[377] Leipzig (hierzu drei Beilagen: Stadtplan mit Registerblatt, Karte »Leipzig mit den Vororten« und Tafel »Leipziger Bauten I-III«), nach der Zählung von 1900 die größte Stadt des Königreichs Sachsen und die viertgrößte des Deutschen Reiches, Hauptstadt der gleichnamigen Kreishauptmannschaft (S. 386), liegt 105125 m (Sternwarte 116 m) ü. M., unter 51°20´ nördl. Br. und 12°23´ östl. L., an der Elster, Pleiße und Parthe, in der großen Ebene, die sich von der Saale bis zur Mulde und zum großen Teil bis nach der Elbe erstreckt.
Die Stadt zerfällt in die innere Stadt, die innern und äußern Vorstädte und die 18891892 einverleibten Vororte Reudnitz, Anger-Krottendorf, Volkmarsdorf, Neustadt, Neuschönefeld, Sellerhausen, Neusellerhausen (Osten), Neureudnitz, Thonberg (Südosten), Konnewitz, Lösnig (Süden), Lindenau, Plagwitz, Kleinzschocher, Schleußig (Westen und Südwesten), Gohlis und Eutritzsch (Norden). Die Einverleibung der Orte Möckern (N.), Leutzsch (W.), Schönefeld (NO.) und Stötteritz (SO.) ist geplant. Die gut gebaute und seit 1770 von Promenaden (den vormaligen Festungswällen) umgebene innere Stadt wurde früher in das Peters- (S.), Ranstädter (W.), Grimmaische (O.) und Hallische (N.) Viertel eingeteilt. Auch die Vorstädte bezeichnete man mit den Namen dieser Viertel. Jetzt benennt man die Vorstädte nach den Himmelsgegenden.
[Straßen, Plätze, Denkmäler.] Die Zahl der Straßen und Plätze Leipzigs beträgt nach der Einverleibung der Vororte über 700. Die Straßen der innern Stadt sind teilweise eng und krumm; doch werden von Jahr zu Jahr im Interesse des Verkehrs Verbesserungen vorgenommen, durch die sich das frühere Stadtbild bereits wesentlich verändert hat. Die verkehrsreichsten Straßen der innern Stadt sind die Grimmaische und die Petersstraße. In den Vorstädten gibt es meist regelmäßige, breite und schöne Straßen, besonders in der erst neuerdings entstandenen Südwestvorstadt. Zu den schönsten Straßen zählen die Karl Tauchnitz-Straße, die Kaiser Wilhelm-Straße, die Bismarckstraße, Kronprinzstraße, Schwägrichenstraße. Von der um die innere Stadt herumgeführten Ringstraße gibt es zurzeit (1905) den Thomasring, Rathausring und Georgiring. Die Hauptverkehrsstraßen der Vorstädte sind der Grimmaische Steinweg, die Dresdener Straße, der Peterssteinweg, die Zeitzer Straße, die Blücherstraße, der Ranstädter Steinweg und die Frankfurter Straße. Unter den öffentlichen Plätzen nimmt der Markt, der Schauplatz denkwürdiger Ereignisse, eine hervorragende Stellung ein. In seiner Mitte befindet sich das 1845 in Pflastersteinmosaik ausgeführte Stadtwappen. Auf der Nordseite des Marktes steht das am 18. Aug. 1888 enthüllte großartige Siegesdenkmal von Siemering (s. Tafel »Bildhauerkunst XVIII«, Fig. 6). Leipzigs Schmuckplatz und wohl einer der größten und schönsten Plätze Deutschlands ist der von schönen öffentlichen und Privatgebäuden eingefaßte Augustusplatz, auf dessen Südseite sich der nach einem Entwurf von Gnauth 1886 errichtete Mendebrunnen erhebt (s. Tafel »Brunnen«, Fig. 12). Von den übrigen Plätzen verdienen Erwähnung: der Roßplatz, der Königsplatz mit dem Denkmal des Kurfürsten (spätern Königs) Friedrich August des Gerechten (nach einem Entwurf von Öser 1780), der Johannisplatz mit Joh. Schillings Reformationsdenkmal (enthüllt 1883), der Marienplatz, der Flößplatz. Von andern Denkmälern seien genannt: das Leibnizdenkmal von Hähnel auf dem Thomaskirchhof (1883); das Denkmal des Landwirts Albrecht Thaer von Rietschel (1850) an der Schule für Frauenberufe; das Harkortdenkmal und der Obelisk zur Erinnerung an die Erbauung der Leipzig-Dresdener Eisenbahn in der Nähe des Dresdener Bahnhofs; seitwärts davon in den Anlagen am Magdeburger Bahnhof das Denkmal des Bürgermeisters Karl Müller, dem L. seine Promenaden verdankt; in den Promenadenanlagen am Alten Theater das Denkmal des Homöopathen Hahnemann; die Marmorstatue Gellerts von Knaur und das Denkmal des Liederkomponisten K. Zöllner im Rosental, das Denkmal Felix Mendelssohn-Bartholdys vor dem neuen Konzerthaus (1892) und das zu Ehren der beiden um Leipzigs Volksschulwesen verdienten Schulmänner Dolz und Plato errichtete Denkmal an der Promenade vor der Schulstraße (1894); ferner das Denkmal des Industriellen Karl Heine (von K. Seffner) am südlichen Eingange zum Palmengarten in der Plagwitzer Straße, das Denkmal des Bürgermeisters Koch auf dem Musenhügel (von K. Seffner, 1898), das Denkmal Robert Schumanns hinter der Schule für Frauenberufe, das Wilhelm Seyffert-Denkmal im Johannapark, das Bismarckdenkmal an der Karl Tauchnitz-Straße (von Adolf Lehnert und Joseph Magr, 1897) und die Statuette des jungen Goethe auf dem Naschmarkt (von K. Seffner, 1903). An die Tage der großen Völkerschlacht erinnern das Fricciusdenkmal, nahe der Johanniskirche, an der Stelle, wo 19. Okt. 1813 die Königsberger Landwehr zuerst in die Stadt eindrang (vgl. unten: S. 387,2. Spalte); das am Ranstädter Steinweg 1863 zur Erinnerung an die Sprengung der Elsterbrücke errichtete Denkmal, der Denkstein für Marschall Poniatowski, der in der Elster seinen Tod fand, im Hofe der Volksschule in der Lessingstraße, und das sogen. Kugeldenkmal an der Mittelstraße. Im Bau begrifsen[377] ist seit 1898 beim Südfriedhof das gewaltige Völkerschlachtdenkmal von Bruno Schmitz, dessen Kosten auf etwa 3 Mill. Mk. veranschlagt sind. Es soll im J. 1913 vollendet werden. Außer den schönen, rings um die innere Stadt führenden Promenaden und dem seit 1896 mit einem Aussichtsturm versehenen Rosental, worin sich auch ein reich ausgestatteter Zoologischer Garten befindet, dienen der Bevölkerung als Erholungsplätze in der Nähe der Johannapark, das Scheibenholz mit dem König Albert-Park, der 1899 eröffnete Palmengarten mit Palmenhaus und Konzertsaal, das Nonnenholz im W. und SW. der Stadt, das Johannistal im O. (1832 angelegt und neuerdings teilweise bebaut) und der Volksgarten im NO. Alt-L. hat vier Friedhöfe. Der hinter der Johanniskirche gelegene alte Johannisfriedhof wird seit 1884 als solcher nicht mehr benutzt und nach und nach in einen Park verwandelt. Hier befindet sich ein schönes Grabdenkmal für Dominic Grassi, einen Wohltäter Leipzigs (von Werner Stein). Der neue Johannisfriedhof liegt im SO. der Stadtflur, der nördliche mit dem israelitischen Friedhof an der Berliner Straße. In der Nähe des Napoleonsteins auf Probstheidaer Flur ist 1886 ein großer Zentralfriedhof (Südfriedhof) angelegt worden.
[Kirchen.] L. hatte bis 1885 verhältnismäßig sehr wenig Kirchen. Von dieser Zeit an aber war die kirchliche Bautätigkeit äußerst rege, und zahlreiche Neu- und Umbauten sind seitdem erstanden. 1905 zählt L. 25 evangelisch-lutherische, eine reformierte, 2 katholische, eine anglikan. Kirche, ein griechisches Bethaus und eine Synagoge. Die Thomaskirche, 1213 von Markgraf Dietrich dem Bedrängten als Klosterkirche gestiftet, 1482 vergrößert, wurde 188589 nach Entwürfen von Lipsius umgebaut. Im Chor, vor dessen Hauptaltar 1307 Markgraf Diezmann ermordet wurde, befinden sich die Bildnisse sämtlicher Leipziger Superintendenten von 15731883. Die Nikolaikirche, um 1170 erbaut und 1513 erneuert, wurde zu Ende des 18. Jahrh. umgebaut und 1902 gründlich restauriert. Auf dem Neukirchhof stand eine 1217 vom Markgrafen Dietrich errichtete Zwingburg, die später den Barfüßern zur Anlegung eines Klosters eingeräumt wurde. Die Klosterkirche wurde 14881494 um- und 1698 neugebaut, weshalb sie Neukirche hieß, bis sie 1880 nach gründlichem, durch Mothes ausgeführtem Umbau den Namen Matthäikirche erhielt. Die neue Peterskirche auf dem Schletterplatz, im gotischen Stil nach Plänen von Hartel und Lipsius erbaut, ist das schönste kirchliche Bauwerk Leipzigs; ihr schlanker Turm hat eine Höhe von 87 m (s. Tafel »Leipziger Bauten II«, Fig. 1). Die Pauliner- oder Universitätskirche, um 1240 erbaut, 1545 erneuert und von Luther eingeweiht, neuerdings umgebaut, enthält den Grabstein des in der Thomaskirche ermordeten Markgrafen Diezmann und andre bemerkenswerte Grabdenkmäler. Die Johanniskirche auf dem Johannisplatz, 1585 eingeweiht, ist 1894 abgebrochen und seitdem im Renaissancestil nach den Plänen von H. Licht neu aufgebaut worden; nur der alte Turm ist geblieben. In der neuen Kirche sind die beim Ausgraben des Grundes aufgefundenen Gebeine J. S. Bachs und die Gellerts, dessen Grabmal sich an der Ostseite der Kirche befindet, beigesetzt worden. Die Kirche gehörte ursprünglich zu dem benachbarten Johannishospital, das 1278 als Hospital der Aussätzigen gegründet und zu einem Asyl für bejahrte Bürgersleute umgewandelt ward. Dieses im Laufe der Jahrhunderte zu großem Reichtum gelangte Asyl (Johannisstift) befindet sich seit 1872 in einem am Johannistal gelegenen, von Lipsius entworfenen Prachtbau. In reizender Lage, am Saume des Johannaparkes, erhebt sich die nach Plänen von Zeißig 188386 erbaute Lutherkirche. In der äußern Südvorstadt steht die 1893 vollendete Andreaskirche, von Weidenbach erbaut. Am Nordplatz befindet sich die 1904 vollendete Michaeliskirche, von Heinrich Ruft und Alfred Müller erbaut. Von den beiden katholischen Kirchen steht die erste (Heiliche Dreifaltigkeitskirche, 1847 vollendet) an der Weststraße, die zweite, 1893 vollendet (St. Laurentiuskirche), in L.-Reudnitz. Die reformierte Kirche, 189798 von Weidenbach und Zschammer erbaut, ein Sandsteinbau in deutscher Renaissance, steht an der Promenade in der Nähe des Alten Theaters. Nahe der Lutherkirche steht seit 1885 eine kleine englisch-amerikanische Kirche. Die in den Vororten befindlichen Kirchen sind größtenteils in neuester Zeit errichtet worden. Die im maurischen Stil erbaute Synagoge in der Zentralstraße ist ein Werk Simonsohns und wurde 1855 eingeweiht.
[Weltliche Bauten.] An der Ostseite des Marktes steht das alte Rathaus, das mit Benutzung der untern Mauern des aus dem 13. Jahrh. stammenden Baues 1556 vom Bürgermeister Hieronymus Lotter erbaut wurde. In dem großen Sitzungssaal hängen die Bilder aller sächsischen Fürsten von 1485 an; in der Ratsstube werden kostbare altertümliche Pokale verwahrt, darunter einer, der Luthers Eigentum war. Nach Vollendung des neuen Rathauses (1905) soll das alte umgebaut werden und ist dazu bestimmt, das Ratsarchiv und die Sammlungen des Vereins für die Geschichte Leipzigs aufzunehmen. Am Markt steht auch das Königshaus, worin bis 1829 die sächsischen Herrscher bei ihrer Anwesenheit in L. wohnten. Hier feierte König August der Starke seine berüchtigten Meßfeste, hier rastete 1698 Peter d. Gr., 1707 Karl XII. von Schweden, fand 1760 das bekannte Gespräch zwischen Friedrich d. Gr. und Gellert statt und wohnten 1809 Jérôme, König von Westfalen, und 1813 Napoleon. In einem Erkerzimmer dieses Hauses verabschiedete sich Napoleon vom König Friedrich August von Sachsen, den man von hier aus wenige Stunden später in die Gefangenschaft führte. In demselben Zimmer starb 1820 Fürst Schwarzenberg, der Sieger von L., und 1827 während der Huldigungsfeier die Königin Maria Theresia von Sachsen. Die prächtige Fassade des ältesten Kaufmannshauses (Barthels Hof an der Ecke des Marktes und der Hainstraße) hat man nach dessen 1871 erfolgtem Abbruch als Perle der Spätgotik auf der Hofseite des Neubaues wieder angefügt. Das schönste Haus am Markt ist das von O. Jummel im Barockstil ganz aus Eisen erbaute und 1895 vollendete Bismarckhaus. Dem Rathaus gegenüber, in der Grimmaischen Straße, befindet sich das länger als drei Jahrhunderte berühmteste Bürgerhaus der Stadt, Auerbachs Hof, 153038 erbaut, weltbekannt geworden durch die an ihm haftende Faustsage und durch Goethes Faustdichtung, ehedem ein Basar der reichsstädtischen Handelsherren und als solcher der wichtigste Meßhandelsplatz, mit 100 Gewölben und vielen offenen Buden. Die in dem Weinkeller befindlichen Faustbilder stammen aus dem Jahre 1525 (s. Auerbach 1). Das stattliche Fürstenhaus in derselben Straße bewohnte 1712 Peter d. Gr. auf seiner Reise nach Karlsbad. In dem seit 1892 neugebauten und 1904 zu[378] Geschäftszwecken umgebauten Roten Kolleg in der Ritterstraße wurde Leibniz geboren, und daneben, im Hof der 1834 erbauten alten Buchhändlerbörse, worin zurzeit das Konvikt der Studenten seinen Sitz hat, wohnte und starb der Dichter Gellert. An der Nordseite des Nikolaikirchhofs, neben der alten Nikolaischule, erhebt sich der 1887 vollendete schöne Neubau des Predigerhauses zu St. Nikolai (von Hugo Licht). Das Café Français, an der Ecke der Grimmaischen Straße und des Augustusplatzes, ist 1834 auf dem Grund eines alten Torturmes errichtet worden. Am östlichen Ende der Grimmaischen Straße liegen Gebäude der Universität, die seit 1894 zum großen Teil durch Neubauten ersetzt worden sind. Der Um- und Neubau der Universität ist ein Werk des Leipziger Architekten Arwed Roßbach. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist die große Wandelhalle im Augusteum. Das Hauptgebäude ist das mit der Vorderseite nach dem Augustusplatz gerichtete Augusteum, 183436 nach Schinkels Entwürfen gebaut. Die Aula enthält Statuen sächsischer Fürsten, die Büsten Goethes und Leibniz' von Knaur, Gottfr. Hermanns und Börners von Rietschel, prächtige Basreliefs von demselben, ferner ein Denkmal, das die Universität den im Kriege 1870/71 gegen Frankreich gefallenen Studenten setzen ließ. Andre hier gelegene, verschiedenen Zwecken dienende Universitätsgebäude sind das Mauricianum, Paulinum, Bornerianum, Fridericianum, Johanneum, Albertinum. Am Augustusplatz erhebt sich das nach den Plänen von Langhans erbaute Neue Theater. Bemerkenswerte Gebäude in der Nähe sind das Postgebäude am Augustusplatz, das königliche Palais und die Georgenhalle, bis 1895 Sitz des Reichsgerichts. Dem Theater gegenüber steht das 1837 gegründete, 1353 eingeweihte und 188386 nach den Plänen von Hugo Licht aus den Mitteln der Grassistiftung bedeutend erweiterte städtische Museum (Tafel II, Fig. 3), durch Schenkungen des Kunstfreundes Heinrich Schletter wesentlich gehoben, mit zahlreichen hervorragenden Gemälden älterer und moderner Meister, einer großen Kupferstichsammlung und andern Kunstwerken. An die Südfassade des Museums wird ein Saal angebaut, wo die Skulpturen des Leipziger Bildhauers Max Klinger vereinigt werden sollen. Der Goldene Bär in der Universitätsstraße ist das Gründungshaus der berühmten, seit fast 180 Jahren bestehenden Buchdruckerei von B. Chr. Breitkopf, die jetzt (Breitkopf u. Härtel) ihr Geschäftshaus in der Nürnberger Straße hat. Zwischen der Universitätsstraße und dem Neumarkt befindet sich die 1899 umgebaute Stadtbibliothek in einem Teile des 1740 erbauten Gewandhauses, in dessen wegen seiner Akustik gepriesenem Konzertsaal von 17811884 die Gewandhauskonzerte stattfanden, und das 189496 für Meßzwecke errichtete Städtische Kaufhaus (Meßpalast, s. unten). Im Hofe der dem Kaufhaus nahegelegenen Großen Feuerkugel wohnte Goethe als Student und vor ihm Lessing. An der Ecke der Schillerstraße und Petersstraße steht das prächtige Reichsbankgebäude, gegenüber das Geschäftshaus von Polich (Grundriß s. Tafel »Kaufhäuser II«, Fig. 10) und das stattliche, ursprünglich für die 1901 zusammengebrochene Leipziger Bank bestimmte Geschäftshaus der Deutschen Bank, eins der schönsten Werke Arwed Roßbachs. In unmittelbarer Nähe erhebt sich auf dem Platze, wo sonst die Pleißenburg, ehemals Leipzigs Zitadelle, stand (s. unten), das neue Rathaus (Tafel I), ein Werk Hugo Lichts, in grauem Kalkstein 18991905 ausgeführt. Der Turm, dessen untern Teil der Rest des Pleißenburgturms bildet, ist mit 111 m Höhe das höchste Gebäude der Stadt. Einen Teil des Kellergeschosses nimmt der Ratskeller ein. (Die genannte Pleißenburg, 1213 als Zwingburg angelegt, 1547 zusammengeschossen und 154951 wieder aufgebaut, im Dreißigjährigen Kriege wiederholt belagert und eingenommen, wurde seit 1770 nicht mehr als Festung betrachtet und diente später als Kaserne und zu andern militärischen Zwecken. Der Turm wurde bis 1861 als Sternwarte gebraucht; Weiteres s. unter Geschichte.) An der Nordseite des Rathauses sind neue Straßen mit stattlichen Geschäftshäusern entstanden. Am nahen Thomaskirchhof stand ein 1213 gestiftetes Augustinerkloster, mit dem eine gelehrte Schule, die Thomasschule, verbunden war, die sich zugleich unter der Leitung ausgezeichneter Kantoren (wie Joh. Seb. Bach, Hiller, Schicht, Hauptmann u.a.) durch die Pflege des Kirchengesanges einen glänzenden Namen in der Geschichte der Musik erworben hat (vgl. Lampadius, Die Kantoren der Thomasschule, Leipz. 1902). Seit 1877 hat die Schule ein neues stattliches Gebäude in der Westvorstadt erhalten. Das Gebäude der alten Thomasschule wurde 1902 abgebrochen; an seiner Stelle befindet sich seit 1904 die neue Superintendentur. Von den westlich vom Thomas- und Matthäikirchhof in jüngster Zeit entstandenen hervorragenden Gebäuden verdienen Erwähnung das Gebäude der Kommandantur und das Zentraltheater, ein großes Vergnügungshaus mit zahlreichen der Unterhaltung und Erholung gewidmeten Räumen am Thomasring, und das von Fritz Drechsler erbaute Künstlerhaus an der Bose- und Zentralstraße. Das Alte Theater, unfern vom Eingang zum Rosental, wurde 1766 gegründet und 1817 umgebaut. Am Blücherplatz steht die 18841886 von Enger und Weichardt im Renaissancestil errichtete Neue Börse, ihr gegenüber am Plauenschen Platz das Gebäude der dauernden Gewerbeausstellung An der Nordseite der Promenade liegen der Thüringer, Magdeburger und Dresdener Bahnhof. Die übrigen Bahnhöfe liegen vereinzelt und zwar der Bayrische auf der Grenze zwischen der Süd- und Ostvorstadt, der Eilenburger im O., der Berliner im äußersten Nordosten der Stadt und der Plagwitzer in dem westlichen Vorort Plagwitz. Der Zentralgüterbahnhof befindet sich bei Schönefeld. Von dem sächsischen und preußischen Staate gemeinsam ist 1902 ein Zentralbahnhof begonnen worden, dessen Hauptgebäude etwa an der Stelle des jetzigen Dresdener, Magdeburger und Thüringer Bahnhofs ihren Platz finden werden. Nahe dem Dresdener Bahnhof steht das große Gebäude der Allgemeinen deutschen Kreditanstalt, am Ende der Wintergartenstraße der Kristallpalast, Leipzigs umfangreichstes Vergnügungslokal mit großen Sälen und einem 3500 Plätze enthaltenden Zirkus (Alberthalle). Hervorragende Gebäude der Ostvorstadt sind das Paketpostamt und das neue Buchhändlerhaus in der Hospitalstraße, ein Ziegelbau in deutscher Renaissance (von Kayser und v. Großheim; Tafel II, Fig. 6), und hinter diesem das 18981900 nach den Plänen E. Hagbergs errichtete Deutsche Buchgewerbehaus mit dem Deutschen Buchgewerbemuseum und der Gutenberghalle (Tafel I), die Heimstätte des Deutschen Buchgewerbevereins (s. die betreffenden Artikel, Bd. 3, S. 538). Im Johannistal erhebt sich seit 1861 die neue Sternwarte. In der Nähe des Johannistals liegen das städtische Krankenhaus zu St. Jakob, die Irrenklinik,[379] das Taubstummeninstitut und eine große Anzahl von Universitätsinstituten, wie die Augenheilanstalt, die Anatomie, das physiologische, pathologische, pharmakologische, hygienische, landwirtschaftliche, agrikulturchemische, physikalische, chemische, zoologische Institut, die neue Frauenklinik (Triersches Institut), die Veterinärklinik und der Botanische Garten. Am Roßplatz steht seit 1884 das Panorama, daneben die 1891 eröffnete sehenswerte Markthalle, am Königsplatz das von Licht gebaute, 1895 vollendete Grassi-Museum, worin die reichen Sammlungen des Museums für Völkerkunde und des Kunstgewerbemuseums untergebracht sind. Südwestlich vom Königsplatz befinden sich das neue Polizeiamt, das Amtsgericht und das Landgericht. Ein neues großes Justizgebäude (Landgericht), 1905 vollendet, erhebt sich in der äußern Südvorstadt. Auf dem Areal des alten Botanischen Gartens (SW.) ist in neuerer Zeit eine Reihe von Prachtbauten erstanden, wie das großartige, von Ludwig Hoffmann 188895 erbaute Reichsgericht (s. d., Abbildung Tafel III), das neue Konzerthaus, 188284 nach den Plänen von Gropius und Schmieden gebaut (Tafel II, Fig. 5), das neue Konservatorium der Musik (Fig. 4), das herrliche Gebäude der Universitätsbibliothek (Fig. 2 und Tafel »Bibliotheksgebäude III«, Fig. 2), nach Roßbachs preisgekröntem Entwurf errichtet und 1892 eingeweiht, die königliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe u.a. Andre bedeutende Bauten sind die alte Gasanstalt und das neue Gesellschaftshaus des Zoologischen Gartens in der Nordvorstadt und die neue Gasanstalt sowie der 1891 eröffnete große Zentralschlachtviehhof in der äußern Südvorstadt, das Kinderkrankenhaus in L.-Reudnitz und die neue Zwangsarbeitsanstalt zu St. Georg in L.-Thonberg.
[Bevölkerung.] Die Zahl der Einwohner von L. betrug 1676 gegen 20,000,1776: 24,000,1800: 32,146,1832: 43,189,1864: 85,394,1875: 127,387,1880: 149,081,1885: 170,342,1890: 357,122,1895: 399,369 und 1. Dez. 1900: 456,124 (222,716 männliche,233,408 weibliche). Hiervon waren 420,924 Lutheraner, 6367 Reformierte, 18,628 Katholiken und 6171 Israeliten. Außer den S. 377 genannten Vororten sind auch die innerhalb eines Kreises von 46 km Radius vom Markte liegenden Dörfer durch wirtschaftliche Interessen mit L. eng verbunden. Es sind Möckern mit Kasernen, Stötteritz, Schönefeld, Abtnaundorf, Stünz, Wahren, Leutzsch, Großwiederitzsch, Mockau, Thekla, Paunsdorf, Mölkau, Zweinaundorf, Probstheida, Dölitz, Raschwitz, Ötzsch, Gautzsch, Großzschocher-Windorf, Böhlitz-Ehrenberg und Barneck. Die Bevölkerung dieser Orte belief sich nach der Zählung von 1900 auf etwa 76,000 Personen. Die Bevölkerung von Groß-L. innerhalb eines Kreises von 10 km Radius betrug 1900: 566,302.
[Messen, Handel und Industrie.] Schon gegen Ausgang des Mittelalters verdankte L. seine wachsende Bedeutung vornehmlich dem Handel. Die nach mehr als 400jährigem Bestehen 1887 aufgelöste Kramerinnung und die später neben ihr begründete Vereinigung der Großhändler sowie der aus beiden Körperschaften gebildete Handelsvorstand (bis 1868) haben in ihrer Blütezeit eine hervorragende Rolle gespielt. Den Charakter als Handelsstadt hat L. zunächst durch seine drei Handelsmessen, zu Neujahr, Ostern und Michaelis, gewonnen, die es zu einem Platz von universeller Bedeutung für die Handelswelt machten. Die Leipziger Messen entwickelten sich aus Jahrmärkten und erlangten namentlich eine größere Bedeutung, nachdem 1497 und 1507 Kaiser Maximilian I. der Stadt weitgehende Stapel- und Niederlagsrechte verliehen hatte (s. unten, Geschichte, S. 387). Infolge der günstigen Lage Leipzigs in dem gewerblichen Sachsen und zwischen dem industriereichen Westen Europas und dem stark konsumierenden Osten, auch infolge des Eifers, mit dem der Leipziger Rat und die sächsischen Fürsten über die Privilegien der Leipziger Messen wachten, erhoben sich diese zu einer Bedeutung, die etwa von 1711 an die der ältern Reichsmessen von Frankfurt a. M. überragte und auch durch die großen Anstrengungen Frankfurts a. O. nicht beeinträchtigt werden konnte. Den Blüteperioden der Leipziger Messen zu Anfang und dann wieder zu Ende des 18. Jahrh. folgte ein weiterer großer Aufschwung nach dem Eintritt des Königreichs Sachsen in den Zollverein 1834. Obwohl der Umfang des Warenverkehrs auf den Leipziger Messen noch bis in die 1860er Jahre namhaft stieg, so machte sich die rückläufige Bewegung in der Bedeutung der Messen für den Handel im allgemeinen doch auch bei den Leipziger Messen mehr und mehr geltend (vgl. E. Hasse, Geschichte der Leipziger Messen, Leipz. 1885) Eine Reihe ehemals wichtiger Meßgüter gingen dem Meßhandel als solchem ganz oder doch zum Teil verloren, indem für sie an seine Stelle oder neben ihn ein ständiger und spezialisierter, in L. ansässiger Großhandel trat (s. unten); dagegen ging für eine Reihe andrer Waren (keramische, Glas-, Metall-, Holz-, Papier- und Lederwaren, Spielwaren, Musikinstrumente, Galanterie- und Kurzwaren etc.) aus dem frühern Warenaustausch, und zwar nur auf den Messen Leipzigs, eine neue Form des Meßverkehrs hervor, nämlich der Verkauf solcher Erzeugnisse auf Lieferung nach zur Messe ausgestellten Mustern. In richtiger Erkenntnis der Tragweite dieser Umwandlung und in gemeinsamer Abwehr eines von Berlin aus unternommenen Versuchs, diesen neuen Meß-Musterlagerverkehr dorthin zu ziehen, sind der Rat und die Handelskammer Leipzigs seit 1893 eifrig bemüht gewesen, L. seine Messen zu erhalten und den Meßverkehr nach jeder Richtung hin zu erleichtern und zu fördern. Diesem Zweck hat namentlich auch der Umbau des alten Gewandhauses zu einem Ausstellungspalast für Meß-Musterlager (Städtisches Kaufhaus) gedient, dem zahlreiche ähnliche, private Meßbauten gefolgt sind und die Errichtung eines zweiten städtischen Ausstellungsgebäudes jetzt folgen soll. Ferner sind in bezug auf die Zeit und die Dauer der Messen seit 1894 einige Änderungen getroffen worden. Die Neujahrsmesse findet seitdem vom 3.16. Jan., die Ostermesse in den drei Wochen vom ersten Sonntag nach Ostern bis zum Sonntag Cantate einschließlich, die Michaelismesse in den drei Wochen vom letzten Sonntag im August an statt, welche Termine auch für den mit den Messen von altersher noch verbundenen Meßkleinhandel gelten. Daneben wird für den obenerwähnten Musterlagerverkehr der keramischen und verwandten Geschäftszweige vom ersten Montag im März an in der Dauer von 13 Tagen eine von der übrigen, für diese Geschäftszweige zu spät fallenden Ostermesse abgezweigte, sogen. Vormesse abgehalten, während sich im Herbste der Meß-Musterlagerverkehr mit im Rahmen der allgemeinen Michaelismesse abspielt und an der Neujahrsmesse die Musterlager brauchen überhaupt nicht teilnehmen. Naturgemäß findet bei den verschiedenen Messen der Hauptverkehr in der ersten Woche, bez. zu Beginn der Messe statt. Diese neuen Termine und die übrigen von Rat und Handelskammer[380] ergriffenen Maßregeln haben sich für das Meßgeschäft überaus günstig erwiesen. Insbesondere hat sich der Meß-Musterlagerverkehr der Ostervormesse und Michaelismesse in großartiger Weise entwickelt, was am besten aus dem von der Leipziger Handelskammer zweimal jährlich herausgegebenen offiziellen Leipziger Meßadreßbuch (Verkäuferverzeichnis) zu ersehen ist, dessen letzte Auflage (Ostervormesse 1905) nicht weniger als 2930 ausstellende Firmen aufweist, davon 2646 aus Deutschland, 206 aus Österreich-Ungarn und 78 aus dem übrigen Ausland. (Näheres bei Heubner, Der Musterlagerverkehr der Leipziger Messen, Tübing. 1904.) Unter den Handelszweigen, für welche die Messen noch die alte Form des Warenverkehrs bewahrt haben, sind der Tuch-, der Leder- und der Borstenhandel, besonders aber der Rauchwarenhandel hervorzuheben; für diesen bildet L. mit seinen ungeheuern Vorräten von Rauchwaren einen Hauptstapelplatz, wie es auch das Zurichten und Färben der Rauchwaren für die ganze Welt besorgt. Dagegen ist bei den übrigen Zweigen des heutigen Leipziger Großhandels der ehemalige Zusammenhang mit den Warenmessen gelöst. Wohl sämtlich verdanken sie aber, so namentlich der gesamte Woll- und Garnhandel, der Manufakturwarenhandel, der Produktenhandel, der Handel mit Tabak, Weinen, Kolonial- und Materialwaren, Nahrungs- und Genußmitteln, der Handel mit Metallen, Farbwaren, Drogen, Chemikalien, Fettwaren und Ölen, ihren Ursprung und ihre Ausdehnung dem frühern Meßhandel. Sie waren berufen, seine für solche Waren nicht mehr geeigneten Formen durch neue, passendere zu ersetzen und nehmen seine Stellung für ihr Gebiet in gewisser Beziehung auch heute noch ein. Freilich ist das Geschäft bei vielen von ihnen, z. B. dem Handel mit Webgarnen, mit roher und gefärbter Seide, mit Farbwaren, mit Eisen und Blech, der, von alten kapitalkräftigen Firmen betrieben, die Industrie in weitem Umkreis versorgt, schwieriger und weniger gewinnbringend geworden. Dasselbe gilt vom Getreidehandel, während anderseits z. B. der Wollhandel mit dem steigenden Verbrauch von Kolonialwollen durch die Industrie beständig gewachsen ist und als neuer Zweig sich ihm das Geschäft in Kammzug und Kämmlingen zugesellt hat. Eine große Entwickelung zeigt ferner der Papierhandel, ebenso der Handel mit Rohtabak. In dem Vertrieb der Erzeugnisse der deutschen Industrie sowohl in Deutschland selbst als nach dem Ausland hat der Handel ein sich immer mehr erweiterndes Arbeitsfeld gewonnen. Der Wert der Ausfuhr aus dem Konsulatsbezirk L. nach den Vereinigten Staaten betrug vom 1. Juli 1903 bis 30. Juni 1904 über 61/2 Mill. Doll.
