[652] Germanĭa, römische Bezeichnung für Deutschland; in der Dichtkunst und den bildenden Künsten die Personifikation des Begriffs der zu einer politischen Gesamtheit vereinigten deutschen Länder. Dieser Begriff bildete sich etwa seit Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrh., als die französischen Rheingelüste wieder in den Vordergrund traten. Er wurde zunächst durch die Poesie plastisch gestaltet, dann durch den Kampf um Schleswig-Holstein weiter ausgebildet und gewann schließlich auch durch die in den Schützen-, Sänger- und Turnerfesten gipfelnden Einigungsbestrebungen der 50er und 60er Jahre des 19. Jahrh. eine malerische und plastische Erscheinungsform. Die erste populäre Gestalt einer G. hat der Düsseldorfer Maler Lorenz Clasen (s.d.) in seiner G. auf der Wacht am Rhein geschaffen. Diese Verkörperung des Begriffs gewann durch die Jahre 1870 und 1871 noch mehr an Verbreitung. Die zahlreichen Sieges- und Kriegerdenkmäler haben dann neue Typen geschaffen, von denen Schillings Niederwalddenkmal am volkstümlichsten geworden ist. Diese G. ist eine Verbindung der alten Schlachtenjungfrau (Walküre) mit der das allumfassende Vaterland versinnlichenden deutschen Mutter (s. Abbildung). Eine eigenartige charaktervolle Physiognomie trägt die G. des Siegesdenkmals in Leipzig von Siemering (s. Tafel »Bildhauerkunst XVIII«, Fig. 6).
Auch die marmorne G. auf dem Altmarkt in Dresden von R. Henze (Tafel XVI, Fig. 7) und die von R. Begas modellierte, von Seitz in München in Kupfer getriebene reitende G., deren Roß von den Genien des Krieges und des Ruhmes geführt wird, über dem Giebel des Reichstagsgebäudes in Berlin zeichnen sich durch eigenartige Auffassung aus.