Höhlenkultus

[463] Höhlenkultus (Grottenkultus), der in Indien und Kleinasien, besonders aber bei den klassischen Völkern herrschende Brauch, die in das Erdinnere führenden Höhlen mit ihrem geheimnisvollen Dunkel als Geburtsplätze und Aufenthalt der Gottheiten, Musen und Nymphen zu verehren und zur geweihten Stätte mannigfacher Zeremonien, Opfer und Wallfahrten zu machen. Die Höhle des Zeus auf Kreta, des Dionysos und viele dem Pan, den Musen-, Wind- und Quellengöttern gewidmete Grotten, namentlich aber die unzähligen künstlichen Höhlen des Mithras gehören hierher. Oft waren die dem Apollo, Äskulap, Trophonius, der Proserpina und andern chthonischen Gottheiten geweihten Höhlen Schauplätze des Orakeldienstes, der Totenbefragung und Traumheilung, wobei betäubende Erddünste und Quellen, namentlich kohlensäure- und schwefelwasserstoffhaltige, als begeisternde Ausflüsse der Gottheit galten, z. B. in Delphi und Dodona, in Nysa, Hierapolis und Kolophon (Kleinasien), in Cumä etc. (vgl. Quellendienst). Auch im nördlichen Europa galten die Höhlen als Wohnorte von Zwergen, Feen, verzauberten Helden, Dämonen und Drachen und erfuhren einen entsprechenden Kultus; am berühmtesten im Mittelalter war die vielbesuchte St. Patrickshöhle in Irland, durch die man angeblich an den Ort des Fegfeuers gelangte.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 463.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: