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In alten Zeiten, als noch der französische Kaiser und der englische König herrschten, waren sie grosse Kameraden. Sie führten einmal Krieg miteinander und der französische Kaiser siegte. Nun zürnte ihm der englische König sehr. Der französische Kaiser aber hatte eine Abbildung der Prinzessin des englischen Königs, welche Afanasie hiess, und hielt sie – jenes Bild – im Zimmer eingesperrt, damit es keiner von seinen Söhnen zu sehen bekäme. Sie war sehr schön.
Er hatte nämlich zwei Söhne; der eine hiess Ladislav, der andere hiess Rudolf. Rudolf war der jüngere. Einmal vergass der Vater das Zimmer zuzusperren. Ladislav kam einmal in das Zimmer, sah dort die Afanasie abgebildet; sie war so schön, dass ihm, sobalt er sie gesehen, das Herz vor Freude jubelte. Er beschloss bei sich und schwur zu Gott, dass er sie bekommen müsse. Er wusste zwar zu gut, dass sein Vater mit dem englischen König auf feindlichem Fusse stand, er achtete aber nicht darauf. Er bat einmal den Vater, dass er ihm in andere Städte zu reisen erlaube, um sich zu überzeugen, wie es mit der Ordnung im Heere stehe und wie das Heer lebe. Der König gab ihm recht und erlaubte es ihm. Er machte sich auf und fuhr direkt zur See. Als er an der See ankam, so bezahlte er [107] ein Schiff für sich und fuhr auf die andere Seite. Als er aber glücklich auf die andere Seite, nach England, in die Hauptstadt wo der König war, gelangte, gelangte er glücklich bis zu ihm in seinen Palast. Sobald ihn der König erblickte, erkannte er ihn sogleich, dass er des französischen Kaisers Sohn sei. Er befahl also seinen Dienern, sie sollten ihn gleich nehmen, binden und backen. Nachdem er gebacken war, liess er für ihn eine Kiste aus Brettern machen; in diese Kiste steckten sie ihn und vernagelten sie und schickten sie zurück nach Frankreich. Er schrieb ihm noch, er solle sich ihn gut schmecken lassen. Der Kaiser, sobald er es bekam, verfiel mit der Frau und mit dem Sohne in grossen Kummer.
Nun hatte er nur einen einzigen Sohn, Rudolf, und auch der wuchs schon heran. Einmal ging der Vater zufälligerweise fort. Er liess einen Schlosser holen und befahl ihm, jenes Zimmer zu öffnen. Er wollte das Bild sehen, wie die Prinzessin aussieht. Der Schlosser öffnete ihm das Zimmer. Er schaute das Bild an; wie er das Bild anschaute, beschloss er bei sich, dass er die Afanasie bekommen müsse, dass er für sie lebe und leben werde. Nur spekulierte er aber, wie er abreisen könnte. Er bat einmal den Vater, er möge ihm hinaus erlauben, die Städte zu bereisen, um zu sehen, wie das Volk in den andern Städten lebe. Der König wollte es ihm aber nicht erlauben. Nicht einmal hören wollte er davon, weil er nur einen einzigen Sohn hatte. Er dachte bei sich: »Ach was, wenn er so etwas von der Prinzessin weiss und auch nach England reisen wird, da könnte ich ihn auch leicht verlieren.« Rudolf bat ihn aber täglich, er solle ihn reisen lassen, wenn er um ihn so eine Furcht hege, solle er ihm zehn Mann Soldaten als Wache mitgeben. Nun willigte der Kaiser ein. Alle Soldaten mussten einen Eid ablegen, sie wollten den Kopf verlieren, wenn sie ohne Rudolf zurückkämen, oder wenn ihm etwas geschehe. Rudolf trat also mit den Soldaten die Reise an. Er reiste aber geraden Wegs zum Schwarzen Meere. Dort mietete er ein grosses Haus; und die Soldaten mussten überall wohin er ging, ihm nachgehen; so fürchteten sie, dass sie ihn irgendwo verlieren könnten. Einmal bezahlte er einem Kapitän, dass er ihn auf das Schiff nehme; er befahl seinen Soldaten, ihn den folgenden Morgen nicht um sieben, sondern um acht Uhr zu wecken. In der Nacht, als die Soldaten im Hause schliefen, schlich er langsam aus dem Hause fort und ging auf das Schiff. Wie er es betrat, stach das Schiff gleich in die See, weil der Kapitän von Rudolf bestochen war. – Die Soldaten gingen früh um acht Uhr den Rudolf wecken, Rudolf antwortet ihnen nicht. Sie warteten also eine halbe Stunde. Sie gehen, wecken ihn, niemand lässt sich hören. Sie gingen zu einem Schlosser, der Schlosser öffnete ihnen das Zimmer, Rudolf war nicht darin. Also klagten sie um den Rudolf, dass sie gut wüssten, dass sie den Kopf verlieren würden, dass sie vor dem Kaiser schwuren und jetzt sollten sie ohne Rudolf nach Hause kommen. Dort in der Stadt warteten sie drei Tage und konnten ihn nicht finden.
Wie konnten sie ihn finden, wenn er auf der See fuhr. Darauf nach drei Tagen rückten sie aus und kehrten nach Hause zurück. Sie kamen zum Kaiser und erzählten ihm, was mit dem Rudolf geschehen ist, dass sie ihn verloren haben und dass sie ohne ihn nach Hause kommen. Nun war der König gleich aufgeregt und liess sie gleich ins Gefängnis werfen. Er[108] sagte: »Tag und Jahr werdet ihr im Gefängnis bleiben. Wenn Rudolf nach einem Jahre und einem Tage zurückkehrt, werdet ihr Gnade bekommen; kehrt er aber nicht zurück, wird ein jeder um den Hals kürzer werden.«
Nun gelangte der liebe Rudolf glücklich über das Meer hinüber. Als er das Meer verliess, so begegnete er einem Bettler. Er sagt: »Bettler, ziehe dein zerrissenes Kleid aus und ich gebe dir mein schönes, wir werden mitsammen tauschen.« Der Bettler sagt: »Habet mich nur nicht zum Narren deswegen, dass ich zerrissen herumgehe.« Rudolf sagt: »Keinen Narren, ziehe dich nur aus, ich ziehe mich schon auch aus.« Als der Bettler sah, dass Rudolf sich auszieht, zog er sich auch aus. Rudolf legte die zerrissenen Kleider an. Der Bettler zog die Kleider des Rudolf an. Nun musste der Bettler dem Rudolf noch seinen zerrissenen Korb geben und einige Brotstücke darin. Nun sah Rudolf in dem Kleide aus, wie wenn er fünfzig Jahre alt wäre. Rudolf begann also zu betteln, bis er in die Stadt gelangte, wo der König wohnte, stets bettelnd, bis er den Korb fast voll von Brot hatte.
Er kam in die Burg gerade wie es 12 Uhr mittags schlug. Die Wache wechselte und er kroch unterdessen dort unter, bis er in die Burg gelangte und schaute seitwärts hinauf. Der König speiste eben mit der Prinzessin. Er öffnet die Thür und bettelt. Der König springt in die Höhe und sagt: »Was ist das für eine Ordnung, dass die Wache einen Bettler in die Burg hineinlässt? Der Bettler wird heute gehenkt und die ganze Wache wird aufgehängt.« Die Prinzessin bittet den Vater, er solle ihnen das Leben schenken, und er sagt: »Wenigstens diesen Bettler, an dem werde ich mich rächen.« Die Prinzessin bittet den Vater, er solle ihm das Leben schenken, sie sehe an ihm, an dem Bettler, dass er ohnedies ein Narr oder recht dumm sei; er möge ihm also das Leben schenken; dass man ohnedies in jeder Burg einen Narren habe, dass also auch sie sich diesen halten können. Und so bat sie also den Vater, dass sie ohnedies einen Gärtner hätten, der zu alt sei, der bald sterben werde; dieser Gärtner könnte ihm die Gärtnerei lehren. Der König sagt: »Siehst du, Afanasie, du hast recht. Unser Gärtner kann ihm alle die Blumen, die wir in unserem Garten haben, kennen lehren.« Er liess also den Gärtner herbeirufen. Der Gärtner kam, der König sagt: »Herr Gärtner, da haben Sie einen Mann, ich will, dass Sie ihm die Gärtnerei lehren.« Der Gärtner also sagt: »Euer königliche Majestät, ich bin zufrieden.« Die Prinzessin gab ihm also das Kleid, einen schönen Hut, alles. Als er aber das schöne Kleid anlegte und sich abwusch, war aus ihm so ein schöner Mensch geworden, dass die Prinzessin ihr Leben lang keinen so schönen Menschen gesehen hatte. Sie war aber ganz und gar in ihn verliebt.
