1012. Arme Seelen bannen.

[15] Wenn man die armen Seelen eines Hauses bannt, soll man sie nie ganz weg bannen, sondern so, dass sie noch unter Dach und Fach sind, an Feuer und Licht und am Gebete »Teil und Gmein« haben, aber nicht schaden und sich nicht sichtbar machen können.

Eine Frau liess auch einmal ihr Haus einsegnen und die armen Seelen bannen, aber sie liess dieselben ganz zum Hause hinausbannen. Seitdem hörte sie jeden Abend vor dem Hause weinen. Sie fragte den Pfarrer, was das sei, und dieser sagte ihr, das sei ihr verstorbener Mann, und fragte, wie sie habe einsegnen lassen. Sie sagte wie, und da machte ihr der Pfarrer Vorwürfe und änderte auf ihren Antrag den Bann; er erlaubte den armen Seelen, unter Dach zu bleiben, liess sie Anteil[15] haben an Feuer und Licht und am Gebete, aber verbot ihnen zu schaden oder sich sichtbar zu zeigen. Jetzt hörte die Witwe ihren Mann nicht mehr weinen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 15-16.
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