Die Industrie hat in L. und seinen Vororten, unter denen namentlich Plagwitz, Lindenau und Reudnitz ihr das rasche Wachstum verdanken, in den Jahren 186773, dann wieder seit 1878 einen sehr ansehnlichen Aufschwung genommen. Die Zahl der Fabriken (mit mehr als 10 Arbeitern) betrug 1904: 877, in denen 65,917 Arbeiter beschäftigt waren. Hauptzweige der Industrie sind: Eisengießerei, Bau von Maschinen und Apparaten aller Art (z. B. Dampfmaschinen, Dampfkessel, Maschinen für Buchbinderei und Papierindustrie, Nähmaschinen, Strickmaschinen, landwirtschaftliche Maschinen und Ackergeräte, Werkzeugmaschinen etc.), Fabrikation von elektrischen Anlagen, Petroleum- und Gasmotoren, Gasbeleuchtungs-, Gasheizungs-, Wasserleitungs- und Badeeinrichtungen, von Schnellpressen, Geldschränken, Maßstäben, mathematischen, physikalischen und chemischen Instrumenten; Fabrikation von Pianofortes und mechanischen Musikwerken, von Asphalt, Dachpappe und Holzzement, Zement-, Guttapercha- und Gummiwaren, künstlichen Blumen und Federn, Spitzen, Rüschen, Papierwäsche, Zelluloidwäsche, Jalousien, Parkett und Furnieren, Koffern und Lederwaren, Kleidern und Wäsche etc. Auf dem Gebiete der Textilindustrie sind die Kammgarnspinnerei, die Baumwollspinnerei, die Wollkämmerei und die Wollgarnspinnerei großartige Betriebe. Bedeutsam ist ferner die Fabrikation von ätherischen Ölen, Essenzen, Seifen und Parfümerien. Zu großer Bedeutung hat sich, wie schon bemerkt, die Rauchwarenzurichterei und -Färberei entfaltet. Erwähnung verdienen ferner die Bierbrauerei und die Fabrikation von künstlichen Mineralwässern, Likören, Roheis, Tabak und Zigarren. Hochentwickelt ist die Papier- und graphische Industrie mit bedeutenden Buchbindereien, Bunt- und Luxuspapierfabriken, Buchdruckereien, Stein-, Zink-, Kupfer- und Stahldruckereien, Notenstechereien und -Druckereien, Schriftschneidereien und -Gießereien, geographischen und artistischen Anstalten. Auch die Kunst- und Handelsgärtnerei hat in neuerer Zeit einen erfreulichen Aufschwung genommen.
Das Bankwesen zeigt eine entsprechende Entwickelung. Die bedeutendsten Bankinstitute sind die 1856 begründete Allgemeine deutsche Kreditanstalt (Umsatz 1904: 9017 Mill. Mk.), die Reichsbankhauptstelle (Umsatz 1904: 4601,9 Mill. Mk.) und die Filiale der Deutschen Bank. Außerdem sind zu nennen: die Filiale der Sächsischen Bank zu Dresden, die Leipziger Kreditbank, die Leipziger Kredit- und Sparbank, die Leipziger Hypothekenbank, die Kommunalbank für das Königreich Sachsen, der Erbländische Ritterschaftliche Kreditverein etc. Hierzu kommen noch zahlreiche Privatbanken. Im Versicherungswesen hat sich L. mit zuerst hervorgetan. Schon 1819 wurde die Feuerversicherungsanstalt, 1830 die Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft begründet; neben diesen ist noch die Renten-, Kapital- und Lebensversicherungsbank Teutonia zu nennen. Außerdem bestehen noch eine Menge kleinerer Anstalten und Zweigniederlassungen auswärtiger Versicherungsinstitute der verschiedensten Art. An der Spitze des Handels und der Industrie steht die Handelskammer, die in der von ihr erbauten Neuen Börse ein würdiges Heim gefunden hat.
Eine ganz hervorragende Bedeutung hat der Leipziger Buch- und Musikalienhandel. L. ist Sitz des 1825 gegründeten Börsenvereins der deutschen Buchhändler, des Deutschen Buchdruckervereins (s. d., Bd. 4, S. 730) und des Deutschen Buchgewerbevereins (s. d., Bd. 3, S. 538). 1905 bestanden in L. 993 buchhändlerische Firmen einschließlich der Kunst-, Musikalien- und Antiquariatshandlungen. Der Verein der Buchhändler zu L., gegründet 25. Febr. 1833, unterhält die Bestellanstalt für den ganzen buchhändlerischen Geschäftsverkehr. Die Kommissionäre (1905: 120) besorgten die Geschäfte von ca. 10,900 Kommittenten. Der Umsatz des Buchhandels in L. entzieht sich der neuen Verkehrserleichterungen halber (billige Zahlungsvermittelung durch die Post, Girokonten der Reichsbank etc.) jeder zuverlässigen Schätzung (vgl. auch Art. »Buchhandel«, besonders S. 545 u. 542). In engem Zusammenhang mit diesem großartigen Buchhandel steht der überaus lebhafte Betrieb der Buchdruckerei, die 1905 von 191 Firmen ausgeübt ward; viele der größern Buchhandlungen haben ihre eignen Offizinen, zum Teil verbunden mit Buchbinderei, Schriftgießerei etc. Notendruckereien sind 7,[381] lithographische Anstalten und Steindruckereien 179, xylographische Anstalten 77 vorhanden. 1888 wurde das neue deutsche Buchhändlerhaus eröffnet, worin sich auch das 1885 begründete deutsche Buchgewerbemuseum (s. d.) befindet. Vgl. Lorck, Die Druckkunst und der Buchhandel in L. (Leipz. 1879); Kirchhoff, Die Entwickelung des Buchhandels in L. (bis 1560, das. 1885); O. v. Hase, Die Entwickelung des Buchgewerbes in L. (das. 1887); F. v. Schroeder, Die Verlegung der Büchermesse von Frankfurt a. M. nach L. (das. 1904).
[Bildungsanstalten, Sammlungen etc.] In der großen Zahl der Unterrichtsanstalten Leipzigs nimmt die Universität die erste Stelle ein. Ihre Gründung verdankt sie dem Umstande, daß im J. 1409 etwa 400 deutsche Studenten und Magister die Hochschule in Prag verließen und sich auf sächsischem Boden eine neue Heimat suchten. Als Stiftungstag gilt der 4. Dez. 1409. Der erste Rektor war Otto von Münsterberg (gest. 1416). Kurfürst Moritz verschaffte der Universität reiche Einkünfte aus Grundbesitz, der sich im Laufe der Zeit bedeutend vergrößerte. Zudem erhält sie vom Staat jährlich einen namhaften Zuschuß. Mit der Universität stehen zahlreiche wissenschaftliche Institute und Sammlungen in Verbindung, die zu den größten und am besten eingerichteten Lehrstätten ihrer Art gehören. Die Universitätsbibliothek hat über 500,000 Bände, einschließlich der Handschriften und Inkunabeln, sowie ein reichhaltiges Münzkabinett. Eine segensreiche Einrichtung ist das bereits erwähnte Konvikt, worin gegen 300 unbemittelte Studierende Mittags- und Abendessen erhalten. Nächst Berlin und München ist L. die am stärksten besuchte Universität des Deutschen Reiches. Die Zahl der Studierenden und Hörer belief sich im Winterhalbjahr 1904/05 auf 4630. Davon waren 3880 Studierende (2063 Sachsen, 1817 Nichtsachsen), 659 Hörer und 91 Hörerinnen. Andre Unterrichtsanstalten sind: die Handelshochschule, gegründet Ostern 1898, die erste Anstalt dieser Art in Deutschland, die beiden städtischen Gymnasien (die Thomasschule mit Alumnat und die Nikolaischule), 2 Staatsgymnasien (König Albert-Gymnasium und Königin Carola-Gymnasium), ein städtisches Realgymnasium, 4 Realschulen, eine königliche Baugewerkenschule, eine höhere Schule für Mädchen, verbunden mit Lehrerinnenseminar, eine Gewerbeschule, 4 höhere Bürgerschulen, 14 Bürgerschulen, 31 Bezirksschulen, die sogen. Vereinigte Freischule, 4 Fortbildungsschulen für Knaben, die städtische Schule für Frauenberufe, eine katholische Schule und eine israelitische Religionsschule. Daneben bestehen noch zahlreiche von Vereinen und Korporationen unterhaltene Schulen, ferner Fachschulen, Privatschulen und Institute der mannigfaltigsten Art, z. B. die von der Kramerinnung 1831 gegründete, auch im Ausland sehr geschätzte öffentliche Handelslehranstalt, drei berechtigte Privatrealschulen, ein Privatprogymnasium, die Unterrichtsanstalt für Buchhandlungslehrlinge, die Sonntagsschule der Loge Balduin zur Linde, die Sonntags-Gewerbeschule der Leipziger Polytechnischen Gesellschaft, mehrere kaufmännische Fortbildungsschulen, eine Lehranstalt für erwachsene Mädchen zur Ausbildung für den kaufmännischen und gewerblichen Geschäftsbetrieb, die Carolaschule, eine höhere Fach- und weibliche Gewerbeschule, eine Volkshaushaltungsschule, Bildungsanstalten für Kindergärtnerinnen, ein Lyzeum für Damen, ein Seminar für Handfertigkeitsunterricht, mehrere Schülerwerkstätten u.a.m. Der Förderung der Künste sind folgende Anstalten gewidmet: die Akademie für graphische Künste und Baugewerbe und die damit verbundene Kunstgewerbeschule, das städtische Museum, del Vecchios dauernde Kunstausstellung, das Kunstgewerbemuseum, der Verein der Kunstfreunde, der Leipziger Künstlerverein, der Leipziger Kunstverein. Im Bereich der Musik stehen das Konservatorium der Musik (s. oben) und das altberühmte Institut der Gewandhauskonzerte (s. d.) in erster Linie. Andre Musikinstitute sind: die Singakademie, der weitbekannte Riedel-Verein für Kirchenmusik, der Bach-Verein, die Windersteinkonzerte, die Neuen Abonnementskonzerte etc. Auch des musikhistorischen Museums von P. de Wit (am Thomaskirchhof) ist hier zu gedenken. Außer den beiden städtischen Theatern hat L. noch das in der Südvorstadt gelegene Schauspielhaus (früher Carolatheater), das Theater am Thomasring (Zentraltheater), das Battenbergtheater (Volkstheater) und zwei Sommertheater.