Nun arbeitet er also in dem Garten. Der Gärtner sagt: »Also siehst du, Rudolf, diese Blumen liebt die Prinzessin am meisten. Die wirst du schön behacken und das Gras auspflücken; bis sie behackt sein werden, wirst du sie schön begiessen.« Er sagte: »Onkel, das thue ich.« Der Gärtner ging fort, und er pflückte alle die Blumen aus, und das Gras behackte er schön und begoss es. Der Gärtner kam zu ihm und sagt: »Um Gottes willen, du hast die schönen Blumen ausgepflückt, und das Gras hast du behackt und begossen; nun siehst du, du Esel, was du angestellt hast!«[109] Und gab ihm ein Kopfstück. Er fing an zu weinen, ging zum König, sagt: »Onkel, der Gärtner hat mich geschlagen.« Der König liess sich den Gärtner rufen: »Warum haben Sie ihn geschlagen?« »Euer königliche Majestät, er pflückte mir die schönsten Blumen aus und warf sie hinaus und das Gras behackte er. Ich habe ihm gesagt, er solle das Gras auspflücken und die Blumen behacken, und er that es umgekehrt. Euer königliche Majestät, ich werde mich lieber für den Dienst bedanken, als ihn noch in der Lehre behalten und mich mit ihm ärgern.« Der König sagte: »Nun, ich werden Ihnen was sagen, Herr Gärtner: weisen sie ihm dort ein Stück Garten an, lassen Sie ihm dort ein Häuschen bauen, er soll dort allein die Blumen pflegen, Sie werden sehen, was es mit ihm sein wird.«
Der Gärtner ging also gleich und wies ihm dort ein Stück Garten an und liess ihn dort ein Häuschen bauen. Er zog dorthin gleich ein, ging in seinen Garten, den ihm der Gärtner zugewiesen hatte, und pflegte dort seine Blumen. Es wuchs dort aber nichts anderes als Klettenkraut und daran solche Knöpfe; und das Klettenkraut behackte er so schön – bis der Gärtner einmal zu ihm kam. Er sagt: »Siehst du, du Esel, da hast du dein Gras schön behackt; was hast du davon? Nichts. Morgen ist der Afanasie ihr Namenstag, jeder Bursche wird ein schönes Bouquet aus Blumen machen, wird eine schöne Gabe von der Afanasie bekommen; ich werde sehen, was du für ein Bouquet machen wirst.« »Ich werde schon ein Bouquet machen, Onkel.« Er ging in der Nacht, pflückte schöne Blumen im Garten und machte ein schönes Bouquet; er band es mit einer goldenen Kette zusammen, befestigte einige Ringe darauf, und trug es zur Prinzessin an ihrem Namenstage. Der Gärtner sah ihn aber, als er in die Burg hineinging; er gab also auf ihn acht, bis er zurückgehen würde. Als Rudolf in die Burg kam, wünschte er der Prinzessin so schön, dass sie ihn verwundert ansah – und da reicht er ihr das schöne Bouquet. Sie ging also und gab ihm den Hut voll von goldenen Dukaten. Er nahm sie und lief damit in seine Hütte. Der Gärtner aber läuft ihm nach, sagt: »Rudolf, was hast du von der Prinzessin bekommen?« Er sagt: »Schauet nur, was sie mir gab: den Hut voll von Knöpfen, und die haben noch dazu keine Löcher; ich kann sie nicht einmal auf den Rock annähen. Was werde ich also damit machen? Nehmet es euch Onkel.« Der Gärtner schnappte danach und läuft voll Freude nach Hause; »Schau nur, Weib, wie der Mensch dumm ist. Die Prinzessin gab ihm den Hut voll von Dukaten, und er denkt, es seien Knöpfe; so sagte er zu mir, ich solle mir sie nehmen.« Nun schickte die Prinzessin zu Rudolf ihre Gouvernante. Die Gouvernante geht: »Herr Gärtner, die Prinzessin lässt Euch sagen, was Sie haben wollen, wenn Sie ihr noch ein solches Bouquet machen?« Er sagt: »Einen Schub gegossener, mit Pflaumenmus geschmierter Talken.