I. Vom verstellten Narren.1

Es war einmal ein königlicher Sohn, ein Prinz. Er sagte zu seinem Vater, er werde in die Welt hinausziehen, um die Welt kennen zu lernen. »Na«, sagt dieser, »was wirst du dort in der Welt machen? Du bist doch kein Handwerker?« Er ging also. Der Vater liess ihn gehen und er ging in die Welt wandern. Also wanderte er bis in ein anderes Land. So gelangte er bis zu einer Stadt.

Als er hinkam, ging er zu einem Gärtner und bat ihn um Arbeit, ob er ihn nicht als Gesellen aufnehmen möchte. Und dieser sagte: »Ah, ich allein darf nicht, das ist ein königlicher Garten, aber ich muss den Herrn König fragen, ob ich einen Gesellen aufnehmen darf.« Der König willigte ein; wenn er geschickt sei, so solle er ihn nehmen. Also wies ihm der Gärtner im Garten die Arbeit an, die Bäume zuzuschneiden und den Garten zu reinigen. Es ging ihm gut bei ihm, er hatte eine gute Kost und alles, was er brauchte; ihm gefiel das. Schon wohnte er dort einige Wochen.

[67] Also der König hatte eine Prinzessin, die sagte zu sich: »Ich möchte gerne diesen Gesellen zu sehen bekommen, was für ein Mensch das ist.« Sie ging also hin in den Garten spazieren, die Prinzessin. Als sie hinkam in den Garten, wand er einen schönen Blumenkranz. Sie ging zu ihm, grüsste ihn, bewillkommte ihn und er sie; er wüsste schon was zu thun. Sie schaut ihn an und sagt zu ihm, was er für den Kranz wolle; sie werde ihn ihm abkaufen. Er wollte aber kein Geld dafür; sie solle ihm nur erlauben, in ihre Stube zu kommen. Sie sagte zu ihm: »Das kann nicht sein, dorthin darf kein Mann zu mir kommen, nur eine Frau.« Sie belehrte ihn aber, dass sie ihm abends die Frauenkleider durch das Dienstmädchen schicken werde; er solle die Frauenkleider anlegen, und dann werde er zu ihr kommen können. Er kleidete sich also wirklich in die Frauenkleider um und ging abends zu ihr. Nachdem er also zu ihr gekommen war, unterhielten sie sich, sie hatte gute Speisen bereit, gute Getränke; so erzählten sie sich verschiedene Dinge, und dann wollte er zu ihr ins Bett schlafen gehen, aber sie willigte nicht ein. Zeitlich früh kehrte er wieder zum Gärtner in den Garten zurück und arbeitete nach allen seinen Kräften. Sie fühlte doch nach ihm Begehren, er gefiel ihr sehr; sie ging wieder in den Garten spazieren. Er aber wand wieder einen Kranz, einen kostbaren Kranz. War der erste schön, war dieser noch schöner; ihr gefiel er wieder noch besser als der erste. Sie wollte also den Kranz von ihm, wollte ihn ihm bezahlen; sie werde ihn gut bezahlen. Er wollte ihr ihn schenken, sie wollte ihn aber nicht um sonst haben. Sie verabredeten sich also, sie nahm ihn für den Kranz wieder zu sich auf die Nacht. Sie schickte ihm wieder die Frauenkleider, und er kam auf die Nacht zu ihr. Als er also zu ihr kam, war alles wieder zum Essen und Trinken bereit. Also endlich wollte er, sie solle ihm erlauben, sich mit ihr ins Bett legen. Also sie willigte schon ein, er dürfe sich zu ihr legen. Als sie so lagen, legte sie einen Säbel inmitten, damit er sich nicht rühre. Das alles war aber vergebens; sie selbst schob dann den Säbel beiseite und sie spassten so lange miteinander, bis sie etwas ausführten. Also früh ging er wieder nach Hause in den Garten arbeiten. Indessen ging sie nicht mehr in den Garten; schon einige Wochen ging sie nicht mehr in den Garten. Aber mit ihr war es schon anders auf der Welt, sie war krank, weil sie schon schwanger war. Sie kam also einmal zu ihm in den Garten und beschwerte sich bei ihm, dass es ihr schlecht gehen wird, bis der Vater erfährt, wie es mit ihr steht. Er riet ihr also, recht viel Geld als Reisekosten mitzunehmen, da sie fliehen wollten. Sie aber that es wirklich so. Sie nahm viel Geld, und zur Nachtzeit ging er mit ihr in die Heimat, zu seinem König. Alles Geld nahm er ihr ab, sie liess nichts für sich zurück.

