49. Der Zigeuner und sein Geschenk

[281] Ein Zigeuner fing einmal eine Eule, ein Vogel, der ihm gänzlich unbekannt war. Er drehte ihn hin und her, beschaute und betastete ihn und sah, daß außer Bein und Federn nichts an ihm war. »Was muß das für ein Vogel sein«, dachte er bei sich, »der ist für keinen Armen, das muß wohl ein Herrenvogel sein!« Bald hatte er bei sich beschlossen, ihn als ein Geschenk seinem Herrn Oberstuhlrichter zu bringen, und er gedachte bei diesem eine große Ehre einzulegen. So tat er die Eule in einen Korb und band ein Tuch darüber, damit sie nicht davonfliegen könne. Ehe er aber den Gang zu dem gestrengen Herrn vornahm, setzte er sich ein wenig ins Wirtshaus, um sich mit einem Glase Wein etwas Mut zu machen, denn für einen armen Teufel ist es keine Kleinigkeit, vor einen so großen Herrn zu treten.

Während er nun saß und trank, konnte sein Weib daheim, welchem er von seinem Geheimnis nichts mitgeteilt hatte, der Neugierde nicht widerstehen, das Tuch zu lüften und zu sehen, was darunter sei. Die Eule aber, die im Dunkel des Korbes zu sich gekommen war und frische Luft witterte, flog auf und machte sich davon. In der Angst darüber, was ihr Mann dazu sagen würde, wußte nun die Frau Zigeunerin nichts Besseres zu tun, als den Korb gerade so wieder zuzubinden wie zuvor und über das Geschehene sorgsam zu schweigen.[281]

Jetzt kam der Zigeuner guter Dinge, nahm den Korb und trug ihn zum Hause des gestrengen Oberstuhlrichters. Als er dort unter die Tür trat, fuhr ihn der Husar desselben barsch an, schalt ihn und hieß ihn sich packen und dergleichen. Der Zigeuner aber war höflich, lachte und sagte: »Diesmal bring ich etwas, Schupunje Katana!1 Es wird dem Herrn Oberstuhlrichter keine kleine Freude machen und mir ein schönes Trinkgeld eintragen.« Da wurde der Husar freundlicher und wollte wissen, aus was denn das hübsche Geschenk bestehe. Der Zigeuner blieb aber beharrlich darauf, es geheimzuhalten, jedoch wollte er die Hälfte des Geschenks, das er dagegen erhalten würde, mit seinem alten Gönner, dem Husaren, teilen. Dieser meldete ihn deshalb sogleich bei seinem Herrn, und da er zugleich seinem Herrn zugewinkt hatte, daß es niemand mit leeren Händen sei, so wurde der Bittsteller freundlichst vorgelassen.

Dieser strich nun vor dem gestrengen Herrn mit einer Beredsamkeit, wie sie nur Zigeunern zu eigen ist, die Seltenheit seines Geschenks heraus, während er sachte das Tuch losband. Das Tuch war weg und siehe – der Korb leer, worüber beide, der Oberstuhlrichter und der Zigeuner, freilich jeder in einer anderen Art, höchlich verwundert waren, letzterer ob solcher Möglichkeit, jener aber über die unerhörte Frechheit, mit welcher der Zigeuner ihn foppen wollte.

Zuerst faßte sich der Oberstuhlrichter, läutete dem Husaren und befahl, dem Zigeuner sogleich fünfundzwanzig Stockstreiche zu verabfolgen. Dies glaubte der gestrenge Herr sich und seiner beleidigten Amtsehre schuldig zu sein.

Es ist die Art der Zigeuner, daß sie in solchen freilich sehr bedenklichen Fällen wie die Hunde vor dem Streich schreien, und so machte es auch dieser heute wieder. Er wehklagte und schrie und erzählte unter anderem auch in seiner Herzensnot,[282] wie er mit dem gnädigen Herrn Husaren vorher halbpart gemacht habe. Darüber wurde der Oberstuhlrichter noch grimmiger und befahl, auch an dem Husaren dieselbe Strafe zu vollziehen. Da half kein Beteuern und kein Bitten, der erzürnte Richter war erst beruhigt, als die fünfzig Stockstreiche aufgemessen waren und beide Gestraften ihm die Hand geküßt und sich für die gnädige Strafe bedankt hatten.

Jetzt eilte der schwarzbraune Heidesohn heim, um mit seinem Weibe die genaueste Abrechnung zu halten, denn er wußte wohl, daß nur sie die alleinige Urheberin seines Mißgeschicks sein konnte. Wenn er ihr nun auch von den Schlägen, die er eben erhalten hatte, nichts mitteilen konnte, so soll sie, wie die Geschichte erzählt, doch ebenso kostbare dafür empfangen haben.

1

Jupîne catană – Herr Soldat!

Quelle:
Schott, Arthur und Albert: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat. Bukarest: Kriterion, 1975, S. 281-283.
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