Hyoscyămus

[704] Hyoscyămus Tournef (Bilsenkraut), Gattung der Solanazeen, einjährige oder ausdauernde, aufrechte oder niederliegende, meist behaarte Kräuter mit ungeteilten, gelappten oder siederlappigen Blättern, oben weißen oder gelben, violett oder rot geaderten, achselständigen Blüten, von denen die obersten zu einer beblätterten Traube oder Ähre vereinigt sind, und zweifächeriger, vom bleibenden Kelch eingeschlossener Kapsel mit zahlreichen kleinen Samen. Elf Arten in Europa, Nordafrika, bis Asien, eine auf den Kanaren. H. niger L. (schwarzes Bilsenkraut, Hühnertod, Saubohne, Zigeunerkorn, Schlafkraut, Teufels-, Rindswurz, Herba Apollinaris, Apollokraut, s. Tafel »Giftpflanzen II«, Fig. 8), bis 60 cm hoch, ein- und zweijährig, mit schmierigzottigem Stengel und Blättern und schmutziggelben, violett netzaderigen, im Schlunde dunkelvioletten Blüten, findet sich durch fast ganz Europa bis Nordafrika und Ostindien, auf Schutthaufen, an Wegen, Hecken etc. Blätter und Samen werden in Form von Ausguß, Extrakt, Pflaster, Salbe, Öl etc. arzneilich benutzt. Die Blätter riechen widerlich betäubend, schmecken fade, bitterlich und enthalten, wie die ölig, widerlich, bitter und scharf schmeckenden Samen, als wesentlichen Bestandteil Hyoscyamin und Skopolamin (Hyoscin).[704] Das Bilsenkraut ist narkotisch-giftig und hat in seiner Wirkung manche Ähnlichkeit mit Belladonna und Stechapfel, wird als schmerz- und krampfstillendes Mittel bei Magenkrampf, Gesichtsschmerz, Keuchhusten, schmerzenden Geschwülsten etc. benutzt. Besonders häufig vergiften sich Kinder beim Spielen mit den Samen. Über Verlauf u. Behandlung der Vergiftung s. Atropa. Zu äußerlichem Gebrauch dient das Bilsenkrautöl, das man durch Erwärmen von 4 Teilen zerschnittenem und mit 3 Teilen Alkohol befeuchtetem Bilsenkraut mit 40 Teilen Olivenöl bereitet; es wirkt aber wohl nur als fettes Öl. H. – Arten wurden schon im Altertum als Heilmittel benutzt; Dioskorides erwähnt den südeuropäischen H. albus L., der im Mittelalter auch in Deutschland benutzt wurde. Die narkotischen Eigenschaften des Bilsenkrauts sollen die Pythien zur Erzeugung eines visionären Zustandes benutzt haben. In den Keltenländern wurde es Belenium nach dem Apollo Belenus dieser Länder genannt. Später hieß die Pflanze Belinuncia, woraus Bilsenkraut entstand. H. niger fand erst seit der Mitte des 18. Jahrh. allgemeinere Anwendung. Von H. physaloides L., in Sibirien, dienen Kraut und Wurzel in der Heimat statt des Opiums als Berauschungsmittel. H. albus L. und H. aureus L. aus Südeuropa werden auch als Zierpflanzen kultiviert.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 704-705.
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