« Na, die Prinzessin willigte also ein, dass ja. Er machte also gleich noch ein schönes Bouquet und trägt es ihr in die Burg. Dieses war aber noch zweimal so schön wie das erste. Er reichte es der Prinzessin. Sie nahm es und lachte ihn an. Der Schub gegossener Talken war bereit, die Gouvernante beschmierte sie mit Pflaumen, und er ass sie; und anstatt dass er sie, so wie sie liegen, der Länge nach essen sollte, ass er sie so der [110] Breite nach und beschmierte sich das ganze Gesicht, so dass die Prinzessin sobald sie ihn ansah, wie er beschmiert war, sich nicht des Lachens enthalten konnte. Die Prinzessin sagt: »Herr Gärtner, was gebe ich Ihnen, wenn Sie mir noch ein solches Bouquet machen?« Er sagt: »Nehmet mich mit zum Schlafen« Sie sagt: »Es gilt«, weil Rudolf ein sehr schöner Mensch war. Er ging also gleich noch an demselben Tage und machte wieder ein schönes Bouquet und band es mit goldener Kette, an der eine kleine goldene Uhr angehängt war. Als er es brachte, reichte er es der Prinzessin; sie nahm es von Rudolf an und schaute den Rudolf an und lachte freundlich. Er ging also mit der Prinzessin schlafen; und die ganze Nacht – statt dass er sie berührt hätte – kümmerte er sich nicht einmal um sie. Früh sagte sie zur Gouvernante: »Denken Sie sich nur, er kümmerte sich gar nicht um mich. Den nehme ich jede Nacht zum Schlafen mit.« Sie liess ihn rufen: »Herr Gärtner, was gebe ich Ihnen, wenn Sie mir noch so ein Bouquet machen? Das wird aber schon das letzte sein.« »Nehmet mich noch einmal mit zum Schlafen.« Sie sagt: »Recht gerne.« Er ging also und machte noch ein Bouquet, darauf band er aber schönes Gold und allerlei wertvolle Kleinodien, dass das Bouquet viele Tausend wert war. Er bringt es der Prinzessin; die Prinzessin nimmt es in die Hand und gibt dem Rudolf einen schönen Kuss dafür, weil Rudolf ein bildschöner Mensch war. Sie dachte aber im Herzen bei sich an Rudolf und er an sie. Abends gingen sie schlafen, sie fragte ihn verschiedenes aus, woher er sei. Er sagte zu ihr, er sei aus einem Lande eines Kaufmanns Sohn. Sie liebkosten also miteinander in der Nacht. Sie gaben sich das Gelübde, einer dem andern, dass sie heiraten würden. Rudolf aber, wie er bemerkte, dass die Prinzessin schwanger sei, so spekulierte er, wie er mit der lieben Prinzessin über das Meer fliehen könnte. Und davon wusste niemand unter ihnen als Rudolf, die Prinzessin und die Gouvernante. ... Der König und die Königin wurden einmal in ein Städtchen auf ein Gastmahl geladen. Nun bereitete sich Rudolf mit der Prinzessin auf die Reise, sie nahm alle ihre Kleider und viel Geld. Rudolf ging gleich, bezahlte das Schiff und sie segelten auf die andere Seite. Die Gouvernante hatte verboten, jemandem etwas davon zu sagen, bis der König nach Hause kommt und, wo die Prinzessin sei, fragen wird, dann solle sie sagen, sie wisse nicht. Der König kam nach Hause. Früher, wenn er von irgendwo zurückkehrte, lief ihm die Prinzessin immer entgegen; jetzt kam sie ihm nicht mehr entgegen. Er fragt die Gouvernante: »Wo ist die Prinzessin?« Sie sagte, sie habe sie abends in ihr Zimmer begleitet, früh als sie öffnen kam war niemand drinnen. Er fragte: »Wo ist Rudolf?« Sie sagt, dass sie es nicht wisse. Er schickte gleich in den Garten, den Rudolf zu suchen. Rudolf war nirgends. Der König liess also gleich ein Schreiben aufschreiben, welches an jede Ecke angeklebt wurde: dass derjenige, der den Rudolf lebendig bringen wird, fünfzig Tausend für ihn bekommt.
