[122] 17. Sage von Tschabor.

Es war einmal ein junger Herzog, wohl kaum fünfundzwanzig Jahr alt, der war kerzengerade von hohem Wüchse gleich den Tannen des Waldes, auch seine Stirne war dunkel wie eine finstre Tanne; Donner und Blitz sprühten seine schwarzen Augen, seine Kleidung, sein Panzer war[122] schwarz, denn der Herzog, den die ganze Welt nur schlechtweg Herr Tschabor nannte, diente unter den auserlesenen Rittern des großen Königs, und er hatte keinen andern Schmuck ohne sein schwarzes Kleid, nur einen goldenen Stern welchen im deutschen Feldlager einmal der große König Herrn Tschabor verehrt hatte, weil er ihm das Leben rettete. Herr Tschabor stand in großem Rufe von wegen seiner Ritterlichkeit und von wegen seines guten Herzens, gegen die Armen war er sehr milde und viele Male schalt ihn der große König weil er sein Hab und Gut so ohne alles Bedenken austheilte; aber die Priester wurden von Herrn Tschabor nicht mit Almosen bereichert, denn Denen schenkte er niemals nichts und für die Messen spendete er kein Geld aus, darum war ihm auch die ganze Priesterschaft gram, besonders der Oberpriester am Hofe des großen Königs, aber weil der große König den Herrn Tschabor so sehr liebte, wagte der Priester auch nicht offen unserm Herrn zuwider zu sein, aber heimlich brütete er trotz alle dem über seinem Verderben.

In einem kalten Herbste da kam der große König einmal mit Herrn Tschabor auf dem Heimwege[123] aus dem Lager in die Stadt des Königs an die Ufer eines großen Wassers. Die Hengste waren noch nicht gesattelt, da rief der große König Herrn Tschabor: – »Mein Sohn, ruhe dich in der Nacht aus, und wenn es zu der Morgenröthe dämmert, so eile mit deinen treuesten Mannen weit über die Alpen jenseits der Ebene zum alten Demetrius in Roman, denn ich höre von meinen walachischen Herren, daß meine Freundschaft nicht mehr Platz hat in ihren Zähnen, weil sie jetzt mit den Türken Kameradschaft pflegen. Forsche wohl nach, mein Sohn, wie viel Wochen dort die Welt hat, und mahne den alten Fuchs daß er auf seinen Schweif Acht gibt, denn statt des Erzbischofmantels möchte ich ihm wohl den Strang senden.«

Herr Tschabor nahm mit Freuden des großen Königs Befehl über sich, nahm Abschied von Margreth seinem Weibe, und flog auf seinem braunen Hengste durch die Sandwüste am Strande der Alt, und von dort in hartem Frost brach er quer über die Schneeberge und stieg ab bei Jordan Boër, der ein treuer Unterthan des Königs war. Dort hörte er des alten Demetrius Falschheit so groß wie sie war, und noch dazu, daß er[124] von des großen Königs Oberpriester heimlich angestiftet würde, zur Vollbringung seiner schlechten Werke.

Als Herr Tschabor das erreicht hatte, trat er seine Reise an, und am vierten Tage kam er nach Roman, nahm Quartier beim Bischof und der empfing ihn darum mit falscher Herzlichkeit, mit Gänschenzungen wollte der alte Hund Herrn Tschabor hintergehen wegen der Geschichte dort, aber das war nicht so leicht des großen Königs Dienstmann zu betrügen. Herr Tschabor antwortete auf die vielen Reden des Bischofs gar nichts, und darum dachte der Bischof er hätte Herrn Tschabor eingeschläfert, aber der war jetzt nur um so aufmerksamer, und da er einmal bemerkte, daß alle Nacht zahlreiches Volk sich in der großen Kirche versammelte, so schlich er sich auch einmal nachten hinein in Boërs Kleidern, und hörte mit Schrecken wie sich die Kapuzen mit den Bischöfen beredeten gegen den großen König, und wie sie mit des Türken Hülfe Aufruhr und Empörung schmiedeten; das hörte Herr Tschabor alles heimlich mit an, und am andern Tage schickte er von seinen Dienern einen mit einem Briefe an den großen König, darin hatte er die ganze Sache[125] haarklein verrathen. Aber dem Diener paßten die Spione auf, packten ihn an, schlugen ihn todt, nahmen ihm Herrn Tschabors Brief ab und gaben den dem Bischöfe – da der nun in dem Briefe las, daß Herr Tschabor sich jede Nacht in die Kirche schlich, so schloß er noch in derselben Nacht, sobald sich die Menge zusammengefunden hatte, die großen Kirchthüren zu und erzählte mit zornigen Worten dem Volke wie ein Verräther unter ihnen wäre; darauf verlangten Alle seinen Tod, und waren bereit auf das heilige Kreuz zu schwören, daß sie es nicht wären.

Da setzte der Bischof einen Stuhl an die Altarstufen, setzte sich darauf, und nun ließ er Alle, die da waren der Reihe nach schwören; nur Einer in einem braunen Pelze rührte das Becken mit dem geweihten Wasser nicht an; da sagte der Bischof zu ihm: »Wer bist du denn daß du nicht zu mir kommst?« Aber der schwarze Pelz rührte sich nicht, jetzt wußte der Bischof wie das Ding war, und befahl den Leuten: »bindet den Braunen!« da fiel der braune Pelz und da stand Herr Tschabor, wie die finstere Tanne des Waldes anzusehn mit seiner dunkeln Stirn und seinen stammenden Blicken, in der Rechten hielt er einen[126] kurzen Kupferhammer mit vergoldetem Griffe, seine Linke aber ruhte auf einem breiten Schwerte – da stand die Menge zitternd da wie der Jäger der einen Hasen jagen will und unversehens auf einen Bären stößt. – Aber nicht lange so stürzten sie auf ihre Beute, und so viele waren ihrer Alle, daß Herr Tschabor, nachdem er von ihnen bei Dreißigen erschlagen hatte, doch selber todt hinsank, sein Blut aber spritzte hoch an der Säule in die Höhe, und noch jetzt sieht man's in der alten Kirche zu Roman beim Eintreten links, die walachischen Pfaffen haben's oft genug übertüncht, aber es hat nie weiß bleiben wollen.

Das erfuhr der große König, da sperrte er den Oberpriester ein, und kam mit einem furchtbaren Heere die Kapuzen zu bestrafen welche Herrn Tschabor getödtet hatten, mit seinem Heere kam auch Frau Margreth in Mannskleidern und weinte so lange unter der blutigen Säule, bis sie einmal nach der Messe todt vom Steinboden aufgehoben wurde.


I, S. 471.

Quelle:
Stier, G.: Ungarische Sagen und Märchen. Berlin: Ferdinand Dümmlers Buchhandlung, 1850, S. 122-127.
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