Gleich die beiden ersten Stücke unserer Sammlung sind von ausgesprochen nordischer Eigenart in Form und Inhalt. Nr. 1 Per Gynt (Asbjörnsen, Norske Huldreeventyr og Folkesagn, Kristiania 1859, Teil II S. 77. Aus der Gegend des Dovreberges, erzählt von einem Vogelschützen, den A. zufällig auf der Renntierjagd traf), der kühne Schütze von Kvam, sein Name und sein abenteuerlich grausiges Erlebnis mit dem großen Krummen von Etnedal, das den Lesern in ganz anderen symbolischen Zusammenhängen bekannt ist, erscheint hier in der herzhaften Natürlichkeit der Volkserzählung, wie man sie sich halb schaudernd, halb stolz in den einsamen Sennhütten der Dovregegend immer wieder erzählte. – Nr. 2 Die Insel Udröst (Asbjörnsen, Huldreeventyr, Teil I S. 259, aus Nordland, ohne Angabe über den Erzähler) ist ein sagenhaftes Wunderland, das vor dem auf stürmischem Meer hilflos verschlagenen Nordmann im Augenblick höchster Not rettend auftaucht. Von seiner Fruchtbarkeit und Üppigkeit und seinem Frieden weiß sich der auf kargem Boden am rauhen Meer hausende Nordlandsmann nicht genug zu berichten; Udröst ist fast eine Art Insel der Seligen, ein Avalun für diese in Dürftigkeit und steter Gefahr lebenden Fischerleute (vgl. auch Bugge, Studien über die Entstehung der nordischen Götter- und Heldensagen, München 1881, S. 450 ff.). – Schon aus Schweden ist uns die Geschichte vom mitternächtigen Gottesdienst der Toten bekannt: Nr. 3 Die Totenmette (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 121, aus Kristiania, erzählt am Julabend von »Mutter Skau«). – Gar nicht bodenständig, sondern eigentlich eine ausländische Pflanze ist die Geschichte Nr. 4 von den drei Zitronen (Asbjörnsen, Norske Folkeeventyr, Ny Samling, Krist. 1871, S. 22, Nr. 661. Aus Kristiania), die im Orient sehr populär ist. Aber Asbjörnsen hat sie von einer ganz einfachen Frau in Kristiania gehört und so hat sie sich wohl auch im Norden Heimatrecht erworben. – Nr. 5 Der Unterirdische Nachbar (ebenda S. 149, aus Halland, erzählt von einem Halländer, den A. am Björnsjö beim Fischen traf) ist auch für den keine befremdende Gestalt, der die dänische Geschichte vom Trollbier kennt; hier und dort erweisen sich die Unterirdischen und Trolle als gute und dankbare Wesen, wenn man nur ihre Wünsche erfüllt und sie nicht durch eiteln Vorwitz stört.[329] Jedenfalls nicht originalnordisch, sondern jahrtausendealt, in vielen Ländern verbreitet und schon im Buch Tobias zu lesen – doch mit ein wenig andern Worten – ist die fromme Geschichte vom dankbaren Toten: Nr. 7 Der Kamerad (Asbjörnsen, N.F.E., Nr. 100, S. 201. Aus Aadal, mit Benützung von Varianten aus Valders und Aamot). Nr. 8 Espenklotz (Kristoffer Janson, Folkeeventyr, uppskrivne i Sandeherad. Krist. 1878, Nr. 8, S. 29) ist ein riesenhafter Gesell und offenbar ein wenig verwandt mit Murmel Gänseei, von dem wir noch hören werden. Seltsam ist die ganz lakonisch erzählte Geschichte seiner Herkunft: bei vielen primitiven Völkern herrscht der Glaube, die ersten Menschen seien aus Bäumen entstanden und die Völuspa sogar nennt als das erste Menschenpaar Ask und Embla (Espe und Ulme). Unser Espenklotz gehört nun ebenfalls zu diesen geheimnisvollen Baummenschen. – Böse Gaukelei und Zauberstücke treibt die Trollgesellschaft mit der armen Sennerin in der Nr. 9 Trollhochzeit (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 50. Aus Hadeland, von einer »Signekjärring«, eine Art weise Frau oder Medizinfrau). Charakteristisch ist es – und wir werden diesem Zug noch mehrfach begegnen – daß man Trollzauber und Blendwerk zerstören kann, wenn man über die Stelle hinweg, wo man Hexerei vermutet, die Büchse abschießt. Dann erscheint alles, wie es wirklich ist. Eigentümlich ist ferner die Vorstellung, daß Trolle sich gern in Garnknäuel verwandeln, wenn man sie stört, und dann als solche eiligst davonrollen.
