Guacharo

[473] Guacharo (spr. gŭátscharo, Nachtpapagei, Fettvogel, Steatornis Humb.), Gattung aus der Ordnung der Segler und der Familie der Guacharos (Steatornithidae) mit der einzigen Art Steatornis caripensis Humb. (s. Tafel »Segler«, Fig. 1), der vielfach an die Nachtschwalben erinnert. Er ist 55 cm lang, 110 cm breit, hat sehr schlanken Leib, platten, breiten Kopf, einen am Grund breiten Schnabel mit hakig überbogener Spitze, lange, spitzige Flügel, mäßig langen, breiten, stufigen Schwanz, sehr kurze, kräftige Füße und unbefiederte Läuse. Am Schnabelgrund stehen lange Borsten, die das Gesicht wie mit einem Schleier umgeben. Das Gefieder ist rötlichbraun, weiß gefleckt. Der G. bewohnt in sehr großer Zahl Felshöhlen und Felsklüfte in Venezuela (vgl. Caripe), Neugranada, auf Trinidad, verläßt diese unter rabenartigem Geschrei nur nachts und lebt ausschließlich von Früchten. Er fliegt unhörbar und sehr schnell, sein Gang aber ist ein trauriges Fortkriechen. Das Weibchen legt 2–4 weiße Eier in Felsenritzen auf eine Unterlage aus ausgewürgten Resten von Früchten (Kot und entleerte Samen bilden hohe Wände um die Nester) und brütet abwechselnd mit dem Männchen. Der G. wird ungemein fett. Die Indianer stellen deshalb in den Höhlen jährlich eine große Metzelei an, lassen das Fett der herabfallenden Jungen aus und benutzen es als Brenn- und Speiseöl. Die aus Kropf und Magen der getöteten Vögel entnommenen Samen (Guacharosamen) werden gegen Wechselfieber benutzt. Die Höhle von Caripe, in der Humboldt den G. 1799 entdeckte, beherbergt viele Tausende dieser Vögel und gilt den Indianern als[473] geheimnisvoller Ort, in dem die Seelen ihrer Vorfahren wohnen. »Zu den Guacharos gehen« heißt soviel wie zu den Vätern versammelt werden, sterben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 473-474.
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