Rudolf gelangt also mit der lieben Prinzessin glücklich auf die andere Seite. Nun kaufte Rudolf einen schönen Wagen und die Pferde, und sie fuhren nach ihrer Heimat. Als sie so einige Tage fuhren, sagt Rudolf zur Afanasie: »Siehst du, ich habe kein Geld mehr, ich muss die Pferde und den Wagen verkaufen, und kaufe bloss ein Pferd und eine Droschke.« [111] Sie sagt: »Teuerer Rudolf, ich bin zufrieden.« Nun fuhren sie wieder einige Tage. Er sagt: »Siehst du, teuere Afanasie, ich habe wieder kein Geld mehr; wir verkaufen also das Pferd samt der Droschke und kaufen uns nur so einen Schubkarren. Eine Weile ziehe ich dich, dann ziehst du wieder mich.« Sie sagt: »Ich bin zufrieden.« Er kaufte also den Karren, setzte sie hinein in den Karren und setzte mit ihr den Weg fort. Sie war aber daran nicht gewöhnt; weil sie aber den Rudolf so lieb hatte, wollte sie sich an alles gewöhnen. Er sagt also zu ihr: »Siehst du, teuere Afanasie, ich habe wieder kein Geld mehr, und so ein seidenes Kleid, wie du es anhast, pflegt man bei uns nicht zu tragen. Du musst dir einen kurzen, roten Oberrock, nur bis an die Knie, und eine rote Jacke und auf den Kopf nur ein Kopftuch kaufen.« Sie war das nicht gewöhnt, weil sie aber den Rudolf lieb hatte, musste sie sich daran gewöhnen. So gelangten sie glücklich zur königlichen Stadt. Er sagte zu ihr: »Bleibe hier bei dem Karren; ich muss zu meiner Mutter gehen und dich ihr anmelden, ob ich dich in ihr Häuschen mitbringen darf. Dann muss ich dir sagen: ich bin kein Kaufmannssohn, ich bin der Sohn einer Hökerin, und die ist sehr bös. Ich werde dich also anmelden gehen.« Sie sagt: »Gehe also, teuerer Rudolf.« Und sie weinte, die Arme. Sie sagt: »Siehst du, was für einer Herkunft ich bin; und du hast mich in so ein Unglück gebracht.«
Rudolf ging also zu einer Hökerin, sagt: »Du, Alte, ich sage dir: Ich führe mir eine Prinzessin von England mit, ich bin Prinz Rudolf. Bis ich dir meine Prinzessin herführen werde, also zanke sie tüchtig aus und sage: ›Was für einen Schandbalg hast du dir mitgebracht?‹ Dass du mir sie ja nicht nachher hineinlässt!« Und Rudolf machte sich auf und ging um die liebe Prinzessin. Sie wartete dort auf ihn, die Arme. Er sagt: »Also komm, Afanasie, ich habe dich bei meiner Mutter schon angemeldet.« Sie zog den Karren und er schob. Wie sie also in das Häuschen, wo die Hökerin wohnte, kamen, lief diese, sobald sie sie erblickte, dass sie mit dem Karren herfuhren, heraus und sagte: »Du mordverfluchte Seele, so einen Schandbalg hast du dir mitgebracht?« So schimpfte und schrie die Alte. Als dessen schon genug war, winkte ihr Rudolf zu, und sie hörte damit auf. Sie gingen in das Zimmer, sie sagte: »Was soll ich euch zum Essen geben, wenn ich selbst nichts habe?« Rudolf sagt: »Gebet uns nur doch was zum Essen, wir haben Hunger.« Sie hatte dort also gekochte Erdäpfeln zum Schälen. Die Hökerin ging also, nahm die Erdäpfel samt dem Topfe und schüttelte sie auf den Tisch heraus. Sie sagt: »Etwas anderes kann ich euch nicht geben.« Afanasie schaute das Essen an und dachte bei sich: »Gott, was habe ich nur gethan? Ich bin doch in königlicher Burg geboren und jetzt bin ich in so ein Elend geraten.« Sie wusste also nicht einmal, was für eine Speise es war; sie ass sie also samt den Schalen, weil sie nicht einmal wusste, wie man sie abschälen soll. Sie ass also einige Erdäpfel auf und sagte, sie habe schon genug.
