[62] Magen (Gaster, Stomachus, Ventriculus), bei den Tieren die Höhle, in der die Verdauung vor sich geht. Er besteht in der einfachsten Form (bei den Cölenteraten) aus einer einzigen Zellschicht (Entoderm), ist hinten geschlossen, hat nur vorn eine Öffnung, den Mund, und stellt den ganzen Darmkanal vor. Indem sich sein vorderer Teil verlängert und zur Speiseröhre wird, hinten gleichfalls eines Öffnung,[62] der After, entsteht und gewöhnlich auch der hintere Abschnitt sich in die Länge zieht, nimmt der Darmkanal die Gestalt an, die er bei weitaus dem größten Teile der Tiere besitzt. Der M. bildet so nur noch den mittlern Abschnitt des Darmkanals, den Mitteldarm. Indessen bezeichnet man auch als M., z. B. bei den höhern Krebsen und Insekten, einen Teil des Vorderdarmes, nämlich eine Erweiterung der Speiseröhre mit Apparaten zur Zerkleinerung der Speisen (Kaumagen). Bei den Wirbeltieren erhält gleichfalls das Endstück des Vorderdarmes den Namen M.-Die Magenwand kompliziert sich ebenfalls; die verdauende Zellschicht, das Entoderm, vergrößert ihre Oberfläche, indem sie zu Drüsenschläuchen auswächst, die den Verdauungssaft absondern (Labdrüsen, s. unten); um sie herum lagert sich eine Muskelschicht, die den M. zur Bewegung der Nahrung in ihm und zu ihrer Weiterbeförderung in den Darm befähigt.
Der M. der Wirbeltiere ist bei Fischen, Amphibien, Reptilien oft äußerlich kaum von der Speiseröhre unterschieden, die ohne scharfe Grenze in ihn übergeht, dagegen kann er bei den Fischen in der Regel ein nach hinten gerichteter Blindsack sein. Bei Amphibien und Reptilien liegt er vielfach schon quer zur Längsrichtung des Körpers, und diese Querlage wird bei den Säugetieren zur Regel. Bei den Vögeln zerfällt er gewöhnlich in zwei Abschnitte, den drüsigen Vormagen (proventriculus) und den mit einer meist (z. B. bei Hühnern) sehr starken Muskelschicht versehenen Muskelmagen, in dem sich Vorkehrungen zur Zerreibung der unzerkleinert in ihn gelangenden Nahrung befinden. Bei den Säugetieren ist der M. häufig gleichfalls aus mehreren Abschnitten zusammengesetzt. Bei den Wiederkäuern zerfällt er in vier Abteilungen, den Pansen oder Wanst, den Netzmagen oder die Haube, den Blättermagen, Löser (Faltenmagen, Psalter) und den Labmagen (s. Wiederkäuer).
Der M. des Menschen endlich (s. Tafel »Eingeweide I«, Fig. 1, und Tafel II, Fig. 3 und 6) liegt im obersten Teil der Bauchhöhle. Seine Größe richtet sich nach seinem Inhalt: ein nicht zu sehr gedehnter M. ist 2732 cm lang, 912 cm breit und faßt etwa 3 Lit. Flüssigkeit. Seine obere Öffnung heißt Magenmund (cardia) und liegt gerade da, wo die Speiseröhre durch das Zwerchfell tritt; durch die untere Öffnung (Pförtner, pylorus) mündet er in den Darm. Nach unten und links von dem Magenmund liegt der sogen. Magengrund (fundus). Die Magenwand, deren Dicke im zusammengezogenen Zustand auf 13 mm angegeben wird, aber gleichfalls nach dem Grade seiner Ausdehnung außerordentlich wechselt, besteht aus drei Häuten. Die äußerste von diesen gehört dem Bauchfell an, das sich auf den M. umschlägt und ihn ganz einhüllt; dann kommt eine etwa 1 mm dicke Lage von Längs- und Ringmuskeln und zu innerst die Schleimhaut. Die Muskelschicht verdickt sich am Pförtner zu dem Schließmuskel des Pförtners (sphincter pylori), der wie eine Klappe (valvula pylori) in das Innere vorspringt. Die Bewegungen des Magens kommen durch die abwechselnde Zusammenziehung seiner Längs- und Ningfasern zustande, bringen nach und nach jedes Teilchen des Mageninhalts mit der Schleimhaut in Berührung und drücken zuletzt die Speisen in den Zwölffingerdarm hinein. Die Kraft, mit der beim Erbrechen der Mageninhalt ausgeworfen wird, hängt weniger von der Stärke der Muskelhaut als vom Druck der Bauchmuskeln ab. Die Schleimhaut, d. h. die innerste der drei Häute, ist samtartig weich und je nach ihrem Blutgehalt gelbgrau bis graurötlich. Sie enthält außer vielen Schleimdrüsen hauptsächlich die Fundus-o der Labdrüsen (Textfigur a, b), einfache zylindrische Schläuche, die von seinen Blutgefäßen umsponnen sind und in den sie auskleidenden Labzellen den Magensaft erzeugen. Im vollen M. ist die Schleimhaut glatt, im leeren dagegen in Falten gelegt. Die großen Blutgefäße des Magens, die sogen. Kranzadern, stammen aus der Eingeweide- und obern Gekrösarterie; das venöse Blut ergießt sich in die Pfortader (s. Tafel »Blutgefäße«, Fig. 4).
Lymphgefäße und Lymphdrüsen sind zahlreich vorhanden. Die Nerven kommen vom Vagus und Sympathikus her.
Magenkrankheiten betreffen am häufigsten die Schleimhaut, wie der Magenkatarrh; selten sind der Soor und die Tuberkulose der Magenschleimhaut. Als Magenentzündung (Gastritis) bezeichnet man eine tiefer gehende phlegmonöse Entzündung der Magenwand. Eins der häufigsten Magenleiden, namentlich bei Bleichsüchtigen, ist das runde Magengeschwür; ebenfalls häufig ist bei ältern Personen der Magenkrebs. Beide gehen mit Schmerzen, nicht selten mit Blutbrechen einher und können zuweilen zur Magenerweiterung, seltener zur Magenschrumpfung oder Verengerung führen. Von den sehr häufigen Neurosen des Magens sei der Magenkrampf und die nervösen Sekretionsstörungen des Magens genannt. Sehr verbreitet ist die nervöse Dyspepsie meist als Teilerscheinung allgemeiner Nervosität. Vielerlei kolikartige Schmerzen, die der Laie kurzweg als Magenschmerzen bezeichnet, rühren von Überfüllung des Darms, wirklicher Kolik, Stuhlverstopfung, Darmverengerung etc. her. S. die hierunter folgenden betreffenden Einzelartikel. Vgl. Leube, Die Krankheiten des Magens und des Darms (2. Aufl., Leipz. 1878); Boas, Diagnostik und Therapie der Magenkrankheiten (Bd. 1, 5. Aufl., das. 1903; Bd. 2, 4. Aufl. 1901); Ewald, Klinik der Verdauungskrankheiten, Bd. 2 (3. Aufl., Berl. 1893); Rosenheim, Die Krankheiten der Speiseröhre und des Magens (2. Aufl., Wien 1896); Riegel, Die Erkrankungen des Magens (2. Aufl., das. 1903); Wiel, Tisch für Magenkranke (7. Aufl., Karlsbad 1892); Wegele, Die diätetische Küche für Magen- und Darmkranke (3. Aufl., Jena 1904); Biedert und Langermann, Diätetik und Kochbuch für Magen- und Darmkranke (Stuttg. 1895); Boas, Diät und Wegweiser für Magenkranke (4. Aufl., Berl. 1901); Wittgenstein, Physikalisch-diätetische Behandlung der Magenkrankheiten (Leipz. 1901).
Auch die Haustiere werden oft von Magenkrankheiten befallen. Akute und chronische Magendarmkatarrhe kommen bei allen Arten vor. Eigentliche Magenentzündungen sind meist Folge von mit[63] dem Futter aufgenommenen Giftstoffen. Das Pferd hat einen unverhältnismäßig kleinen M. und erkrankt leicht an Überfütterungskolik (s. Kolik). Beim Wiederkäuer beherbergt der Pansen (s. Wiederkäuer) sehr große Futtermengen, die er durch ständige Tätigkeit seiner Muskulatur durcheinander rühren muß. Bei ungenügender Pansentätigkeit entsteht chronische Verdauungsstörung. Verwachsungen des Pansens und der Haube mit der Bauchwand (infolge örtlicher chronischer Entzündung) bilden oft ein Hindernis für die Magenbewegung. Die häufigste Magenerkrankung beim Rind entsteht durch verschluckte spitze Fremdkörper (s. Herzbeutel-Zwerchfellentzündung). Abnorme Gasbildung im Pansen bewirkt das Aufblähen. Würmer des Magens s. Magenwurmkrankheit. Bei Pferden finden sich oft die Larven der Magenbremse (s. Bremen, S. 376). Bei mehreren akuten Infektionskrankheiten ist speziell der M. mitbetroffen, so beim Rotlauf und der Rinderpest. Geschwülste (beim Pferd auch Magensteine) finden sich bisweilen. Hunde leiden häufig an chronischem Erbrechen. Bemerkenswert ist, daß Pferde im Gegensatz zu den übrigen Haustieren nicht erbrechen können, wegen eines eigenartigen Abschlusses am Ende der Speiseröhre. Beim Pferde deutet Erbrechen daher fast immer auf tödliche Magenerkrankung (Lähmung, Zerreißung); Ausnahmen kommen vor. Bei Hunden und Schweinen werden dagegen oft Brechmittel angewendet. Das Wiederkauen ist, streng genommen, ein stets normales, nicht gewaltsames Erbrechen.
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