Achtundvierzigste Geschichte
Wie es einem Mann mit einem Sperling und einer Schwalbe ergangen

[233] Ein andermal sprach der Graf Lucanor also zu seinem Rate Patronius: Ich habe zwei Nachbarn, von denen ich den einen oder den andern unvermeidlich bekriegen muß, und es trifft sich, daß der eine von ihnen gerade mein nächster Nachbar ist. So bitte ich Euch denn, ratet mir, was ich dabei tun soll.

Herr Graf, erwiderte Patronius, damit Ihr hierbei das Zweckmäßigste wählet, wäre es gut, Ihr hörtet, was einmal einem Manne mit den Sperlingen und den Schwalben begegnet ist.

Der Graf fragte, was das gewesen sei, und Patronius sagte:

Ein kränklicher Mann erzürnte sich sehr über das Geschrei der Vögel und bat einen Freund, ihm doch einen Rat dagegen zu geben, denn er könne vor dem Lärm, den die Sperlinge und Schwalben machten, nicht schlafen. Sein Freund erwiderte:[233] Gegen beide zugleich könne er nicht Rat schaffen, wohl aber wisse er ein Zaubermittel, um ihn von einem derselben, entweder vom Sperling oder von der Schwalbe, zu befreien. Da sagte der Kranke, die Schwalbe schrie zwar öfter und lauter, da sie aber hin und her flöge, während der Sperling beständig zu Hause sitze, so wolle er schon lieber dem vorübergehenden Geschwätz der Schwalbe ausgesetzt sein, als den Lärm des Sperlings unaufhörlich im Hause haben.

Euch dagegen, Herr Graf Lucanor, rate ich, lieber mit dem entfernteren, wenngleich mächtigeren Gegner anzubinden als mit dem nächsten Nachbar, und wenn dieser auch noch so gering an Macht wäre.

Der Graf fand diesen Rat gut, richtete sich darnach und befand sich wohl dabei, und da dem Don Juan das Beispiel gefiel, ließ er es in dieses Buch schreiben und machte nachstehenden Reim dazu:


Muß Kampf sein, halt dir 'n fern vom Haus,

Und gäb es drum auch härtern Strauß.

Quelle:
Don Juan Manuel: Der Graf Lucanor. Übertragen von Joseph von Eichendorff. Leipzig: Insel, 1961, S. 233-234.
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