Von den zahlreichen wissenschaftlichen und andern Vereinen, deren nicht bereits gedacht worden ist, sind zu erwähnen: die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften (gegründet 1846), die Fürstlich Jablonowskische Gesellschaft der Wissenschaften (seit 1768), die Deutsche Gesellschaft, die Deutsche Morgenländische Gesellschaft, der Verein für Erdkunde, der Verein für Handelsgeographie und Kolonialpolitik, der Deutsche Flottenverein, die Deutsche Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten, die Fraternität der Notarien und Literaten (1624), der Verein für Geschichte Leipzigs, der Verein zur Feier des 19. Oktobers, der Verkehrsverein, der Landwirtschaftliche Kreisverein, die Naturforschende Gesellschaft, die Medizinische Gesellschaft, der Entomologische Verein Fauna, der Verein des Museums für Völkerkunde, der Kaufmännische Verein, der Leipziger Lehrerverein, die Gemeinnützige Gesellschaft, der Verein für Volkswohl, der Arbeiterbildungsverein, der Schillerverein, die Goethe-Gesellschaft, die Polytechnische Gesellschaft, die beiden Gartenbaugesellschaften, der Gustav Adolf-Verein, der Evangelische Missionsverein, der Allgemeine deutsche Schriftstellerverein, die Pädagogische Gesellschaft, mehrere Freimaurerlogen etc. An Bibliotheken sind außer der Universitätsbibliothek zu nennen die Stadtbibliothek mit über 120,000 Bänden, die Bibliothek des Reichsgerichts mit etwa 125,000 Bänden, die Königlich sächsische bibliographische Sammlung, die Bibliothek des Börsenvereins der Buchhändler, die Bibliothek der Handelskammer, die Pädagogische Zentralbibliothek (s. Comenius-Stiftung), 10 Volksbibliotheken, mehrere öffentliche Lesezimmer etc. Besondere Erwähnung verdient auch das Historische Museum der Völkerschlacht und der Zeit Napoleons I. im Gasthaus zum Napoleonstein. In L. erscheinen über 500 Zeitungen, Zeitschriften und Fachblätter der verschiedensten Art. Unter den Tageszeitungen sind zu erwähnen die konservative Leipziger Zeitung (s. d.), das Leipziger Tageblatt, die Leipziger Neuesten Nachrichten, die Leipziger Abendzeitung, Stadt- und Dorfanzeiger, die sozialdemokratische Leipziger Volkszeitung.
[Wohltätigkeitsanstalten.] Die wichtigsten Anstalten und Vereine zu gemeinnützigen und wohltätigen Zwecken sind: die städtischen Krankenhäuser zu St. Jakob und zu L.-Plagwitz, die städtische Irrenheil- und Pflegeanstalt Thonberg, die neue, sehr umfangreiche Heilanstalt in Dösen bei L., die Diakonissenanstalt, das Diakonissenhaus in L.-Lindenau,[382] das Kinderkrankenhaus, das Johannishospital für alte Leute, das Städtische Pflegehaus, die Zwangsarbeitsanstalt zu St. Georg, das Taubstummeninstitut, 3 Stiftungen für Blinde, das Leihhaus und die Sparkasse, die seit 1881 neuorganisierte Armenanstalt mit den damit verbundenen Instituten der städtischen Brotbäckerei, der Bekleidungsanstalt, der Irrenversorganstalt, des Exmittiertenhauses, der Arbeitsnachweisungsanstalt, der 4 Armenhäuser, des Waisenhauses und der Ziehkinderpflege, das Daheim für Arbeiterinnen, die Gesellschaft der Armenfreunde, die Pestalozzi-Stiftung mit Erziehungshaus, der Verein für innere Mission, 3 öffentliche Speiseanstalten, Volksbrausebäder, Sanitätswachen, der Verein für Familien- und Volkserziehung, das Asyl für Obdachlose, zahlreiche Kinderbewahranstalten und Kindergärten, die Erziehungs- und Pfleganstalt für geistig zurückgebliebene und schwachsinnige Kinder, der Verein zur Fürsorge für entlassene Sträflinge, die Schrebervereine für Förderung der Erziehung u. des Unterrichts, der Verein für Ferienkolonien u.a.m. Durch großartige Schenkungen reicher Bürger (Stiftung eines Menschenfreundes, Focke-Stiftung etc.) können wohltätige u. gemeinnützige Zwecke wesentlich gefördert werden.
[Verwaltung, Behörden.] Die städtische Verwaltung liegt in den Händen des Stadtrats, der einschließlich des Oberbürgermeisters, des Bürgermeisters und des Polizeidirektors aus 16 besoldeten und 15 unbesoldeten Mitgliedern besteht, und des Stadtverordnetenkollegiums, das 72 Mitglieder zählt. Die finanziellen Verhältnisse sind günstig. Nach dem Vermögensabschluß vom 1. Jan. 1903 betrugen die Aktiven 124,869,679 Mk., die Passiven 91,597,942 Mk., so daß ein Vermögensbestand von 33,271,737 Mk. vorhanden war. 1903 betrugen die Gesamtausgaben 31,971,721 Mk., die Gesamteinnahmen 31,847,018 Mk. Die Beleuchtung der Stadt und der Vororte erfolgt durch die beiden großen städtischen und durch drei der Thüringer Gasgesellschaft gehörige Gasanstalten sowie (seit 1895) durch zwei Elektrizitätswerke, welche die innere Stadt und die innern Vorstädte mit elektrischem Licht versorgen. Durch ein großes Wasserwerk bei Naunhof (seit 1888) wird L. mit Wasser versorgt. Als kaiserlich deutsche Reichsbehörden hat L. das Reichsgericht, den Disziplinarhof, die Disziplinarkammer, den Ehrengerichtshof, die Anwaltskammer bei dem Reichsgericht, die Oberpostdirektion, das Telegraphenamt, das Fernsprechamt und eine Hauptstelle der Reichsbank. Die hauptsächlichsten andern Behörden sind: die königliche Kreishauptmannschaft, die Amtshauptmannschaft, ein Landgericht und Amtsgericht, 2 sächsische Eisenbahndirektionen, 2 Ephorien, ein Polizeiamt, das Hauptzollamt, Hauptsteueramt, Landbauamt, die Landeslotteriedirektion, eine Handelskammer, eine Gewerbekammer. Dazu kommen 29 Konsulate und Generalkonsulate. L. ist Sitz des Generalkommandos des 19. (2. Königlich Sächsischen) Armeekorps, des Kommandos der 2. Division Nr. 24, der 3. Infanteriebrigade Nr. 47, der 4. Infanteriebrigade Nr. 48, der 2. Kavalleriebrigade Nr. 24, der 2. Feldartilleriebrigade Nr. 24 und Garnison der Infanterieregimenter König Georg Nr. 106 und Prinz Johann Georg Nr. 107, der Maschinengewehrabteilung Nr. 19, des 2. Ulanenregiments Nr. 18, des 7. Feldartillerieregiments Nr. 77 und des 2. Trainbataillons Nr. 19.
[Verkehrswesen.] In direkter Eisenbahnverbindung steht L. mit Dresden (durch zwei Linien), Chemnitz, Magdeburg, Hof, Erfurt, Gera, Dessau, Berlin und Guben. Seit 1897 gibt es in L. nur elektrischen Straßenbahnbetrieb. Zwei Gesellschaften, die Große Leipziger Straßenbahn und die Leipziger Elektrische Straßenbahn, vermitteln durch 22 Linien den Verkehr mit den Vororten und Außendörfern. Eine für L. sehr wichtige Angelegenheit ist die Kanal frage. Von den vier ausgearbeiteten Projekten kommt neuerdings nur noch der Plan eines Elster-Saale-Kanals in Betracht. L. hatte 1905: 28 Postämter, ein Telegraphenamt und ein Fernsprechamt. Mit den Postämtern sind Telegraphenbetriebsstellen und Fernsprechstellen vereinigt.
Das Wappen der Stadt (s. Abbildung, S. 377) ist ein der Länge nach geteilter Schild; links befindet sich auf goldenem Grund ein schwarzer ausgerichteter Löwe; rechts sind vier Balken abwechselnd in Blau und Gold. Vgl. Wustmann, Das Leipziger Stadtwappen (Leipz. 1897).
[Umgebung etc.] Die öffentlichen großen und schönen Gärten, die vormals eine Zierde Leipzigs waren, hat die Spekulation vernichtet und in Straßen umgewandelt. Einen Ersatz bieten die prächtigen Waldungen, die sich im Norden, Westen und Süden der Stadt hinziehen. Auf der südlich vom Scheibenholz gelegenen Rennbahn werden alljährlich im Frühjahr und Herbst große Wettrennen veranstaltet. Die Radfahrer, Fußball-Wettspieler etc. haben einen Sportplatz im Westen der Stadt nahe bei Lindenau. Die besuchtesten Vergnügungsorte für die Leipziger sind außer den schon genannten das Neue Schützenhaus (Schützenhof), die Vororte Gohlis, Eutritzsch, Konnewitz, Lößnig, Lindenau, Plagwitz, Schleußig, ferner Ötzsch, Gautzsch, Leutzsch, Böhlitz-Ehrenberg, Wahren, Lützschena mit Park und einer Gemäldegalerie des Freiherrn Speck v. Sternburg, die durch die Völkerschlacht von 1813 denkwürdigen Dörfer Probstheida, Meusdorf, Wachau, Dölitz und Markkleeberg, teilweise noch mit Spuren der Schlachttage; Machern, Knauthain, Eythra mit schönen Parkanlagen u.a.m.