Er, Rudolf, sagt: »Mütterchen, wir haben kein Geld; wisset Ihr von keiner Arbeit hier, damit wir uns ernähren könnten?« Die Hökerin sagt: »Ja, ich weiss von einer Arbeit. Morgen geht man die Hopfengärten behacken, [112] da könnet Ihr mitgehen, um auch das Brot zu verdienen. Rudolf sagt: Teuere Afanasie, du musst also den Hopfengarten behacken gehen, und ich werde mir wieder in der Stadt eine andere Arbeit suchen, damit wir uns ernähren.« Die Hökerin brachte eine Hacke, zeigte sie der Afanasie, diese sagt: »Wie nimmt man es denn in die Hand?« Die Hökerin gab ihr die Hacke in die Hände, und sagte: »So werden Sie hacken.« Sie führte sie also ins Feld, Rudolf ging mit ihr; sie zeigte ihr, wie sie hacken solle. Sie, die Arme, hatte es nie in den Händen gehabt, sie weinte also, warum sie sich betrügen liess und von den Eltern fortging. Rudolf sagt: »Hacke hier also, teuere Afanasie, und ich gehe in die Stadt mich nach einer Arbeit umzusehen, und in einer Weile komme ich nach dir zu schauen.« Er prüfte sie aber nur so, ob sie ihm treu sei, und machte sich auf und ging geraden Weges zu seinem Vater in die Burg.
Wie ihn der Kaiser sah, fielen sie sich in die Arme, sie küssten sich. Das erste Wort Rudolfs war: »Wo sind die Soldaten, die mit mir ausgerüst ist waren?« Der Kaiser sprach: »Morgen eben sollen sie alle aufgehängt werden. Nachdem du nun zurückgekehrt bist, werden sie alle Pardon bekommen.« Der Kaiser befahl gleich, dass die im Gefängnis sich befindenden Soldaten auf freien Fuss gesetzt werden sollen. Rudolf erzählte seinem Vater sein ganzes Geheimnis (Inkognito), welches er bewahrte, dass er die Afanasie dem englischen König stiehl und mit ihr in die Stadt kam, der Kaiser fragt ihn, wo er sie habe. Er sagt, sie sei bei einer Hökerin und behacke den Hopfengarten; dass er sie prüfe, ob sie ihm treu sei.
