18. Michael Dobosi.

[127] »Die Räuber nah'n!« In Sattel setzt

Held Dobosi die Schöne,

wild hinter drein die Rosse hetzt

ein Schwarm Tatarensöhne;

und wie den Schnee auf Felsenhöh'n

sieht man das Banner drüber weh'n,

hoch aus der Staubeswolke,

umdrängt vom wilden Volke.


Doch rückwärts schaut und vorwärts eilt

mit seinem Weih der Reiter;

ob Thal ob Hügel – unverweilt

trägt sie der Renner weiter;

gebadet wohl in blut'gen Schaum

durchfliegt es stolz den weiten Raum,

sein Huf mit Blitzesschnelle

schlägt Funken aus so helle.


Nicht zagt der treue Ungarheld

vor Wund' und Tod im Herzen,

oft stoß sein Blut im grünen Feld,

er kennt des Todes Schmerzen!

Und wer zu sterben weiß, deß Hand

drückt nie der Sklavenfessel Band –

doch seine Glut ersticket

wenn er auf's Liebchen blicket.[128]


Die Arme schlingt die zarte Maid

um ihren treuen Recken;

sie bebt und glüht, zu jeder Zeit

umringt von neuen Schrecken,

indeß um sie der wilde Ost

im braunen Haar keck wühlend tost;

wo Blätter rauschend fallen,

hört sie nur Ketten schallen:


»O Held, dir nicht der Muth gebricht

mit Hunderten zu ringen?

und kommt das Unglück, bebst du nicht

das Flammenschwert zu schwingen?

Durch Berg und Thal an fernen Ort

treibt mich der fremde Sieger fort,

im Sklavenjoch zu stöhnen,

der stolzen Frau zu fröhnen!«


Dem Helden graust es, still zerdrückt

im Aug'er blut'ge Thränen,

tief seufzend er zum Himmel blickt

und ruft in heißem Sehnen:

»Flieg hin, stieg hin, mein treues Roß!

Noch führt vielleicht ein glücklich Loos,

droh's auch mit schweren Leiden,

uns noch zu Lust und Freuden.«


Und wie das Reh im Waldesgrün

trotz blut'ger Wunde Plagen,

steht windschnell man den Helden stieh'n

vom treuen Thier getragen:[129]

Gebadet wohl in blut'gen Schaum

durchfliegt es stolz den weiten Raum,

sein Huf mit Blitzesschnelle

schlägt Funken aus so helle.


Doch mag's geschehn daß Wog' und Wind

stets ringen ohne Wanken?

ziellos zur Ferne schnellbeschwingt

Hinschweifen die Gedanken?

Der Athem stockt dem Roß, erschlafft

ist endlich seiner Sehne Kraft,

Des Lebens Kern getroffen,

und hin des Reiters Hoffen.


Da faßt ein Sturm der Schönen Brust,

die Adern fühlt sie schwellen;

schon nah'n im Feld mit Siegesluft

und Lärm die Raubgesellen;

und wie den Schnee auf steilen Höh'n

sieht man das Banner näher weh'n

hoch aus der Staubeswolke,

umdrängt vom wilden Volke.


»O Held, o Held, was schirmt uns noch?

das Schwert drum frisch gezogen!

zerschmelze denn das Sklavenjoch

mein Blut in heißen Wogen!

Soll leben ich im Mägdekleid,

wenn dich dein Heldentod befreit?

zu fremden Frohnes Füßen,

der Witwe Thränen fließen?«[130]


Er steht an Zweifelmeeres Rand

drin aller Muth versunken,

schwach glimmt von Seufzern übermannt

der letzte Hoffnungsfunken:

»Nur einmal noch, mein treues Roß!

noch führt vielleicht ein glücklich Loos,

droh's auch mit schweren Leiden,

uns doch zu Lust und Freuden.«


Und einmal noch zuletzt es fühlt

den scharfen Sporn mit Stöhnen

und spannt wie müdgehetztes Wild

die letzte Kraft der Sehnen.

Gebadet wohl in blut'gen Schaum

durchfliegt es stolz den weiten Raum,

und ach! wie Blitzesflammen

bricht stracks das Roß zusammen!


Und wie die Wolke hagelschwer

und wie des Blitzes Leuchte

schwirrt schon des roh'n Tataren Speer, –

ob er sie bald erreichte?

und wie der Schnee auf steilen Höh'n

sieht hier man schon das Banner weh'n,

aus dichter Staubeswolke,

umdrängt vom wilden Volke.


»O Held, noch einen Kuß so warm,

den letzten, meinem Munde!

dann deck' mit deinem Schützerarm

des Herzens tiefe Wunde.[131]

Dann, Engel mein, entreiß mich gleich

des Räubers Gier mit einem Streich!«

Es schweigt der Held, und kehret

sich ab von Leid verzehret.


»O Held, ganz schwand die Hoffnung hin

um Leben noch zu werben.

Die Liebe nur durchflammt den Sinn

und Andres nichts als Sterben.

Schon winkt der Freiheit Strahl so hell,

doch naht sie nur im Blutesquell!«

Er schweigt, er fühlt sein Leben

sein innerstes erbeben.


»Ein Schicksal vielen Neides werth

ist, Männer, euch gegeben:

Du zückest auf den Feind das Schwert,

und scheidst gerächt vom Leben.

Ich stehe, dies vermag ich bloß,

jetzt auf den Knien den Todesstoß.

Ich gab ja Herz und Liebe –

was wär' noch das mir bliebe?«


»Willst du daß ein verhaßter Kuß

in Siegers Arm ihn lohne?

daß in den Staub des Mächt'gen Fuß

die Schaam zertret' im Hohne?

Weh Theurer, denk' es schaudernd aus

wie dann dein Weib in Lasters Graus –

Ist das die starke Treue?

drum diesen Kampf nicht scheue!«[132]


Noch säumt der Held vom Weh gebannt,

ihn bringt die Qual von Sinnen –

da schaudernd greift ans Schwert die Hand

mit der Minute Rinnen;

indeß dem Löwen gleich an Wuth,

nach Beute lechzend und nach Blut,

der Krimm Tatarenrecken

nach ihr die Hände strecken.


Und abgewandt zum letzten Mal

hält er sein Lieb umschlungen,

senkt tief hinein den treuen Stahl –

da hat er's durchgerungen;

und stürzend in den wilden Schwarm

empfängt und gibt den Tod sein Arm,

und auf der Gattin Leiche

verströmt sein Blut der Bleiche.


Cseke, November 1821.


Franz Kölcsey.

Quelle:
Stier, G.: Ungarische Sagen und Märchen. Berlin: Ferdinand Dümmlers Buchhandlung, 1850, S. 127-133.
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