Um das Jahr 1000 lag in der Flußniederung der Elster und Pleiße eine slawische Ansiedelung mit einer Burg (in der Nähe des heutigen Alten Theaters), die den Mittelpunkt eines slawischen Verwaltungsbezirks (Burgwart) bildete. Daneben war auf etwas höher gelegenem Boden eine deutsche Ansiedelung entstanden; deren Kirche (die Nikolaikirche) kam 1017 an das Stift Merseburg, das seit 974 in nächster Nähe einen großen Wald besaß und offenbar in dieser Gegend kolonisatorisch tätig gewesen war. Die beiden Siedelungen und die Burg trugen den Namen Libzi, der von dem slawischen Worte lipa (die Linde) abgeleitet wird. Politisch gehörte die Gegend zur »Mark Merseburg« und zum Gau Chutizi, kirchlich zum Bistum Merseburg und während dessen Auflösung 981 bis 1004 zu Magdeburg. Auf Grund seines Eigentums an dem Wald und der Kirche scheint der Bischof früh, und sicher noch im 12. Jahrh., grundherrliche Rechte entwickelt zu haben, während der Landesherr, Otto der Reiche, nach 1156 die deutsche Siedelung mit hallisch-magdeburgischem Stadtrecht bewidmete. Diese neue Stadt war durch nichts Besonderes ausgezeichnet und lag inmitten einer sumpfigen und durch Hochwasser gefährdeten Landschaft auf der einzigen vorhandenen Bodenerhebung. Aber eben darin lag auch die Vorbedingung für die künftige Entwickelung, insofern alle die Gegend berührenden Straßen, um die Sumpfniederung zu vermeiden, durch die Stadt hindurchliefen, deren Bürger durch die [383] Anlage von Brücken und Wegen bereits um 1200 für die Zugänglichkeit Leipzigs sorgten. Wichtig war dies vor allem nach Nordwesten hin, wo um die Mitte des 14. Jahrh. der »Hallische«, und nach Südwesten, wo der »Ranstädter« Steinweg vorhanden waren, die durch das Hallische, bez. Ranstädter Tor in die Stadt einmündeten, während man nach Südosten hin durch das Grimmaische Tor zur Stadt hinauszog. Das vierte Haupttor, das Peterstor, ist bezeichnenderweise nach der Peterskirche und nicht wie die drei andern nach einem Orte benannt, es kommt für den Verkehr wenig in Betracht. Die Grundlage für einen L. berührenden Durchgangsverkehr bildete die Salzproduktion Halles, und zwar besonders deshalb, weil sich die Strecke von dort bis L. in einem Tage zurücklegen ließ und sich hier ein bequemes Nachtquartier bot. Dieser Verkehr der Salzwagen wuchs aber besonders seit 1200, als Schlesien Hallisches Salz zu beziehen begann, als sich die später sogen. Hohe Landstraße (s. d.) ausbildete und der dadurch erzeugte Verkehr bereits eine günstige Rückwirkung auf die städtische Entwickelung äußerte.
Unter andern Verhältnissen hätte diese wohl zur Reichsfreiheit der Stadt geführt, aber Markgraf Dietrich (der 1213 das Thomaskloster gründete) bezwang die Bürger und beraubte sie 1217 ihrer Privilegien. Während der Minderjährigkeit Heinrichs des Erlauchten entstand das Dominikanerkloster St. Paul am Grimmaischen Tor, dem andre geistliche Niederlassungen folgten. Gewiß fanden im 13. Jahrh., seit wann, ist unbekannt, bereits zwei Jahrmärkte nach Ostern und zu Michaelis statt, aber sie hatten keine hervorragende Bedeutung, und die Feststellung des Marktrechts 1268 durch den Markgrafen zeigt nur die gewöhnlichen Verhältnisse. Eine Änderung dieses Zustandes vollzog sich erst gegen Ende des 14. Jahrh., als zwischen 1380 und 1390 die nach Nordosten vordringenden Nürnberger L. als Etappenpunkt für ihren Handel nach Polen zu benutzen begannen. Unter dem Einflusse dieser Bewegung blühten Leipzigs Märkte rasch auf, die Stadt ward eine Zweigniederlassung Nürnbergs, dessen Handelsgewohnheiten sich hierher übertrugen, und seit 1400 wird man mit Recht von Leipziger »Messen« sprechen dürfen. Eine Wirkung der neuen Verhältnisse ist bereits die Gründung der Universität 1409, die dadurch entstand, daß etwa 400 deutsche Magister und Studenten (nicht mehr) von Prag nach L. zogen; auch im Handelsverkehr löste L. im Laufe der Hussitenkriege Prag als östlichen Niederlagsort der Nürnberger völlig ab. Der Rat erwarb im Laufe des 15. Jahrh. die wesentlichsten landesherrlichen Hoheitsrechte, vor allem 1423 die hohe und niedere Gerichtsbarkeit, wenn auch zunächst nur auf Wiederkauf, wie er die Verkehrsabgaben bereits besaß. Die Landesherren sahen jetzt völlig ein, welchen Wert L. materiell für sie darstellte, und förderten es in jeder Weise. Vor allem ward 1458 als dritte die Neujahrsmesse verliehen, die 1466 die kaiserliche Bestätigung erhielt, und 1464 wird zum ersten Male die »gemeine Niederlage«, der Stapel, als tatsächlich vorhanden erwähnt. Die Landesherren haben auf Grund ihrer politischen Geltung im Reiche die beiden kaiserlichen Privilegien von 1497 und 1507 erwirkt, durch welche die Messen zu Reichsmessen erhoben und die Geltung des Stapelrechts genauer auf einen Umkreis von 15 Meilen festgelegt wurde.
Um 1500 war L. der erste Geld- und Warenmarkt Mitteldeutschlands mit vielfachen Beziehungen nach dem Osten. Seit 1479 wurde hier gedruckt, seit 1483 bestand das Oberhofgericht neben dem berühmten Schöppenstuhl. Bei der Teilung der Wettinischen Lande 1485 fiel L. der Albertinischen (herzoglichen) Linie zu, und Herzog Georg (s. Georg 20) erweiterte die Grenzen des Weichbildes, überließ auch dem Rate die hohe und niedere Gerichtsbarkeit 1508 erblich. In der Pleißenburg fand auf Herzog Georgs Veranlassung 4. Juli 1519 die Disputation zwischen Luther, Karlstadt und Eck statt, aber der Herzog hielt sich streng zu den Altgläubigen und unterdrückte in den 1520er Jahren die evangelische Lehre wie in seinem ganzen Lande, so namentlich in L., wo sie viele Anhänger hatte, gewaltsam, vertrieb viele angesehene Leipziger und schädigte dadurch auch Handel und Meßverkehr, während die Zahl der Studenten an der Universität zusehends abnahm, da sich alles Wittenberg zuwandte. Die Universität L. war tatsächlich die Hochburg der alten scholastischen Richtung, und auch ein Humanist wie Petrus Mosellanus (gest. 1524) vermochte nur vorübergehend Einfluß zu gewinnen. Heinrich der Fromme (153941) führte die Reformation förmlich ein, und nachträglich schloß sich ihr auch die Universität an; der Rat erhielt das Patronat über die Kirchen und Schulen, und unter Moritz ward auch die Universität reichlich mit säkularisiertem Kirchengut ausgestattet. Im Schmalkaldischen Kriege wurde L. 1547 von Johann Friedrich vergeblich belagert, und dieses Ereignis hat die erste Abbildung der Stadt veranlaßt. Moritz verstärkte die Festungswerke und ließ die Pleißenburg (in der 1632 Pappenheim starb) sowie die 1547 zerstörten Vorstädte wieder aufbauen. Im März 1549 ward hier von den sächsischen Landständen das sogen. Leipziger Interim (s. Interim) beschlossen. 1550 ward das Konsistorium aus Merseburg nach L. verlegt, 155657 entstand das alte Rathaus. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. ließen sich unter dem Schutze des am Handel stark interessierten Kurfürsten August viele niederländische Kaufleute in L. nieder, und es entwickelte sich ein regelmäßiger Verkehr mit Hamburg, das Antwerpen ablöste und nunmehr statt letzterm von den Engländern aufgesucht wurde. Dieser Umstand ist die Voraussetzung für Leipzigs Handelsbedeutung im 17. und 18. Jahrh., denn damals vermittelte L. fast ausschließlich Mittel- und Ostdeutschland, ja Osteuropa (Polen, Rußland, den Donauländern) die englischen Industrieprodukte und die von Engländern eingeführten Kolonialwaren.
Ungemein litt L. im Dreißigjährigen Kriege; fünfmal ward es 163142 belagert und beschossen, 1642 von den Schweden unter Torstensson eingenommen und auch noch nach dem Frieden bis zur Abtragung der Kriegskontribution von 267,000 Tlr. (1650) besetzt gehalten. Doch die unglückliche Finanzlage der Stadt war nicht erst durch den Krieg herbeigeführt worden, der Kursachsen erst seit 1631 heimsuchte, sondern L. war schon im Anfang der 162061 Jahre zahlungsunfähig und hatte 12 Mill. Mk. Schulden. Deshalb ließ der Kurfürst die städtische Finanzwirtschaft seit 1627 durch eine Kommission kontrollieren. Nach 1650 wurde L. stärker befestigt und erholte sich nun auch verhältnismäßig rasch wirtschaftlich, da der Handel auf die alten Straßen zurückkehrte, die Handelswaren der Engländer eine immer wachsende Bedeutung für Deutschland erlangten und sich auch Italiener und Franzosen (seit 1688) hier niederließen, die ferner Verbindung mit ihren Heimatländern unterhielten. Seit etwa 1680 ist ein unverkennbarer Aufschwung zu verzeichnen: 1677 wurde die Ratsbibliothek gegründet und 1679 die Börse (am Naschmarkt)[384] errichtet. 1681 gab es 63 Großhändler, die damals in den »Handelsdeputierten« eine Interessenvertretung erhielten; 1682 entstand das Handelsgericht, und es wurde eine Handelsgerichts- und Wechselordnung eingeführt. 1690 tagte in L. die Münzkonferenz, deren Frucht die 1691 erfolgte Einführung des Leipziger Münzfußes (1 Mark = 12 Taler) war. L. war eine der vier »Legestädte« des Reiches und hatte das Direktorium der sächsischen Städte auf den Landtagen. Um 1700 war L. wirtschaftlich ein ernster Rival Frankfurts a. M. geworden und überflügelte es um 1710 endgültig. Der Buchhandel hatte auf den Leipziger Messen schon seit 1490 eine bedeutende Rolle gespielt, aber erst nach 1600 gewann L. als Verlagsort größere Bedeutung, und erst nach 1700 ward das Buchgeschäft von Frankfurt a. M., dessen Büchermesse 1764 völlig einschlief, nach L. verlegt. Die Einsetzung der kurfürstlichen Bücherkommission (1687) und die größere Sicherheit vor Nachdruck trugen wesentlich dazu bei. Der allgemeine Wohlstand, der Verkehr der Fremden und die Eigenschaft als Verkehrsmittelpunkt förderten auch das französisch angehauchte geistige Leben (daher »Klein-Paris«): es entstanden zahlreiche zum Teil jetzt noch erhaltene großartige Bürgerhäuser im Barockstil, es wirkten hier Sebastian Bach (172350), Gottsched (172466) und Gellert (174169), während Lessing und Goethe hier studierten. Die schweren Bedrückungen während des Siebenjährigen Krieges, wo Friedrich d. Gr. der Stadt 30 Mill. Mk. Kontributionen abpreßte, bedeuteten wirtschaftlich und geistig trotz alledem nur eine vorübergehende Unterbrechung der günstigen Entwickelung, die bis in den Anfang des 19. Jahrh. hinüberdauerte. 1784 fielen die Festungswerke, und der Stadtgraben wurde in Promenaden umgewandelt.
