702. Das gereizte Gespenst auf Obsaum.

[147] Über eine Terrasse am Abhang der »Spitze« dehnen sich die grünen Triften der Alp Obsaum. Man erzählt sich, dass einst eine Lawine, die daselbst niederstürzte, auch einen Schweignapf mit sich fortgerissen und durch die Lüfte über die ganze Breite des Tales hinüber bis in den Espen beim Getschwyler geschleudert habe.

In einer der Hütten aber spukt schon lange ein Geist und spielt von Zeit zu Zeit den Älplern arge Streiche. So fand man schon öfters am Morgen zwei Geissen an eine einzige Kette zusammengebunden.

Zwei schlimme1 Burschen erlaubten sich einmal im Herbst, als die Alp schon verlassen war, den Spass, das Gespenst durch Zurufen herauszufordern. Aber die Freude verging ihnen bald; drinnen in der Hütte erhob sich in den verschiedenen Gerätschaften, in den Eimern, Pfännchen, Holzschuhen usw. ein furchtbares Gepolter und Getöse, so dass die beiden nichtsnutzigen Störenfriede schleunigst Reissaus nahmen.


Mitg. von Pfr. Jos. Arnold.


Fußnoten

1 Das isch ä schlimmä Büeb. D'Büebä miënt ä chly schlimm sy; hier bedeutet »schlimm« etwa soviel wie: zu lustigen Streichen aufgelegt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 147.
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