodernden Flammen verkünden der ganzen Umgegend, daß das Räubernest gefallen.

Heute noch wird der Felsen, auf welchem die Templerburg gestanden, das »Horner Schloß« genannt.


J. Engling, Manuskript, 238

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 536-537.
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