Sie kamen in ein Dorf, sie war hungrig. Er sagte: »Alles ist vergebens, das Geld haben wir verbraucht, wir haben kein Geld mehr, wir müssen betteln gehen. Du gehst auf diese Seite (des Dorfes) betteln und ich werde auf diese Seite betteln gehen. Jeder extra.« Er ging aber in ein Wirtshaus, dort ass er, trank, machte Einkäufe und sie ging von einer Hütte zur andern und bettelte. Sie bettelte einige Stücke Brot, er kaufte einen ganzen Laib Brot im Wirtshause, zerschnitt ihn in lauter Stücke. Nun schaute er nach ihr, wo sie herumging. Wie sie also zusammenkamen, [68] gingen sie wieder miteinander. Sie zeigte ihm also, wieviel Brot sie hatte, und er zeigte auch sein Brot. Sie sagte zu ihm: »Wie kommt es, dass all dein Brot gleich ist, meine Brotstücke aber jedes anders?« Er sprach zu ihr: »Ja auf dieser Seite backen sie von einer Hütte zur andern alle gleiches Brot, dort aber, auf der Seite, backen sie in jeder Hütte ein anderes Brot.« Sie ass also von dem Brote, er aber ass nichts, er brauchte es nicht; er hatte sich schon im Wirtshause am Braten sattgegessen und am Weine sattgetrunken. Schon waren sie in ihre Stadt gekommen, woher er war, wo sein Vater König war.

Also er ging und mietete ein Quartier und sagte zu ihr: »Da wirst Du wohnen« und ging fort. Es dauerte nicht lange, in kurzer Zeit kam er zu ihr und sagt zu ihr: »Morgen wird da ein Jahrmarkt sein.« Er ging und kaufte neue Töpfe vom Töpfer und sagte zu ihr: »Da auf diesem Platze wirst Du die Töpfe verkaufen.« Also sie ging auf den Platz, den er ihr angewiesen hatte, und er ging nach Hause zu seinem König, zu seinem Vater, und erzählte ihm alles, was er gethan. Also nahm er einen Kutscher mit Wagen, mit zwei Pferden, und fährt auf dieselbe Stelle, wo sie mit den Töpfen sass, (wo sie) verkaufte. Und dem Kutscher befahl er, er solle die Töpfe überfahren, um sie alle zu zerschlagen. Dieser that es wirklich so und zerschlug alle Töpfe. Sie weinte also und ging in ihre Wohnung. Er aber fuhr wieder nach Hause, kleidete sich um und ging zu ihr. Sie weint und klagt. Er fragte sie, warum sie weine? »Es fuhr ein solcher und solcher Herr, und der Kutscher fuhr in die Töpfe hinein und zerschlug alle.« Er sagte also zu ihr: »Na, weine nicht, das macht nichts.«

Er sagte zu ihr: »Ich werde ein Wirtshaus mieten, ich kaufe die Getränke, und es sind viele Soldaten da; jeder Soldat trinkt gerne den Branntwein. So können wir viel Geld dabei gewinnen.« Er kaufte also die Getränke, das Wirtshaus, und sie sollte als Wirtin den Soldaten den Branntwein verkaufen. Und er liess im Heere kundmachen: »Diejenigen, die grosse Trinker sind, sollen hin in das Wirtshaus gehen;« und er schenkte ihnen das Geld, dass sie trinken und ihr noch mehr zahlen sollten, als sie verlangen würde. Die Soldaten waren froh – jeder trinkt gerne, – tranken und zahlten gut. Sie hatte einen schönen Gewinn und hatte keine Getränke mehr. Also die Soldaten wollten trinken, sie hatte nichts mehr. Die Soldaten zogen sich also zurück und gingen nach Hause, jeder in seiner Richtung. Er kam zu ihr: »Nun, wie ist es Dir gegangen?« »Ah gut. Das sind brave Soldaten, die tranken und zahlten gut. Ich habe mehr Geld, als ich verdient hatte.« Er sagte also zu ihr: »Morgen wirst Du wieder hingehen, und wir müssen von den Getränken mehr einkaufen.« Den zweiten Tag also war sehr viel zum Trinken; sie ging wieder hin verkaufen, und er befahl den Soldaten, sie sollen hingehen und gut trinken, aber zahlen, das sollten sie nicht thun. Sie sollten die Gläser zerschlagen, ihr aber sollten sie nichts Böses anthun. So hatte er befohlen gehabt. Also sie floh weinend fort, es war nichts mehr zum Verkaufen; auch hatte sie kein Geld mehr.