Die Beschlagnahme aller englischen Waren infolge der Kontinentalsperre (1806) und die Aufhebung der bisherigen Geschäftsverbindungen schädigte anfangs den Handel wesentlich, doch paßte sich L. schnell den veränderten Bedingungen an und hatte sich in den folgenden Kriegsjahren recht guter Messen zu erfreuen. Im Kriege von 1809 wurde es von Österreichern und dann von Braunschweigern besetzt, aber die größten Leiden brachte der Krieg von 1813. Die russischen Vortruppen hatten L. 31. März bis 30. April in Besitz, 2. Mai zog ein Korps Franzosen unter Lauriston ein. Bei der Völkerschlacht (s. unten) vom 16.19. Okt. drohte der Stadt die Einäscherung, und die glückliche Bewahrung davor war der Anlaß zu den in den folgenden Jahren abgehaltenen Erinnerungsfeiern. Viele Tausende Verwundete lagen noch geraume Zeit nachher in den zahlreichen überfüllten Spitälern, und der Typhus verbreitete sich von diesen aus auch unter der Bevölkerung. Das Regiment führte der russische Fürst Repnin bis zum Friedensschluß, der 1815 die preußischen Schlagbäume bis zwei Stunden vor die Stadt rückte. Die Messen entwickelten sich jedoch trotz böser Ahnungen zunächst günstig und erreichten in den nächsten zwei Jahrzehnten ihre relativ größte Bedeutung, die erst nach dem Anschluß Sachsens an den Zollverein (1834) und der Eröffnung der ersten Eisenbahn (8. April 1839) allmählich sank, während Einwohnerzahl (s. oben, S. 380), ebenso Industrie und Kleinhandel beträchtlich zunahmen. Am 5. April 1831 trat infolge ausgebrochener Unruhen an Stelle der alten städtischen Regierung ein neuer, von den provisorischen Kommunerepräsentanten gewählter Magistrat. 1835 wurden der Schöppenstuhl, das Oberhofgericht und das Konsistorium beseitigt, aber dafür ward L. Sitz des Appellationsgerichts und der Kreisdirektion. 1825 schon war der »Börsenverein der deutschen Buchhändler zu L.« gegründet worden, 1833 wurde die Buchhändlerbörse erbaut. Die 1825 begonnene und 1837 abgeschlossene Reform der Universität machte sie zu einer gesamtdeutschen Bildungsstätte. Unter Mitwirkung Mendelssohns entstand 1843 das königliche Konservatorium der Musik-kurz in jeder Richtung wurden geistige Interessen gefördert. Die Mißstimmung über die Haltung der Regierung gegenüber dem in L. stark verbreiteten Deutschkatholizismus sowie die Befürchtung eines beabsichtigten Glaubenszwanges in der protestantischen Kirche verursachten 12. Aug. 1845 bei Anwesenheit des Prinzen Johann einen Volksauflauf, der mehreren Personen das Leben kostete. Während des Jahres 1848 wirkten in L. zahlreiche politische Vereine, und namentlich entwickelte Robert Blum (s. d.) eine große agitatorische Tätigkeit. 1866 war L. mehrere Monate von preußischen Truppen besetzt. 1868 ward es Sitz des Reichsoberhandelsgerichts und 1879 des Reichsgerichts. 1898 entstand in Verbindung mit der Universität die erste deutsche Handelshochschule.
Vgl. außer den bereits angeführten Schriften: Hasse, Die Stadt L. und ihre Umgebung, geographisch und statistisch beschrieben (Leipz. 1878); die »Mitteilungen des Statistischen Bureaus der Stadt L.«; die Jahresberichte der Handelskammer; »Die Stadt L. in hygienischer Beziehung« (Festschrift des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege, das. 1891); »L. und seine Bauten« (Festschrift des Architekten- und Ingenieurvereins, das. 1892); »Festschrift des Vereins deutscher Ingenieure in L.« (1887); Hirschfeld, Leipzigs Großindustrie und Großhandel (das. 1887); »L. im Jahre 1904« (Weltausstellung in St. Louis, das. 1904); Gurlitt, Beschreibende Darstellung der ältern Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Heft 17 u. 18: Stadt L. (Dresd. 189596); Lokalführer vom Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs, von Moser, Benndorf, Heitmann, Pfau, Bernhard, Gäbler, Wörl u.a.; Hassert, Die geographische Lage und Entwickelung Leipzigs (in den »Mitteilungen des Vereins für Erdkunde«, Leipz. 1899); Helm, Heimatkunde von L. (2. Aufl., das. 1903); Große, Geschichte der Stadt L. (das. 183742, 2 Bde.; neuer Abdruck, das. 189798); Böttger, Die Ereignisse um L. im Herbst 1642 (Halle 1882); Rachel, Verwaltungsorganisation und Ämterwesen der Stadt L. bis 1627 (Leipz. 1902); Wustmann, Aus Leipzigs Vergangenheit (das. 1885, neue Folge 1898), Bilderbuch aus der Geschichte der Stadt L. (das. 1897), L. durch drei Jahrhunderte, Atlas zur Geschichte des Leipziger Stadtbildes (das. 1891), Quellen zur Geschichte Leipzigs (das. 188995, 2 Bde.) und Geschichte der Stadt L. (das. 1905, Bd. 1), die erste urkundliche Darstellung; »Urkundenbuch der Stadt L.« (hrsg. von v. Posern-Klett und Förstemann im »Codex diplom. Saxoniae regiae«, das. 187095, 3 Bde.); Seifert, Die Reformation in L. (das. 1883); Buchwald, Reformationsgeschichte der Stadt L. (das. 1900); Kirchhoff, Geschichte der reformierten Gemeinde in L. 1700 bis 1725 (das. 1874); Friedberg, Die Universität L. in Vergangenheit und Gegenwart (das. 1898); Zarncke, Die Statutenbücher der Universität L. (das. 1861); »Matrikel der Universität L. 14091559« (hrsg. von Erler im »Codex diplom. Saxoniae regiae«, das. 18951902, 3 Bde.); Hasse, Geschichte der Leipziger Messen (das. 1885); Kretzschmar, Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht in den Gebieten[385] zwischen der mittlern Saale und der Lausitzer Neiße (Bresl. 1905); Tille, Die Anfänge der Hohen Landstraße (Gotha 1906); Biedermann, Geschichte der Leipziger Kramerinnung (Leipz. 1881); Moltke, Die Leipziger Kramerinnung im 15. und 16. Jahrhundert (das. 1901); Geffcken und Tykocinski, Stiftungsbuch der Stadt L. (das. 1905); »Untersuchungen über das Leipziger Handwerk« (in den »Schriften des Vereins für Sozialpolitik«, Bd. 63, 66 u. 67, das. 18951897); »Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs« (das. 18721904, 7 Bde.).
Die Kreishauptmannschaft Leipzig umfaßt 3567 qkm (64,78 QM.) mit (1900) 1,060,632 Einw.; darunter waren 1,005,483 Evangelisch-Lutherische, 8520 Reformierte, 35,306 Römisch-Katholische, 1011 Deutsch-Katholische und 6692 Israeliten. Sie besteht aus den sieben Amtshauptmannschaften:
(Hierzu Karte »Leipziger Völkerschlacht, 16. u. 18. Oktober 1813«.)
Die Gegend von L. ist in neuerer Zeit mehrfach der Schauplatz großer Schlachten gewesen, was mehr in der Wichtigkeit der an Hilfsquellen für den Krieg so reichen Stadt und in ihrer leichten Zugänglichkeit auf bekannten Straßen als in der Beschaffenheit des Terrains seinen Grund hat. Drei Hauptschlachten (die von Lützen 16. Nov. 1632 nicht mitgerechnet) wurden hier geliefert, zwei im Dreißigjährigen Kriege, nämlich die nach Breitenfeld (s. d.) benannt zu werden pflegen, 17. Sept. 1631 und die am 2. Nov. 1642, und die sogen. Völkerschlacht vom 16.19. Okt. 1813 gegen Napoleon I., die den Krieg in Deutschland zugunsten der Verbündeten entschied und insofern einen geschichtlichen Markstein bildet.
Durch die Niederlagen seiner Marschälle im August und September genötigt, gab Napoleon seine Stellung bei Dresden auf und ließ durch 45,000 Mann unter Murat das bedächtig über das Erzgebirge vordringende böhmische Heer unter Schwarzenberg, bei dem sich auch Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm III. befanden, möglichst lange aufhalten; er selbst wollte mit allen übrigen Streitkräften Blücher über die Elbe zurückjagen, dann umkehren und das böhmische Heer angreifen. Aber Blücher wich geschickt aus, und Napoleon kehrte unverrichteter Dinge nach L. zurück. Ein Reitergefecht bei Liebertwolkwitz 14. Okt. endete zum Vorteil der Verbündeten, deren 200,000 Mann Napoleon 176,000 Mann gegenüberzustellen hatte. Er wollte die allgemeine Vereinigung der Gegner verhindern, wählte seine Stellung östlich von der die Elster und Pleiße begleitenden Sumpf- und Waldniederung mit dem Rücken gegen L., obgleich ihm hier als einzige Rückzugslinie die Straße über Lindenau blieb. Auf der Nordseite beobachteten Blücher 42,000 Mann unter Ney; den Paß bei Lindenau bewachte Bertrand mit 10,000 Mann. Napoleon ordnete am 15. vom Galgenberg zwischen Wachau und Liebertwolkwitz aus seine Scharen in einem großen Halbkreise, der von der Pleiße zwischen Konnewitz und Lösnig über Probstheida und Holzhausen bis Paunsdorf reichte, zur Schlacht gegen das böhmische Heer.
Die Schlacht bei L. vom 16. Okt. zerfällt in drei Einzelkämpfe: in die Napoleons bei Wachau gegen das böhmische Heer, die Marmonts bei Möckern gegen Blücher und das Gefecht zwischen Gyulai und Bertrand bei Lindenau. Verleitet von dem Sachsen v. Langenau, wollte Schwarzenberg, die ganz unwegsame Flußniederung umgehend, gegen L. vorrücken. Zwar versagte Kaiser Alexander die Mitwirkung der Russen zu dem verkehrten Plane; da aber Schwarzenberg dennoch 35,000 Mann dazu bestimmte, so blieben nur 84,000 Mann (Kleist, Wittgenstein und Klenau unter Barclays Oberbefehl) auf dem rechten Ufer verfügbar. Ein fünfstündiger Geschützkampf leitete die Schlacht bei Wachau ein, das Dorf Markkleeberg wurde viermal genommen und viermal verloren, bis es die Preußen behaupteten. Noch heftiger tobte der Kampf um Wachau selbst, das Herzog Engen von Württemberg mit seinen Russen gegen die von Napoleon persönlich befehligte Übermacht nicht zu behaupten vermochte; er mußte nach Güldengossa zurück, und zu seiner Rechten ging auch Fürst Gortschakow nach dem Universitätsholze zurück. Noch weiter rechts hatte zwar Klenau Liebertwolkwitz den Franzosen entrissen und den Kolmberg besetzt, mußte aber auch in seine frühere Stellung bei Großpößna und Fuchshain zurück. Um 11 Uhr waren die Angriffe der Verbündeten sämtlich gescheitert; die Schlacht stand für sie höchst bedenklich. Zwar zog nun Schwarzenberg auf Alexanders Andringen, wenigstens einen Teil der Österreicher, die jenseit der Pleiße nicht vorwärts kamen, auf das rechte Ufer, aber ehe sie eintrafen, entstand bei Wachau höchste Gefahr. Napoleon, bisher aus 170 Geschützen beschossen, suchte sich 3 Uhr nachmittags durch einen Reiterangriff (8000 Mann unter Murat) zu retten. Bis an den Fuß des Hügels, auf dem die Monarchen und jetzt auch Schwarzenberg hielten, ging der Stoß; das Zentrum der Verbündeten war durchbrochen, und Napoleon befahl, in L. Sieg zu läuten. Doch in diesem Augenblick ermattete der Reiterschwarm und wurde von der herbeieilenden russischen Kavallerie und Reserveartillerie überwältigt. Ein zweiter von Maison mit Fußvolk unternommener Ansturm hatte denselben Erfolg. Die Nacht machte dem mörderischen Kampf ein Ende. Gyulais matter Angriff auf Lindenau hatte inzwischen Bertrand ebenfalls abgewiesen.
Insofern Napoleon den Angriff des böhmischen Heeres abgeschlagen hatte, durfte er sich bei Wachau den Sieg zuschreiben, und dieser würde voraussichtlich entscheidend geworden sein, hätte sein linker Flügel unter Ney und Marmont dem Ruf auf das Schlachtfeld von Wachau folgen können. Im Begriff, dahin aufzubrechen, sah sich Marmont plötzlich durch Blücher festgehalten, den der Kanonendonner früh zum Ausbruch von Halle veranlaßt hatte. Ney hatte sich zwar nach Wachau in Marsch gesetzt, kehrte aber wegen Marmonts gefährdeter Lage um, kam jedoch zu spät und gelangte daher weder hier noch dort zum Schlagen. Um seine infolge des Ausbleibens der Nordarmee unter dem Kronprinzen von Schweden ungedeckte linke Flanke nicht einem feindlichen Stoß auszusetzen, konnte Blücher nur mit dem Korps Yorck, 21,500 Mann, Marmont angreifen, der, um den Weg nach L. zu versperren, das durch seine Lage dicht an der Elster vor Umgehung geschützte Dorf Möckern zu hartnäckiger Verteidigung eingerichtet hatte. Um[386] dieses tobte der von beiden Seiten mit höchster Energie durchgeführte Kampf, bis die unvergleichliche Tapferkeit der Preußen durch Erstürmung des Dorfes und durch einen glänzenden Reiterangriff die Niederlage Marmonts entschied. Den Preußen kostete ihr Sieg an Toten und Verwundeten 172 Offiziere und 5500 Mann, den Franzosen 6000 Mann und 2000 Gefangene.
Der 17. Okt., ein Sonntag, verlief still. Die Verbündeten verschoben gemäß dem Beschluß des zu Sestewitz gehaltenen Kriegsrats die Erneuerung der Schlacht auf den folgenden Tag, wo das Nordheer und das russische Reserveheer unter Bennigsen eingetroffen sein mußten. Nur Blücher, noch unbekannt mit diesem Beschlusse, ließ von Langeron und Sacken den Feind durch Wegnahme der Dörfer Eutritzsch und Gohlis bis dicht an die Stadt zurückdrängen. Dieselben Erwägungen, welche die Verbündeten zum Aufschub veranlaßten, hätten Napoleon zum Rückzug bestimmen müssen, da die Voraussetzungen, unter denen er sich dem böhmischen Heere zur Schlacht gestellt hatte, nicht eingetroffen waren und er nur 14,000 Mann Verstärkungen unter Reynier von Düben her zu erwarten hatte. Allein diesen Entschluß gestattete sein Stolz nicht; er hoffte vielmehr auf die Möglichkeit, Österreich durch Anerbietungen der Koalition abtrünnig zu machen, und schickte zu diesem Zwecke den bei Konnewitz gefangenen österreichischen General Merveldt an seinen Schwiegervater. Aber der Tag verging ohne Antwort, und nun erst traf er einige, aber auch ungenügende Anordnungen, die den Rückzug einleiten sollten.
Da Napoleon den auf 276,000 Mann verstärkten Gegnern nur 150,000 Mann gegenüberstellen konnte, sa verkürzte er die Ausstellung seiner Truppen, indem er sie etwas näher an die Stadt zurücknahm. Der Hauptteil unter Murat stand dem böhmischen Heer gegenüber auf einer von der Pleiße über Probstheida bis Holzhausen reichenden Linie, links verteidigte Ney den Lauf der Parthe, den großen Zwischenraum zwischen beiden besetzte nur das schwache Korps Reynier, da Napoleon zunächst vom Nordheer nichts fürchtete. Er selbst leitete am 18. die Schlacht von der Tabakmühle bei Stötteritz aus. Daß er trotz der großen Überzahl der Gegner ihnen auch diesen ganzen Tag standhielt, lag wesentlich an dem bei diesen herrschenden Mangel an Übereinstimmung und Ineinandergreifen. In drei Heersäulen schritt Schwarzenberg zum Angriff. Die erste, 45,000 Mann unter Prinz Hessen-Homburg und nach dessen schwerer Verwundung unter Colloredo, entriß den Polen Poniatowskis die Dörfer Dölitz und Dösen, konnte aber Konnewitz nicht nehmen. Barclay konnte den Hauptangriff auf Probstheida erst unternehmen, als Bennigsen nachmittags um 2 Uhr heran war. Um dieses massiv gebaute Dorf, das für Napoleon als die die beiden Schenkel seiner Ausstellung verbindende Spitze von höchster Wichtigkeit war, erhob sich ein erbittertes, für die Verbündeten erfolgloses Ringen. Am spätesten griff Bennigsen ein und nahm nach vergeblichem Angriff auf Stötteritz die Dörfer Zuckelhausen, Holzhausen und Baalsdorf, zuletzt auch Zweinaundorf. Bei Paunsdorf gingen 3000 Mann Sachsen mit 19 Kanonen über; ihrem Beispiel folgten zwei württembergische Reiterregimenter (nur noch 500600 Mann) unter General Normann. Um 4 Uhr nachmittags traf das Korps Bülow vom Nordheer auf dem Schlachtfeld ein, nachdem Blücher in einer Zusammenkunft zu Breitenfeld mit großer Mühe die Bedenken des Kronprinzen von Schweden überwunden hatte. Vor dieser Übermacht brach Napoleons linker Flügel zusammen. Ein Dorf nach dem andern ging verloren; Schönefeld verlor Ney in der Nacht an Langeron.
Dieser Ausgang machte Napoleons Aufenthalt vor L. unmöglich. Mit Eintritt der Dunkelheit zog er seine Truppen in die Stadt; er selbst verbrachte die Nacht im Hôtel de Prusse. Als die Verbündeten am Morgen des 19. Okt. die Dörfer von den Franzosen geräumt fanden, schritten sie zum Sturm auf die Stadt; ein Versuch Napoleons, durch Abordnungen des Königs von Sachsen und des Rates an die Monarchen eine Frist zum Abzug zu gewinnen, hatte keinen Erfolg. Langeron und Sacken nahmen die Hallesche, Bülow die Grimmaische Vorstadt; hier drang das Königsberger Landwehrbataillon des Majors v. Mirbach (nicht Friccius, s. d.) zuerst in die Stadt ein; die Petersvorstadt räumte Poniatowski ohne Kampf. Da man keine besondern Brücken geschlagen hatte, stand dem Heere nur die schmale Elsterbrücke am Ranstädter Tore zum Rückzug zur Verfügung. Mühsam bahnte sich der Kaiser selbst Bahn durch die Fliehenden; sobald er das Ranstädter Tor hinter sich hatte, flog die Elsterbrücke, angeblich zu früh, in die Luft, alles, was sich noch diesseits befand, meist Rheinbündler, der Gefangenschaft überliefernd. Viele, unter ihnen Poniatowski, ertranken bei dem Versuche, durch den angeschwollenen Fluß zu entkommen. Gegen 1 Uhr hielten die Monarchen von Preußen und Rußland ihren Einzug in L. unter dem Jubel der Bevölkerung, der eine Zeitlang das entsetzliche Elend vergessen ließ, das die ungeheure Menge von Verwundeten und Kranken in der Stadt verursachte.
Die dreitägige Schlacht hatte auf beiden Seiten gewaltige Opfer gekostet: die Preußen zählten 16,000 Mann, darunter 620 Offiziere, an Toten und Verwundeten, die Russen 21,000 Mann und 860 Offiziere, die Österreicher 14,000 Mann und 420 Offiziere. Die Franzosen verloren 38,000 Mann an Toten und Verwundeten, 15,000 Gefangene, 300 Geschütze und ließen 23,000 Mann in den Lazaretten zurück. Napoleons Weltmacht war vernichtet, und wenn auch eine energischere Verfolgung hätte Platz greifen sollen, so war doch mit Einem Schlag Deutschland bis zum Rhein befreit. Zahlreiche Denksteine bezeichnen die merkwürdigsten Punkte der Schlacht, so die gußeiserne Spitzsäule (seit 1847) auf dem »Monarchenhügel«, das Denkmal des Fürsten Schwarzenberg (ein Würfel aus Stein unweit Meusdorf), der Napoleonsstein unweit Thonbergs, dazu mehrere in der Stadt selbst errichtete Denkmäler (s. oben, S. 377). Schon 1814 ward in L. ein Verein zur Feier des 19. Okt. gegründet, der sich die Aufgabe stellte, das Gedächtnis der Völkerschlacht in möglichst treuer Überlieferung der Nachwelt zu erhalten und alle auf dieselbe bezüglichen Schriftstücke zu sammeln. 1863 wurde die 50jährige Jubelfeier der Schlacht festlich begangen. Die Errichtung eines würdigen Völkerschlachtdenkmals, dessen Grundstein 1900 gelegt wurde und dessen Fundamente gegenwärtig (1905) schon stehen, wurde erst durch den 1895 gegründeten Deutschen Patriotenbund (s. d., Bd. 4, S. 738) in die Wege geleitet. 1875 wurde eine Kreuzerfregatte der deutschen Marine der Leipziger Schlacht zu Ehren »Leipzig« getauft. Seit 1905 trägt wieder ein kleiner Kreuzer den Namen »Leipzig«. Vgl. After, Die Gefechte und Schlachten bei L. im Oktober 1813 (Dresd. 185253, 2 Bde.; 2. Ausg. 1857); Naumann, Die Völkerschlacht bei[387] L. (Leipz. 1863); Wuttke, Die Völkerschlacht bei L. (Berl. 1863); Apel, Führer auf die Schlachtfelder Leipzigs (2. Ausg., Leipz. 1872); Gerlach, Die Schlacht bei L., die Armeestellungen etc. (Tafel, entworfen im J. 1813; neuer Abdruck, das. 1892); Friedr. Richter, Historische Darstellung der Völkerschlacht bei L. (Hamb. 1864; neue Ausg., Leipz. 1897).
Buchempfehlung
Karls gealterte Jugendfreundin Helene, die zwischenzeitlich steinreich verwitwet ist, schreibt ihm vom Tod des gemeinsamen Jugendfreundes Velten. Sie treffen sich und erinnern sich - auf auf Veltens Sterbebett sitzend - lange vergangener Tage.
150 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro