[145] 26. Der Sturz vom Kirchturm

Ein Mann hatte herausgebracht, daß die Trollhexen in den Festnächten auf dem Kirchturm sich mit Spiel und Lärm und Getöse vergnügten. Das wollte er auch einmal sehen und ging an einem Weihnachtsabend in den Turm hinauf und setzte sich in eine Ecke. Auf einmal kamen die Hexen daher. Die eine nach der anderen fuhr zur Turmluke herein, die einen auf Besen, die anderen auf Schaufeln, wieder andere auf Geißen und andere auf Böcken und all den wunderlichen Dingen, die nur zu gebrauchen waren. Und unter all diesen Trollhexen war auch eine von seinen Nachbarsfrauen. Aber als die ihn erblickte, fuhr sie auf ihn los, steckte ihren kleinen Finger in seine Nase und hielt ihn so wie eine Forelle an der Angel zur Turmluke hinaus.

»Versprich, daß du nie verraten willst, daß du mich hier gesehen hast, sonst lasse ich dich fallen!« sagte sie.

»Und wenn ich es tue«, sagte er, denn er war ein ganz toller Kerl, »komm, Teufel, und fang mich auf!« schrie er, und im gleichen Augenblick kam unten der Teufel in einem kleinen Schlitten angefahren, hielt und fing ihn auf, daß er sich nicht einmal das Knie ritzte vom Fallen. Nun sollte ihn der Teufel auch noch heimkutschieren. Aber der Mann schlug auf die Pferde ein und schrie und lärmte, daß der Teufel sich kaum richtig auf den Kufen halten konnte. Und als sie nahe an seinen Hof kamen, da fuhr er gegen einen Waschtrog, daß der Schlitten umfiel und der Teufel auf einer Seite des Waschtroges liegenblieb und er auf der anderen. Hätte er das nicht getan, so wäre er nicht mehr aus des Teufels[145] Klauen entkommen, aber jetzt hatte der Teufel keine Macht mehr über ihn.

»Pfui!« sagte der Teufel. »Hätte ich gewußt, daß du mir entwischen willst, hätte ich wegen deiner jämmerlichen Seele keine so weite Reise gemacht. Als du mich riefst, war ich zwanzig Meilen nördlich hinter Throndhjem und schaute einem Mädchen über die Schulter, das eben seinem Kinde den Hals umdrehen wollte!«[146]

Quelle:
Stroebe, Klara: Nordische Volksmärchen. 2: Norwegen. Jena: Eugen Diederichs, 1922, S. 145-147.
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