[420] 345. Marienbild geht Prozession.

Mündlich.

Schayes, Essai historique sur les moeurs etc. des anciens Belges.


In dem Dorfe Hackendover bei Tirlemont ist ein wunderthätiges Muttergottesbild. Dieses wird jährlich in feierlicher Prozession herumgeführt, gefolgt von den Landleuten zu Pferde, die bei jedem Anhalten des Zuges ihre Büchsen abfeuern. An der Kirche angekommen, machen sie auf den Pferden in großem Zirkel und im schnellsten Trabe dreimal die Runde um dieselbe, und schonen dabei weder Saat noch Ernte. Dieß thut jedoch den Aeckern keinen Schaden, im Gegentheil, je mehr sie mit der darauf stehenden Frucht zertreten sind, desto reichlicher fällt die Ernte aus. Ein Bauer, welcher sich eines Tages widersetzte und das Herumtraben auf seinem[420] Felde nicht zugeben wollte, fand sogar alle Aehren leer und kein Gran Korn darin.

Einmal aber geschah es, daß sehr schlechtes Wetter an dem Tage war, wo die Prozession umziehen sollte, und darum unterließ man dieselbe. Da ist aber die heilige Mutter von ihrem Altare heruntergestiegen und allein die Prozession gegangen, so daß man sie am andern Morgen bis an die Kniee mit Koth beschmutzt auf ihrer gewöhnlichen Stelle wiederfand.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 420-421.
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