Johannes der Priester

[283] Johannes der Priester, nach der Legende christlicher Fürst eines Reiches im östlichen Asien im 12. Jahrh., auch Indorum rex genannt; von ihm werden durch mittelalterliche Chronisten Briefe, die wahrscheinlich apokryph sind, mitgeteilt. Doch wird er auch nach Ostafrika und Äthiopien versetzt, wo ihn später die Portugiesen aufsuchten. Endlich befestigte[283] sich die Ansicht, daß Abessinien das Reich J.' sei: noch im 17. Jahrh. hieß es Regnum Presbyteri Johannis. Die Sage, die zu vielen Entdeckungsfahrten Anlaß gab, bezieht sich (nach Oppert, Der Priester J. in Sage und Geschichte, 2. Aufl., Berl. 1870) auf das Reich Karakitai (der schwarzen Kitan), das kurz nach 1125 von dem aus Nordchina vertriebenen Stamm der Kitan unter Yiě lü Ta shi in der Großen Bocharei (Kaschgar) gegründet wurde. Der letzte Abkömmling Yiě lü Ta shis wurde 1201 von dem Naiman-Mongolen Kutschluk (Kushlek) gestürzt, der seinerseits Dschengis-Chan erlag. Die Karakitaier waren wahrscheinlich nestorianische Christen; den Titel ihres Fürsten, Kurchan (Volkschan), verwechselte man mit dem syrischen Juchan (»Johann«). Doch ist diese Deutung angefochten und die indische Heimat und die Echtheit der Briefe des priesterlichen Fürsten verteidigt worden. Vgl. Zarncke, Der Priester J. (Leipz. 1876–79, 2 Tle.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 283-284.
Lizenz:
Faksimiles:
283 | 284
Kategorien: