Anakrĕon

[471] Anakrĕon, griech. Lyriker, aus Teos in Ionien, lebte am Hofe des Polykrates von Samos, nach dessen Fall (522) ihn der Peisistratide Hipparch nach Athen zog. Über seinen Verbleib nach dem Tode dieses (514) weiß man nichts Sicheres. Er starb, 85 Jahre alt, der Sage nach durch Verschlucken einer getrockneten Weinbeere. Seine Statue auf der Burg zu Athen stellte ihn als vom Wein begeisterten greifen Sänger dar, wie er überhaupt als Typus eines noch im Alter dem Wein und der Liebe huldigenden Dichters galt. Denn der Liebe, dem Wein und der heitern Geselligkeit galt die Mehrzahl seiner in dem weichen ionischen Dialekt verfaßten Lieder, deren Schönheit und Anmut berühmt war. Von seinen Gedichten in fünf Büchern (außer lyrischen Liedern, Elegien, Epigrammen,[471] Jamben) sind nur spärliche Fragmente erhalten (in Bergks »Poetae lyrici graeci«, Bd. 3). Nachahmungen aus verschiedener, zum Teil später Zeit und von verschiedenem Wert enthält eine »Anakreonteia« betitelte Sammlung von etwa 60 zumeist Wein- und Liebesliedern (hrsg. von Rose, 2. Aufl., Leipz. 1876; bei Bergk a. a. O.). Diese Lieder übten auf die moderne Lyrik keinen geringen Einfluß aus. Nachdem sich bereits im 17. Jahrh. Spuren der Anakreontik gezeigt hatten (vgl. Witkowski, Die Vorläufer der anakreontischen Dichtung in Deutschland, Leipz. 1889), brachten Gleim durch seinen »Versuch in scherzhaften Liedern« (Berl. 1744) und Götz durch seine in Gemeinschaft mit Uz verfaßte Übersetzung Anakreons diese tändelnde Lyrik für länger als ein Jahrzehnt zu großer Beliebtheit. In neuerer Zeit wurden die Anakreontischen Lieder von Uschner (Berl. 1864), E. Mörike (Stuttg. 1865) und Junghans (Leipz. 1873) übersetzt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 471-472.
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