Nr. 10 Der reiche Peter Krämer (Asbjörnsen u. Moe, Norske Folkeeventyr, 3. Aufl., Krist. 1866, Nr. 5, S. 18) ist einer der im Märchen gar nicht beliebten Geizhälse; aber das Schicksal seines Schwiegersohnes gehört in große Zusammenhänge; er ist das Glückskind mit dem Todesbrief, dessen Geschichte in immer wieder veränderter Form sich der ganze Orient erzählte und die Saxo auch seinem Amlethus andichtete. (Über die Geschichte dieses Märchens handelt ausführlich Schick im Corpus Hamleticum, Bd. I.)
Ein besonders beliebtes Requisit aus dem Reichtum der Unterirdischen spielt im folgenden Stück die Hauptrolle: Nr. 11 Der Huldrehut (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 157. Aus der Gegend von Eidsvold, erzählt von einer Bauersfrau.) Wie dieser einerseits im Märchen gern und oft im Verein mit zwei anderen Wunschdingen, andererseits in den erhöhten Zusammenhängen der Sage als Tarnkappe erscheint, so tritt er hier gleichsam in seiner bürgerlichen Existenz auf, nicht geadelt durch die Würde und Einfachheit der Sage oder[330] durch die reichen weitausgreifenden Geschehnisse des Märchens. Um so deutlicher ist hier das Bild, das wir uns von seiner spaßhaften Wirksamkeit machen können.
Nr. 12 Marienkind (Asbjörnsen u. Moe, N.F.E., S. 34, Nr. 8, der Bresemannschen Übersetzung entnommen [1847]) ist ein frommes Märchen, das wir in Deutschland ebenso kennen; oft wird statt der Jungfrau Maria eine gütige Fee genannt. – Nr. 13 Eine unheimliche Geschichte ist das Märchen von der Hexe Pfarrerin (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 281. Aus der Gegend von Kristianssand, erzählt von Matrosen an Bord der Korvette »Örnen« auf einer Mittelmeerfahrt). Augenscheinlich konnte sich das norwegische Volk in der lebhaften Schilderung solcher nächtlichen Ritte und Verhexungen nicht genug tun, sie kamen seinem Bedürfnis nach Unheimlich-Groteskem viel weiter entgegen als es zarte und liebliche Feenmärchen vermochten.
Nr. 14 Eine unheimliche Seemanns- und Hexengeschichte ist auch das folgende Stück Der Sturmzauber (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 248. Aus der Gegend von Kristiania erzählt von einem Schiffer Rasmus Olsen). Das Mittelalter dichtete dem Frithjof ein ganz ähnliches Seeabenteuer mit zwei Hexen an, die ein furchtbares Unwetter erregten. Interessant wäre es, den Gegenzauber des energischen kleinen Burschen in seinen inneren Zusammenhängen zu ergründen; wie kann gerade das Birkenholz, Stück für Stück ins Meer geworfen, den Tod der Hexen herbeiführen?
Nr. 16 Der ehrliche Vierschilling (Asbjörnsen u. Moe, N.F.E., S. 306, Nr. 59, vgl. Bolte, Anmerkungen zu den Publikationen des Stuttgarter Literar. Vereins, Nr. 197, S. 383) ist gleichsam als Gegenstück dazu die Verherrlichung der kindlichen Einfalt und Rechtschaffenheit, die nach langen Mühsalen und trotz des Übelwollens der »Erfahrenen« doch ihren verdienten Lohn einheimst. – [331] Nr. 18 Unser nächstes Stück, die Zauberäpfel (Norske Eventyr og Sagn optegnet ab Sophus Bugge og Rikard Berge, Krist. 1909, S. 61), ist vermutlich eine ziemlich ursprüngliche Version all der Geschichten, in denen Leute durch den Genuß eines Gewächses zu langen Nasen, Eselsohren, krummen Rücken und ähnlichen Verzierungen kommen. Man glaubt, die Heimat dieses Märchens seien die britischen Inseln und es sei durch Frankreich und Deutschland nach Skandinavien gewandert (vgl. Aarne, Vergleichende Märchenforschungen. Helsingfors, 1907, S. 85 ff.).
Nr. 20 Selbst getan (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 10. Aus der Nähe von Sandaker, erzählt von einem halbwüchsigen Burschen) gehört in den Kreis der Polyphemmärchen; vielleicht schimmert hier die alte Vorstellung noch durch, daß man mit Feuer den boshaften Wesen der niedern Mythologie am besten beikommt (vgl. Hackman, Die Polyphemsage in der Volksüberlieferung, Helsingfors, 1904).
Nr. 22 Der Bursche, der seinen Herrn in Harnisch brachte, (Janson, Nr. 7, S. 24) ist eine Gestalt, der wir in größeren Zusammenhängen schon begegnet sind. Meist kommt er zu einem Troll in den Dienst und ärgert diesen durch unerhörte, wirkliche oder fingierte Kraftleistungen oder Spitzbübereien, bis er sich davonmacht und nach vielen Abenteuern schließlich auf einem Königsthron landet. – Unser Held aber, dessen Dienstherr vielleicht ursprünglich auch ein Troll war, nimmt seine Zuflucht zu jener absoluten Dummheit, die im Klugen Hans bei Grimm so schön gezeichnet ist, und erreicht damit sein Ziel aufs beste (vgl. auch Bolte, Anm. z.d. Publ. d. Stuttg. Literar. Vereins, Nr. 209, S. 215).
[332] Nr. 25 Die Geschichte von Amor und Psyche ist die berühmteste Vertreterin der Märchengattung, zu der unser nächstes Stück gehört: Sorge und Leid (Hallv. E. Bergh, Nye Folkeeventyr og Sagn fra Valdres og Hallingdal, III. Samling, Krist. 1882, Nr. 1). Die Nordleute erzählten sich mit besonderer Freude Geschichten von treuen Frauen, die auf mühseligen und gefährlichen Wanderungen den entschwundenen Geliebten wieder zu erreichen suchten. In der Edda verläßt Oddur die Freya und sie wandert ihm in fremde Länder nach; darin glaubt man einen Zusammenhang mit diesem weitverbreiteten Märchen zu sehen. Eigenartig ist in unserer Erzählung die Eichhörnchengestalt des Geliebten und die Bedingung, daß die arme Prinzessin auf der langen Wanderung die Beine nicht beugen, d.h. nicht sitzen oder kauern darf. Der Schluß ist ein typischer Märchenschluß, wie er gern vom Erzähler ohne weitere innere Beziehung ans Ende einer Geschichte gehängt wird. – Nr. 26 Der Sturz vom Kirchturm (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, S. 179, aus Eidsvold, erzählt vom Totengräber) ist eine richtige tolle Hexen- und Teufelsgeschichte und gehört in den gleichen Zusammenhang wie unsre Nummern 33 und 36. – Nr. 28 Das urwüchsige Behagen am Raufen und Prügeln kommt zum Vorschein in der Geschichte von Ola Storbaekkjen (Asbjörnsen, Huldreeventyr, II, 73. Aus der Gegend von Österdalen, erzählt von einem Jäger auf der Renntierjagd).
[333] Nr. 29 Wieder eine eigenartige Erlösungsgeschichte ist das Märchen vom König Valemon (Asbjörnsen, N.F.E., Nr. 90, S. 154. Aus Saetersdal). Nr. 30 Spaßig und so recht für die Kinderstube ist das Märchen von der Katze, die so viel fressen konnte (Asbjörnsen, N.F.E., Nr. 102, S. 222, aus Gudbrandsdal). Vielleicht ist es ein Überrest aus einer Zeit, wo man glaubte, Sonne und Mond am Himmel würden von einem Ungeheuer verschlungen, wenn eine Wolke darüber hinzog. – Nr. 32 Zottelhaube (Asbjörnsen u. Moe, Nr. 54, S. 271) ist eine groteske Trollgeschichte, die wohl als gut norwegisch gelten kann; die abenteuerliche Gestalt der Heldin ist uns sonst nicht bekannt. Das Schlußmotiv jedoch von der zauberlösenden Gewalt der rechten Frage am rechten Ort blickt auf eine reiche Vergangenheit zurück und hat seine höchste Verklärung im Parzival erhalten.
Nr. 33 Die Geheimnisse des norwegischen Blocksberges enthüllen sich ein wenig im folgenden Stück: Die Reise im Braukessel. (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 179, aus Eidsvold, erzählt vom Totengräber.) – Nr. 34 Das Abenteuer des Holzhauers mit der Waldfrau (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 46. Aus Hadeland, von derselben »Medizinfrau« wie Nr. 6) dürfte die Anregung gegeben haben für das Erlebnis Per Gynts mit der Grünen im Dovregebirge, und dem häßlichen Jungen mit dem Bierkrug. – Nr. 36 In der groteskunheimlichen Geschichte »Herauf und hernieder zum Dachfirst!« heißt das Wortspiel Dachfirst-Gachfirst, norwegisch Jönsaas-Mönsaas, wobei das eine einen bestimmten Berg, das andere den obersten Dachbalken des Hauses bedeutet. Gachfirst muß nun im Deutschen die Rolle des Bergnamens übernehmen.
Nr. 37 Murmel Gänseei (Asbjörnsen, N.F.E., S. 172, Nr. 96. Aus Gudbrandsdal, Titel und Anfang nach einer Variante aus der Gegend von Kristiania) ist schon durch seine eigenartige Geburt ebenso wie sein schwedisches Widerspiel Knös zu großen Dingen bestimmt. Dieser Riesenkerl, der sich vor Tod und Teufel nicht fürchtet, wenn er[334] nur gehörig zu essen hat, ist eine Lieblingsgestalt des nordischen Märchens schon von alters her. Mit solchen Riesenspäßen hat man Thor, den Gott der norwegischen Bauern, lächerlich machen und als Prahlhans hinstellen wollen, und im Harbardslied wird er wegen seiner Liebhaberei für Hering und Brei verspottet, dasselbe Gericht, nach dem Murmel schon verlangt, ehe er aus dem Ei schlüpft. Auch eine Unterweltsfahrt erzählte man sich von Thor, gerade wie auch Murmel zum Teufel in die Hölle geschickt wird, um den Tribut zu holen (vgl. auch v.d. Leyen, Märchen in den Göttersagen der Edda, Berlin, 1899, S. 45 ff.). – Nr. 38 Von einer Ehe zwischen Christ und Trollfrau erzählt Die Trollfrau (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 77. Aus Hadeland, erzählt von einem Schmied, der überhaupt eine Menge Märchen wußte). Da geht es seltsam zu: die Frau ist von untadelhafter Güte und Sanftmut, aber der Mann wird immer böser und roher und ändert sich erst, als ihm die Frau zeigt, daß ihr die angeborene Trollkraft und -kunst doch noch zu Gebote steht.
Nr. 39 Bekannte Stoffe liegen den beiden nächsten Stücken zugrunde: Des Königs Hasen (Asbjörnsen, N.F.E., S. 190, Nr. 98. Nach verschiedenen Erzählungen aus Röken, Aadal, Bier u. Asker, Ringerike u. Hardanger) ist die Geschichte von dem Kessel voller Lügen, die wegen ihres für König und Königin nicht sehr schmeichelhaften Ausgangs vermutlich bei den Norwegern besondern Anklang gefunden hat; es fällt auf, daß gerade mit den Märchenkönigen, die z.B. ihre Tochter um keinen Preis hergeben wollen, im nordischen Märchen recht respektlos verfahren wird. – Nr. 40 Der große und der kleine Peter (Asbjörnsen u. Moe, N.F.E., Nr. 53, S. 265) – bei Andersen der große und der kleine Claus – ist eine tolle Lügengeschichte, die schon im X. Jahrhundert dem lateinischen Gedicht vom Unibos zugrunde lag und bei Grimm unter dem Titel »vom Bürle« erzählt wird. (Bolte, Anm. Nr. 197, S. 387. Für das Verhältnis Andersens zum Volksmärchen sei hingewiesen auf Christensen: H.C. Andersen og de Danske Folkeeventyr. Danske Studier 1906.) – Nr. 41 Die gewaltige Teufelsbeschwörung (Asbjörnsen, Huldreeventyr, II, 109. Aus Branaes, erzählt von einem beurlaubten Soldaten in einer Holzführerherberge) des Priesters endigt mit einer ähnlichen Niederlage des Teufels wie in Nr. 44: diesmal wird er in eine Branntweinflasche gesperrt. – Nr. 42 Köstlich erzählt ist das folgende Stück, Helge-Hal im Blauen Berg (Bergh, Nr. 2, S. 19), von dem zaghaften, ewig hilflosen Dümmling und der energischen und klugen Katze, die sogar die alte Weisheit kennt, wie man Trollgeschöpfe unschädlich macht: man hält sie mit irgendeiner gleichgültigen Geschichte die Nacht durch hin, bis sie der erste Strahl der aufgehenden Sonne trifft, dann müssen sie zu Stein werden oder zerspringen; so ist es schon dem unheimlich weisen Zwerg Allvis in der Edda gegangen.
[335] Nr. 43 Der Herr vom Berg und Johannes Blessom (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 189, aus Gudbrandsdal, erzählt von einem alten Talbauern) ist eine Geschichte von einem freundlichen und hilfsbereiten Unterirdischen, der aber jede Übertretung seines Verbotes bitter rächt. – Nr. 44 Die Überlistung des Teufels, Der Bursche und der Teufel (Asbjörnsen u. Moe, N.F.E., S. 133, Nr. 30), kommt schon in den Märchen von Tausendundeiner Nacht vor, wo ein Geist zwar nicht in eine Nuß, wohl aber in eine Flasche schlüpft, um seine Künste zu zeigen. Auch von diesem Märchen läßt Ibsen seinen Per Gynt fabeln.
Nr. 46 Der Glücksanders (Asbjörnsen, Huldreeventyr, I, 268. Aus Helgeland. A. gibt den Erzähler nicht an) ist ein Bursche, wie ihn das Märchen liebt, sorglos, tapfer und immer heitern Sinnes, ob er auch in der schauerlichsten Meereseinsamkeit haust und mit den unheimlichsten Kobolden zu tun hat. Der Anfang unseres Märchens erinnert an den Anfang der Grimnismal: da scheitern auch zwei Brüder und erreichen Land, aber bei der Rückfahrt läßt der eine den anderen treulos im Stich (vgl. Bugge, Studien, S. 27, 450 ff.). – Nr. 47 Eine Art Simsonmärchen ist die Geschichte vom Blauen Band (Asbjörnsen u. Moe, N.F.E., Nr. 58, S. 293), das seinem Träger Riesenkräfte verleiht und seinem Besitzer von seiner ränkevollen Mutter und dem bösen Troll mit List entwendet wird. Das Märchen kennt viele solche kraftspendende Bänder und Gürtel, die Zwölfmännerkräfte verleihen, umgekehrt kennt es aber auch krafterprobende Bänder, die meist ganz unwahrscheinlich zart und doch für den stärksten Riesen unzerreißbar sind (vgl. v.d. Leyen, Der gefesselte Unhold. In »Untersuchungen und Quellen«, Johann von Kelle dargebracht, Prag 1908). – Nr. 48 Weit bekannt ist die lustige Geschichte vom Pfarrer und seinem klugen Küster (Asbjörnsen, N.F.E., S. 126, Nr. 86. Aus Valders).
Nr. 49 Unsere beiden folgenden Stücke Der Teufel und Herr Urian und Die Geschichte vom Schmied (Asbjörnsen, N.F.E., S. 33, Nr. 69, aus der Gegend von Drontheim, und Asbjörnsen u. Moe, S. 91, Nr. 21) zeigen wiederum den Teufel – den Alten Erich, wie der Norweger sagt – als den Geprellten. Im ersten Stück ist der Sieger ein richtiger pfiffiger alter Seebär, im zweiten ein Zunftgenosse unseres deutschen Schmiedes von Jüterbogk.
[336] Nr. 51 In Der Bursche, der drei Jahre umsonst dienen sollte (Asbjörnsen, N.F.E., Nr. 63, S. 8. Aus Gudbrandsdal) haben wir die Geschichte vom Zauberring, wie er seinem Besitzer durch eine treulose Frau geraubt und durch dankbare Tiere nach vielen Fährnissen glücklich zurückgebracht wird (vgl. Aarne, Vergleichende Märchenforschungen. Helsingfors, 1907, S. 1 ff.). – Nr. 52 Unser folgendes Stück Vom Hasen, der verheiratet gewesen war (Asbjörnsen, N.F.E., S. 58, Nr. 73. In der Hauptsache nach Ivar Aasen, mit einzelnen Zügen nach Berichten aus Thelemarken u. Toten) ist eine Art Schwank. – Nr. 53 Ausführlicher und ganz köstlich erzählt ist das Märchen vom Burschen, der um die Tochter der Mutter im Winkel freien wollte (Asbjörnsen, N.F.E., Nr. 77, S. 73. Aus der Gegend von Frederikshald), da handelt es sich auch wieder um eine Erlösung und diesmal kommt es besonders auf widerspruchsloses Stillschweigen an. – Nr. 54 Die Historie vom Pfannkuchen (Asbjörnsen, N.F.E., Nr. 104, S. 233. Aus Sell, Froen u. Faaberg) ist eine harmlos lustige Geschichte für die Kinderstube, und gehört mit ihrer Anhäufung immer wiederholter Sätze und charakteristischer Namen einer ganz eigenen Gattung an, die ja auch im Deutschen reich vertreten ist.
1 Über die dieser Sammlung entnommenen Stücke konnten ausführlichere Herkunftsbezeichnungen nicht gegeben werden, da die sehr seltene erste Auflage der Sammlung wegen Ausbruch des Krieges nicht mehr zu beschaffen war.
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