Entstehungszustand

[842] Entstehungszustand (Status nascendi). Bei chemischen Operationen beobachtet man häufig, daß Körper in dem Moment, in dem sie aus chemischen Verbindungen abgeschieden werden, andre Eigenschaften zeigen als gewöhnlich. In die Lösung mancher Körper geleiteter Wasserstoff übt keine Wirkung aus; entwickelt er sich aber in der Lösung jener Körper selbst, etwa aus Natriumamalgam, aus Zink mit verdünnter Schwefelsäure, so wirkt er reduzierend. Man erklärt die scheinbar erhöhte Affinität der Körper im E. durch die Annahme, daß die aus einer Verbindung (wie der Wasserstoff aus seiner Verbindung mit Sauerstoff, dem Wasser) sich ausscheidenden Elemente als isolierte Atome auftreten, die als solche im freien Zustand nicht existieren können und daher mit großer Energie neue Verbindungen eingehen. Sind keine fremden Körper vorhanden, auf welche die naszierenden Atome einwirken können, so vereinigen sich je zwei der letztern untereinander zu einem Molekül, und aus solchen Molekülen besteht jedes Element im freien Zustand. Soll dieses auf einen andern Körper wirken, so muß zunächst die Bindung der Atome im Molekül wieder gelöst, also ein gewisser Widerstand überwunden werden, und daher zeigt der ausgeschiedene und im freien Zustand vorhandene Wasserstoff geringere chemische Wirksamkeit als der Wasserstoff im E.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 842.
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