Froissart

[164] Froissart (spr. frŭassár), Jean, franz. Dichter und Historiker, geb. 1338 zu Valenciennes im Hennegau, wo ihm auch 1856 ein Denkmal errichtet ward, gest. gegen 1405 in Chimay, war für den geistlichen Stand bestimmt, fühlte sich aber mehr von der Poesie angezogen und begann in seinem 20. Jahre die Geschichte der Kriege seiner Zeit zu schreiben. Nach einer Wanderung durch ganz Frankreich begab er sich 1361 nach England, wo ihn die Königin zu einem ihrer »Clarks« ernannte und ihn in seinen dichterischen Arbeiten förderte. Er machte auch ferner zahlreiche Reisen von Schottland bis nach Italien. 1373 erhielt er im Hennegau die Pfründe von Lestines; gleichwohl zog er auch jetzt noch abenteuernd umher und ward Sekretär des Herzogs Wenzel von Brabant und Luxemburg, dessen Gedichte er in den Roman »Meliador« einlegte (hrsg,[164] von Lognon, Par. 1897–1900, 3 Bde.). Nach Wenzels Tod (1383) trat er in die Dienste des Grafen Gui von Blois und ward Kanonikus und Schatzmeister in Chimay. 1394 ging F. wieder nach England, kehrte aber bald an den französischen Hof und von da in sein Vaterland zurück. – Sein großes Geschichtswerk, das von 1326–1400 reicht, ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des 14. Jahrh. und schildert in phantasiereicher, dramatischer Darstellung und blühender, lebensfrischer Sprache die Begebenheiten in England und Schottland unter Eduard III. und Richard II., die Geschicke Frankreichs unter den Königen Johann, Karl V. und Karl VI. mit den gleichzeitigen Ereignissen auf der Pyrenäenhalbinsel und in den niederländischen Provinzen; Nachrichten über die übrigen Länder reihen sich an. Sein Material schöpfte F. zum geringsten Teil aus Büchern, zum größten aus eigner Beobachtung, persönlicher Nachforschung und mündlichen Berichten Mithandelnder. Sein Werk, von dem sich in den zahlreichen Handschriften drei Redaktionen (die dritte unvollständig) von ziemlich verschiedenem Charakter unterscheiden lassen, erschien u. d. T.: »Chroniques de France, d'Angleterre, d'Écosse, d'Espagne, de Bretagne« zuerst in Paris ohne Jahr, 4 Bde., dann das. 1503; mit einer Fortsetzung bis 1513 daselbst 1514 u. ö.; hrsg. von Denis Sauvage, Lyon 1559–61, 4 Bde.; Par. 1806, 12 Bde.; von Buchon, das. 1836 (neue Ausg. 1879, 3 Bde.); von Kervyn de Lettenhove, Brüssel 1863–77, 25 Bde. (Bd. 19 enthält das »Glossaire des chroniques de F.« von Scheler); eine genaue kritische Ausgabe begann Siméon Luce (Bd. 1–8, Par. 1869–88; Bd. 9–11 von Raynaud 1894–99); engl. Ausgaben von Utterson (Lond. 1812, 2 Bde.) und Jones (das. 1873, 2 Bde.); latein. im Auszug von Sleidan, Par. 1537 u. ö. Beachtung verdienen auch Froissarts Gedichte, die von Scheler (Brüssel 1870–72, 3 Bde.) und in einer Auswahl von Buchon (Par. 1829) herausgegeben wurden. Vgl. Kervyn de Lettenhove, F., étude littéraire sur le XIV. siècle (Par. 1858, 2 Bde.); Weber, Jean F. und seine Zeit (im »Historischen Taschenbuch«, 1871); Mary Darmesteter, Froissart (Par. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 164-165.
Lizenz:
Faksimiles:
164 | 165
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika