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Mündlich von Frau Courtmans.
Zu Lede wohnte ein Mädchen, das war wunderbar, um zu sehen, was die nicht alles verstand. Da gab es keine Sprache in der Welt, oder sie wußte sie; sie tanzte wie die beste Tänzerin, sang wie ein Engel, und, was das meiste war, sie konnte Thiere aller Art machen, und zwar lebendige. Die Leute kamen oft zu ihrer Mutter und sprachen: »Frau, euer Mädchen ist eine Hexe«, aber die Mutter lachte und sprach, das könne nicht sein.
Als es einmal Kirmeß war, da legte sie sich Mittags schlafen, während die andern zum Tanze gingen. Das wunderte die übrigen Mädchen, aber sie kamen davon zurück, als sie die Schläferin in der Herberge in vollem Springen fanden. Und sie tanzte nicht nur in Einer Schenke, sondern in allen zugleich, wo nur Musik war.
Die Sache kam endlich dem Pfarrer zu Ohren, und er ließ das Mädchen rufen und sprach: »Ich habe gehört, Kind, du könntest Mäuse machen; ist das wahr?« – »Ja gewiß«, antwortete sie, »gebt mir nur ein paar Blätter.« Man brachte einen Korb voll Blätter herein und sie drehte eins nach dem andern zusammen und legte sie auf die Erde, und husch liefen sie als Mäuse von dannen, und das dauerte so lange, bis der Pfarrer rief: »Ums Himmelswillen, Kind, hör' auf, du machst mir das ganze Haus voll. Ich sehe aber, daß du mit dem argen Satan zu thun hast, darum mußt du beschworen[487] werden.« Und damit entließ er sie und befahl ihr, am künftigen Sonntage Nachmittags mit ihrer Mutter in die Kirche zu kommen, was sie auch that.
Da legte man sie platt auf die Erde auf den Chor hin, und es waren viele Geistliche und viel Volk zugegen, und der Pfarrer begann seine Beschwörung, und als diese geendet war, frug er: »Warum hast du denn am Aepfelkirmeßsonntag geschlafen?« Das Mädchen antwortete: »Ich habe nicht geschlafen, ich saß mit meinem Gesellen in dem Fenster des Mäusethurms (eine Herberge), und er hetzte die Bursche an einander, bis sie sich schlugen und ein paar davon todt blieben.« Da fragte der Pfarrer weiter: »Kannst du mir nicht sagen, welche die hoffärtigste in der Gemeinde ist?« – »Warum nicht?« entgegnete sie, »die sitzt rechter Hand in der sechsten Bank, die dritte von der Mauer an gezählt, und hat ein blaues Kleid an mit einem weißen Streifchen und rothen Blümchen darin.«
Nun erkannte der Pfarrer, daß sie wahr spreche, denn die Bezeichnete war das hoffärtigste Mädchen im Dorfe. Er setzte darum die Beschwörung fort und zwang den Teufel, daß er aus dem Mädchen ausfahren mußte. Ehe der arge Satan das aber that, warf er sie zu vielen Malen auf bis ans Gewölbe und wieder nieder auf den Boden, aber das that ihr keinen Schaden und sie wurde von ihm befreit.
Die Frau, welche mir das erzählte, versicherte mir, daß ihres Mannes Großtante in der Kirche der Beschwörung beigewohnt habe.