Moleküle

[34] Moleküle (lat. molecula, »kleine Masse«, Diminutiv von moles), die kleinsten Teilchen, in die sich ein Körper ohne Änderung seiner chemischen Beschaffenheit zerlegen läßt (s. Materie). Die M. einer chemischen Verbindung sind als aus zwei oder mehreren ungleichartigen Atomen gesetzmäßig aufgebaute Atomgruppen anzusehen; aber auch für die chemisch einfachen Körper oder Grundstoffe nimmt man an, auf Grund gewisser Tatsachen der Chemie, daß ihre M. gewöhnlich aus zwei gleichartigen Atomen zusammengesetzt sind. Zu den besten Beweisen für die Existenz von Molekülen gehören verschiedene optische Erscheinungen, insbes. die anomale Dispersion, die nicht erklärt werden kann ohne die Annahme von Elektronen in den Molekülen, die durch die elektrischen Wellen in Mitschwingung versetzt werden. Die Durchlässigkeit selbst sehr dichter Körper für Kathoden- und Radiumstrahlen scheint nach Lenard darauf hinzuweisen, daß die Atome aus kleinern Partikelchen (Dynamiden) zusammengesetzt sind, die in relativ großen Abständen stehen. Man hat, durch Kombination von Hypothesen und Beobachtungen, die Größe der M. oder wenigstens eine obere Grenze dieser Größe festzustellen versucht. Nach der kinetischen Theorie der Gase sind deren M. in geradlinig fortschreitender Bewegung begriffen; der Wucht dieser Bewegung ist die absolute Temperatur des Gases proportional, ebenso der Druck, den das Gas vermöge der zahlreichen Stöße seiner M. auf die Gefäßwand ausübt. Für Sauerstoffgas z. B. beträgt die mittlere Geschwindigkeit eines seiner M. bei 0°461 m in der Sekunde, für Stickstoff 492, für Wasserstoff 1844. Ungeachtet dieser großen Geschwindigkeit legen jedoch die M., weil sie in einem Gas von gewöhnlicher Dichte sehr bald mit andern Molekülen oder mit der Gefäßwand zusammenstoßen und wieder zurückprallen, nur eine sehr kurze Weglänge geradlinig zurück. Die mittlere Weglänge aber läßt sich aus Beobachtungen über die Reibung der Gase ermitteln. Nun ergibt sich aus[34] der kinetischen Theorie der Gase eine Beziehung zwischen der mittlern Weglänge l, der mittlern Entfernung λ zweier M. und dem Durchmesser s der Wirkungssphäre (s. Molekularkräfte), nämlich l = λ3: πs2. Unter der Annahme, daß bei Verflüssigung eines Gases seine M. sich bis zur Berührung ihrer Wirkungssphären nähern, kann auch aus dem Verhältnis der Dichten des Gases und der Flüssigkeit das Verhältnis λ: s ermittelt und sonach auch der Durchmesser s der Wirkungssphäre als obere Grenze des Moleküldurchmessers gefunden werden. So berechnete O. E. Meyer, daß sich unter gewöhnlichen Umständen in 1 ccm Luft ca. 60Trillionen M. befinden. Gleiches gilt nach dem Avogadroschen Satze für alle Gase. Die mittlere Entfernung der M. beträgt ca. 2,6 millionstel Millimeter. 1 mg Luft enthält ca. 46 Trillionen M., 1 mg Wasserstoff 640 Trillionen. Das Gewicht eines einzelnen Wasserstoffatoms wäre hiernach, da das Molekül aus 2 Atomen besteht, der 1300 trillionste Teil eines Milligramms. Der Durchmesser eines Wasserstoffmoleküls findet sich = 0,14 millionstel Millimeter, die mittlere Weglänge = 182 millionstel Millimeter. Diese Zahlen haben die Bedeutung, daß, wenn M. existieren und die Voraussetzungen der kinetischen Gastheorie richtig sind, die Werte die genannten sein müssen, um die Eigenschaften der Gase erklären zu können. Die ältern Physiker nannten M. überhaupt sehr kleine Massenteilchen von übrigens unbestimmter Größe, ja sogar bei Annahme kontinuierlicher Raumerfüllung die Massendifferentiale. Vgl. Boltzmann, Vorlesungen über Gastheorie (Leipz. 1896–98, 2 Tle.); O. E. Meyer, Die kinetische Theorie der Gase (2. Aufl., Bresl. 1895–1899); Thomson, Elektrizität und Materie (deutsch von Siebert, Braunschw. 1904); Jäger, Die Fortschritte der kinetischen Gastheorie (das. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 34-35.
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