Er sagte zu ihr: »Weisst Du was, ich gehe zum König und werde den König bitten, dass er Dich als Köchin hin in die Küche nehme.« [69] Also gut. Er nahm sie mit und führte sie hin. Sie kochte also in der Küche und that alles, was eben zu thun war. Es war eben an dem Tage, wie sie schon dort war, ein grosses Gastmahl, grosse Herrschaften waren dort und es war Musik da. Sobald das Essen zu Ende war, spielte die Musik und sie tanzten. Als sie tanzten, sie hatte schon vorher so befohlen gehabt, wenn sie Köchin sein würde, hatte sie einen Topf mit zwei Henkeln bereit, den wolle sie sich an die Beine anbinden und von allem, was zum Essen sein würde, das Fleisch, die Brühe, wolle sie für ihn nehmen, zum Essen. Als alle schon tanzten, ging er als Prinz in die Küche – sie erkannte ihn nicht – und nahm sie zum Tanz. Sie wollte aber nicht gehen, zuletzt musste sie aber doch gehen. Er, sobald er mit ihr zu tanzen anfing, einmal, zweimal herum, stiess ihr mit dem Knie an den Topf, der Topf zerbrach, und die Brühe, das Fleisch, alles war am Fussboden. Also war (es) eine grosse Schande. Sie fing an bitterlich zu weinen. Er nahm sie aber gleich bei der Hand, unter den Arm, mit in eine Stube, sie solle sich nichts daraus machen; es lag dort schon ein schönes Kleid, wie es einer Prinzessin gebührt, bereit; er gab sich ihr zu erkennen und bat sie um Verzeihung, er habe sie nur geprüft, als er sie so quälte; und nun also bat er den Vater, er solle ihm sie zu heiraten erlauben und sie zur Frau zu nehmen. Nun machten sie also eine schöne Hochzeit. Früher noch, ehe die Hochzeit war, schickten sie einen Brief an den König, ihren Vater: »Der und der nimmt sie.« Nun hatte dieser auch eine grosse Freude darüber; er wurde auf die Hochzeit geladen. Er kam mit schönem Gelde gefahren, gleich brachte er einige Tausend Aussteuer mit, und nun assen und tranken sie, bis ihnen alle Adern sprangen – und backten das Brot aus Korn, und du, Kostka, lüge nicht.

Fußnoten

1 Den Stoff vom verstellten Narren behandelte unter diesem Titel zuerst F. Liebrecht in Orient und Occident I (116–125). Die Versionen aus der Volksüberlieferung besprach E. Cosquin in seinen Contes populaires de Lorraine etc. No. XLIV u. Anm. Neue Beiträge samt Zusammenstellung der anschlägigen Litteratur lieferte H.v. Wlislocki in der Germania N.R. XXI. 1888 (342 ff.) – Die Originaltexte der hier abgedruckten Stücke wurden im J. 1888 in den entlegenen Dörfern der Umgebung von Roznov im östlichen Mähren (in der mährischen Walachei) abgelauscht und niedergeschrieben. Das erste Stück erzählte ein etwa siebzigjähriger Schuster, Josef Kostka, der jetzt bei seinen Verwandten in Solánec lebt und sich manchmal als Führer auf den Berg Radhos verdingt. Er ist dort in der Gegend geboren, als Soldat diente er nicht, als Geselle kam er bis in die Umgebung von Brünn. Lesen kann er, früher verstand er auch ein wenig deutsch.

Die Märchen hörte er zu Hause als Knabe und dann auf seiner Wanderschaft erzählen. Jetzt erinnert er sich nicht mehr so genau auf alle Einzelheiten, er erzählt jedoch ruhig, überlegt dabei und hat noch eine beträchtliche Menge von verschiedenen Stoffen im Gedächtnis behalten. Er spricht den mährisch-walachischen Dialekt, bemüht sich jedoch, sich der Schriftsprache möglichst zu nähern. Jede Erzählung beendigt er mit einem von ihm selbst komponierten Doppelreim, auf den er recht stolz ist; dieser lautet im Originaltexte:


Napékli si tam chleba ze rži,

a ty, Kostko, nelži.


(Sie backten sich dort das Brot aus Korn – und du, Kostka, lüge nicht.)

Quelle:
Tille, Václav: Zwei böhmische Märchen [...]. In: Zeitschrift für Volkskunde in Sage und Mär [...] 2 (1890) 67-70, 107-115, Leipzig: Frankenstein und Wagner, S. 67-70.
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