Er ging und pachtete dort (in der Stadt) eine Kantine. In dieser Kantine verkaufte man den Branntwein, die Semmeln und die Würste. Als die Soldaten zum Exerzieren und wieder zurückritten, so brachten sie dort in der Kantine viel Geld an. Und Rudolf machte sich auf und ging gleich auf das Feld zur Afanasie. Sie, sobald sie ihn sah, fing gleich zu weinen an, und sagte: »Schau, Rudolf, wie mir das Blut aus den Händen fliesst! Du weisst gut, dass ich das mein Leben lang nicht einmal gesehen habe, und jetzt soll ich es machen.« Er sagt: »Komm mit mir, Afanasie,« und nahm ihr die Hacke ab und trug sie selbst. Er sagt: »Teuere Afanasie, ich habe für dich eine bessere Arbeit gefunden. Ich habe eine Kantine gemietet. Dort wirst du den Branntwein, die Semmeln und die Würste verkaufen.« Sie sagt: »Weisst du, Rudolf, das ist was für mich, das wird eine bessere Arbeit sein.« Er führte sie also hin in die Kantine und ging und überredete die Soldaten, sie sollten – bis sie vom Exerzieren zurückkehrten – dort alles austrinken, alles aufessen und alles zerschlagen, ihr aber sollten sie nichts Böses anthun. Die Soldaten also, wie sie zurückkehrten, so befahlen sie sich den Branntwein, die Semmeln und die Würste, bis sie dort alles aufzehrten und austranken; und was sie nicht austrinken konnten, das liessen sie aus den Fässern auslaufen, und die Fässer zerschlugen sie in Stücke. Die Arme schaut sie so an und weint und geht nach Hause zu der Hökerin; und Rudolf war dort. Sie sagt: »Schau, Rudolf, wie es mir ergangen ist, was für ein Militär da ist; alles tranken sie mir aus, und was sie nicht ausgetrunken haben, das haben sie auslaufen lassen.« Rudolf sagt: »Kennst du sie?« Sie sagt: »Ich kenne keinen, sie haben alle den gleichen Anzug gehabt.« Afanasie sagt: »Das [113] dürfte bei uns nicht geschehen.« Rudolf sagt: »Warte, teuere Afanasie, ich werde dir etwas Besseres finden.« Sie sagt: »Gehe also, teuerer Rudolf, dass wir uns irgendwie ernähren.«
Er ging auf den Ring und kaufte allen Töpfern die Töpfe und Schüsseln ab und liess ihr das alles auf den Marktplatz zuführen. Er ging und überredete die Dragoner, sie sollten – bis sie vom Exerzieren zurückkehrten – mit den Pferden dort in die Töpfe hineinreiten, dort alles zertreten und zerschlagen, aber ihr darf niemand bei Todesstrafe nichts Böses anthun. Nun ging Rudolf zur Hökerin und sagte: »Teuere Afanasie, ich habe dir nun ein besseres Geschäft eingerichtet. Du wirst am Marktplatze die Töpfe verkaufen.« »So etwas, teuerer Rudolf, das wird doch etwas Besseres sein.« Sie ging also auf den Marktplatz, setzte sich auf einen Stuhl zu ihren Töpfen und verkaufte dort. Als die Soldaten vom Exerzieren ritten, lenkten sie ihre Pferde in die Töpfe hinein, zertraten alles, ihr aber durften sie nichts Böses anthun. Nachdem sie fortgeritten waren, so ging sie weinend und sucht unter den Scherben, ob irgend einer noch erhalten wäre; sie stellte ihn auf die Hand, klopfte auf ihn, ob er nicht gesprengt ist. Sie fand also wenige erhalten und machte sich auf und ging zu der Hökerin. Rudolf, weil er eben zugesehen hatte, als ihr dort die Reiter die Töpfe zertraten, wartete dort schon auf sie. Sie kam weinend. »Was ist dir geschehen, teuere Afanasie, dass du weinst?«
