Gedanke

[426] Gedanke ist im engern Sinne jede vermittelst des Denkprozesses aus der Sphäre der Anschauung und Empfindung in die des Begriffs, des Urteils und des Schlusses erhobene Vorstellung; im weitern Sinn aber jede Vorstellung, deren Gegenstand nicht direkt in der sinnlichen Wahrnehmung gegeben oder für sie vielleicht ganz unzugänglich ist, also sowohl das vermittelst der Erinnerungskraft als auch das vermittelst der Phantasie Vorgestellte. Überall, wo sich geistiges Leben regt und betätigt, werden sich auch Gedanken einstellen, und von Gedankenlosigkeit könnte man genau genommen nur da reden, wo vollkommener Blödsinn den Geist gefangen hält. Gewöhnlich aber nimmt man dies Wort in relativem Sinne, so daß man darunter entweder den Mangel an Herrschaft über die in der Seele entstehenden oder sich ihr aufdrängenden Vorstellungen und die infolge davon fehlende gesetz- und zweckmäßige Verknüpfung der Gedanken, oder große Trägheit und Langsamkeit des Laufes und Fortschrittes der Vorstellungen, Begriffe, Urteile und Schlüsse, oder endlich den Mangel an lebendigen, selbständig gewonnenen und entwickelten Gedanken und Gedankenverbindungen versteht. In Gedanken sein heißt eigentlich in seine Gedanken vertieft oder verloren sein, so daß man auf die äußern Dinge nicht acht hat; doch sagt man auch von Zerstreuten, die nicht denken, sondern träumen, daß sie in Gedanken seien. Habituell gewordene Gedanken, deren wir uns nicht mehr zu erwehren, nach zu entledigen vermögen, gehen in »fixe Ideen« (s.d.) über. Vgl. Idee.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 426.
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