»Schau nur, teuerer Rudolf, die Soldaten sind mir mit den Pferden in die Töpfe hineingeritten und zerschlugen und zertraten alles, und ich habe keinen Kreuzer eingenommen. Kennst du sie?« »Ich kenne keinen von ihnen.« »Warte, teuere Afanasie, ich habe für dich eine bessere Beschäftigung gefunden. Du wirst in der kaiserlichen Burg in der Küche angestellt, und ich habe dort auch eine Arbeit, ich reinige die Gänge. Aber ich bin dort ohne Kost, also du musst immer trachten, dass du für mich von dem Essen etwas versteckst.« Er führte sie also in die Burg in dem kurzen Überkleide hinein. Nun gingen alle sie anzusehen. Sie kochte hier also und versteckte vom Frühstück etwas für ihn und vom Mittagsessen auch, so dass es in zwei Töpfen war; in dem einen war die Suppe, in dem andern das Fleisch und die Brühe, und sie wollte es ihm schon geben, sie gab aber acht, dass sie niemand sah; sie band es sich also unter die Röcke in die Hüfte. Es war dort so ein alter hinkender Lakai, der wurde schon von Rudolf angewiesen, er solle auf sie achtgeben, bis sie das Essen verstecken würde. Sobald der Lakai wusste, dass Afanasie das Essen versteckt hatte, ging er in den Saal, dort sassen dreissig Musikanten, denen befahl er zu spielen, und wer in der Burg war, jeder musste tanzen. Er ging und nahm Afanasie zum Tanz, der Kaiser und die Kaiserin, alles schaute, und wie der Lakai mit Afanasie tanzte, fiel ihr der Topf mit der Brühe heraus, die Arme wurde ganz rot, sie schämte sich. Alles schaute, wie sie mit ihm weitertanzte, so fiel ihr der zweite Topf mit dem Essen heraus. Sie schämte sich sehr. Der Kaiser mit der Kaiserin konnten es nicht mehr ansehen; er ging also, nahm sie bei der Hand, führte sie in das Zimmer, küsste sie: »Komm, teuere Afanasie, du bist unsere Tochter.« Er gab ihr gleich ein Kleid, wie es sich für eine Prinzessin ziemt. Sie war so schön, der Kaiser hatte seine Freude daran, dass [114] sein Prinz so geschickt sei, dass er sie dem englischen König weggestohlen habe. Der Kaiser schickte ihm Frieden, er solle sich mit ihnen versöhnen kommen, dass sein Prinz Rudolf seine Prinzessin Afanasie heiraten werde. Wie der König den Brief bekam, und ihn überlas, so hatte er grosse Freude daran, dass seine Prinzessin am Leben sei. Er machte sich also auf die Reise und kam nach Frankreich zum Kaiser. Der Kaiser, sobald er ihn zu Gesicht bekam, so bewillkommte er ihn herzlich, und die Prinzessin Afanasie bewillkommte ihn. Dann feierten sie eine schöne Hochzeit, alle, Kaiser und Kaiserin wurden auf die Hochzeit geladen. Nach der Hochzeit verabschiedete sich der englische König von ihnen und reiste in seine Heimat und wünschte ihnen alles Gute und –
Ende.
1 Diese zweite Erzählung rührt von dem Schneider Svoboda her, der sich jetzt im Dorfe Stŕední Bećva niederliess. Er ist im Zbirover Kreise (in Westböhmen) im Dorfe Retohlavy geboren und spricht auch den westböhmischen Dialekt. Die Märchen hörte er von seinem Bruder, der einige Jahre als Soldat gedient hatte, erzählen (er selbst wurde nicht assentirt). Mit dem Bruder arbeitete er eine Zeitlang auch in Bayern. Vor neun Jahren wanderte Svoboda nach Amerika aus; vor kurzer Zeit kehrte er nach Europa zurück und liess sich jetzt in der Heimat seiner Frau nieder. Seine Reisen haben auf die von ihm erzählten Stoffe nur wenig Einfluss ausgeübt. Er erzählt fliessend, angenehm, hat ein vortreffliches Gedächtnis, so dass er nicht nur sehr viele Märchen zu erzählen weiss, sondern auch alle Einzelheiten bei der Wiederholung desselben Stoffes genau so wie vorher wiedergibt. Lesen und schreiben thut er ungern und schwerfällig. Er versteht und spricht böhmisch und englisch.
Von den beiden Erzählern wurden mir die Stücke Wort für Wort diktiert. Diesem langsamen und langweiligen Diktieren ist auch der grösste Teil der so oft vorkommenden Sprach- und Stilfehler zuzuschreiben. Die deutsche Übersetzung musste manche Stellen der Verständlichkeit wegen mehr dem Sinne nach als wörtlich wiedergeben.
W.T.
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